Halb Vogel, halb Mensch

36 1 0
                                    

POV: Bastian
Es war früh am Morgen, als der Motor eines großen Wagens mich weckte. Ich schlug die Augen auf und musste aufpassen, dass ich nicht vom Baum fiel. In meiner Vogelgestallt hockte ich auf einem Baum und erblickte unter mir einen Umzugswagen. Jemand stieg aus und lief auf das Mehrfamilienhaus zu, in dem auch ich meine Wohnung hatte. Anscheinend bekam ich neue Nachbarn. Ich stieß mich von dem Ast, auf dem ich saß, ab und flog rüber zu dem Fenster, dass in mein Schlafzimmer führte. Als ich drinnen und von außen nicht mehr zu sehen war, verwandelte ich mich zurück in die Gestallt eines Menschen. Ich war halb Vogel, halb Mensch. Aber da merkte ich erst, dass ich immer noch im Schlafanzug war. Richtig! Jede Nacht nach dem Stream flog ich eine Runde und bin wohl auf dem Baum eingeschlafen. Also noch schnell umziehen und schauen, wer da bei mir einzog.

Ich war umgezogen und hatte schon gefrühstückt. Jetzt wollte ich schauen, wer meine neuen Nachbarn waren. Vielleicht war es auch nur einer. Doch bevor ich irgendwie los konnte, klingelte es bei mir. Ich öffnete die Tür und vor mir stand Fabo. Was machte er bitte hier! „Hallo." brachte ich raus. Da stand gerade einfach der Mann, den ich liebe, vor meiner Tür. "Ähm...hey. Ich bin grad erst hier eingezogen und wollte fragen, ob Sie einen Schraubenzieher haben." sagte Fabo. „Klar hab ich einen. Moment bitte." sagte ich und ging den Schraubenzieher holen. Er hatte mich auch echt nicht erkannt? Ein bisschen war ich ja schon enttäuscht. Aber sollte er überhaupt wissen, wer ich bin? Mal sehen, was sich ergibt. Mit dem Schraubenzieher stand ich da auch schon wieder vor Fabo. „Hier." meinte ich. Ich gab ihm den Schraubenzieher. „Danke. Aber ich bräuchte Hilfe beim aufbauen. Könnten Sie mir da bitte helfen?" bat er mich. Ich nickte, schloss meine Wohnung noch schnell ab und folgte Fabo dann in seine Wohnung. Sie war direkt gegenüber von meiner. Endlich war ich nicht mehr alleine im dritten Stock. Es gab noch eine weitere Wohnung hier im dritten Stock, die aber leer stand. „Schöne Wohnung." meinte ich zu Fabo. „Danke." erwiderte er. Gemeinsam bauten wir seine Möbel auf.

Nach etwa zwei Stunden waren wir fertig. In der Zeit hatte er mich leider nicht an der Stimme erkannt. Schade. „Irgendwie kommen Sie mir bekannt vor. Kennen wir uns vielleicht?" wollte er wissen. Ich könnte hüpfen vor Freude. „Überleg mal. Woher kennst du mich?" sagte ich mit einem Lächeln. Fabo überlegte lange. „Basti!" schrie er dann und sprang mich an. Ich lachte. „Das hat aber gedauert." bemerkte ich. „Ja sorry." rief Fabo überdreht. Wir beide mussten noch mehr lachen. „Brauchst du sonst noch irgendwo Hilfe?" fragte ich. „Eigentlich nicht, aber ich glaube es wäre leichter mein Set up zu zweit aufzubauen." antwortete er. Also machten wir uns auch daran. Schließlich waren wir aber mit der Wohnung erstmal fertig. „Was sollen wir denn jetzt machen?" fragte Fabo etwas ratlos. „Keine Ahnung. Willst du zu mir rüber kommen?" antwortete ich ebenfalls ratlos. „Klar, gerne." meinte er. Wir verließen seine Wohnung, er schloss ab und wir gingen zu mir rüber. „Wer wohnt den noch hier im Stock?" fragte Fabo. „Niemand. Die letzten Jahre war ich alleine." erwiderte ich. Fabo sah mich erstaunt an. „War das nicht langweilig?" fragte er neugierig geworden. „Eigentlich nicht. Hier ist halt immer was los. Tage an denen nichts passiert sind selten." meinte ich. „Was ist denn schon alles geschehen?" wollte Fabo wissen. „Mal hat jemand vergessen den Herd auszumachen. Dann wurde die Feuerwehr wegen einem verbrannten Toast gerufen. Oder als eine Nachbarin vom ersten Stock plötzlich ihr Kind bekommen hatte. Und und und." erzählte ich. „Da hab ich ja was vor mir." murmelte Fabo. „Ja, das hast du." lachte ich. „Gibst hier eigentlich auch Nachbarn, denen man besser aus dem Weg gehen sollte?" fragte er. „Eigentlich nicht. Ach so: Wenn du mal jemandem hier begegnen solltest, duze die Person. Hier hat es keiner gerne, wenn man gesiezt wird." gab ich ihm einen Tipp. „Sonst noch was?" wollte er vorsichtig wissen. „Hm. Nee. Nur: Der Vermieter wohnt hier. Also sei besser auf der Hut." warnte ich ihn vor. Der Vermieter war aber echt nett. Jeder mochte ihn. „Okay. Werd ich." sagte Fabo. Wir saßen bei offenem Fenster auf der Couch und redeten. Da hörte ich ein Vogelzwitschern. „Hey!" rief der Vogel. Ich sah zu ihm rüber. Es war eine Blaumeise. „Ich muss dir was zeigen." zwitscherte die Blaumeise. „Der hat ne Meise." grummelte Fabo. „Nee. Ist ne Blaumeise." korrigierte ich ihn. Ich musste mit der Blaumeise mit kommen. Es könnte was wichtiges sein. Aber so lange Fabo hier war, konnte ich es nicht. Ich musste es ihm sagen. „Ich komm gleich. Ist es was wichtiges?" antwortete ich der Blaumeise. Natürlich zwitschernd. „Nee. Nur die Küken sind endlich geschlüpft." meinte die Blaumeise. Ich hätte fast los gequietscht. Küken waren ja schon niedlich. „Ich muss los." sagte da Fabo. Anscheinend hatte er mich nicht gehört. Das war gut. Fabo ging und ich verwandelte mich schnell in einen Vogel und flog mit der Blaumeise mit. Sie zeigte mir den Weg zu den Küken und flog dann weiter. Nach Hause würde ich alleine finden. Als Vogel hatte ich einen guten Orientierungssinn. Das half mir in etlichen Situationen. Aber jetzt sah ich mir erstmal die Küken an. Die waren soooooooo niedlich. Die Mutter war im Nest und der Vater kam gerade mit Beute zurück. Ich ließ die Eltern mit ihrem Nachwuchs alleine und flog zurück nach Hause. Dort klingelte es schon an der Tür. Wer das wohl war. Ich flog bis zur Tür und verwandelte mich dann da. Schließlich öffnete ich die Tür. Vor mir stand der Vermieter. „Hi. Was gibt's?" fragte ich leicht außer Atem. Ich war nicht mehr daran gewöhnt schnell zu fliegen. „Heute zieht noch jemand hier ein, aber erst spät. Ich wollte nur Bescheid sagen, falls es spät am Abend noch mal laut wird." sagte der Vermieter. „Alles klar." erwiderte ich. „Sie mag aber keine Vögel. Also sei vorsichtig. Hier sollte nicht noch was passieren." warnte er mich. Ich nickte. Unser Vermieter wusste, dass ich halb Vogel, halb Mensch war. Für ihn war es normal. Er ging und ich schloss die Tür.

One Shot BuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt