Tremdhet

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                                       E n i s a

»Was?« ist das einzige was ich raus bekomme. Ich kann nicht klar denken. Zu viele Gedanken und Gefühle prägen mein Gehirn. Mein Blick gilt nur dem Tisch, ich weigere mich jemanden anzuschauen. Ich versuche die kommenden Tränen zu unterdrücken. Ich muss mich zusammen reißen. Ich kann keine weiteren Konsequenzen dulden. Mein Körper schmerzt.

»Du hast richtig gehört. Eduard wird bei uns einziehen.« wiederholt sich mein Vater. Kann mich bitte jemand kneifen? Passiert das wirklich? Wenn das ein Traum sein sollte, dann hoffe ich in jedem Moment aufzuwachen. Doch es passiert vergeblich nichts. Es ist kein Traum. Ich muss mich der Realität stellen. Ich muss damit leben und nicht hoffen aufzuwachen. Ich fühle mich plötzlich so klein und schwach das sich mein Magen umdreht.

Ich hebe meinen Blick und schaue zu meinem Vater. Mein Hass vergrößert sich von Tag zu Tag immer mehr, sobald ich in sein Gesicht sehe. »Wollten wir nicht bis zur Ehe warten, Vater?« Ich sollte ihn vor anderen immer Vater nennen um die Seriosität unserer Familie zu widerspiegeln. Das ich nicht lache. »So war es geplant. Ich finde es besser wenn er hier ist solange wir weg sind. Du brauchst jemanden der auf dich aufpasst und dich beschützt. Da Eduard mein bester Mann ist und mein Schwiegersohn wird ist er dafür perfekt geeignet.« beendet mein Vater seine Antwort.

»Ich kann mich selbst beschützen, Vater. Das konnte ich mein ganzes Leben lang. Ist es nicht ein wenig unangebracht es vor der Ehe zu tun?« frage ich ihn berechtigt. »Er wird ein Zimmer neben dir schlafen. Falls dies deine Sorge sein sollte.« Zum Ende schmunzelt er. Ich verharre in meiner Position und meine Lippen spalten sich ein wenig. Hat er mich gerade gedemütigt? Hat er sexistische Andeutungen gemacht die ihn normalerweise nichts angehen? Auf einmal spüre ich die ganzen Hände auf meinem Körper. All die ekelhaften Worte spielen sich in meinen Ohren ab. Ich schüttle meinen Körper einmal um wieder klar zu denken.

Ich spüre wie eine Hand über meine gelegt wird. Meinen Kopf hebe ich und schaue zu Eduard. »Alles gut?« fragt er. »Alles bestens.« antworte ich monoton. Langsam entziehe ich meine Hand von seiner und wende mich zum Essen das uns serviert worden ist. »Zieht er direkt heute ein?« frage ich meinen Vater, als wäre Eduard nicht neben ihm. Aber es ist mir in dem Moment egal. »Nein. In ein paar Tagen.« antwortet er. »Eduard, erzähl doch ein wenig über dich.« lächelt meine Mutter ihn freundlich an. Ja, Eduard. Erzähl mal ein wenig. Mein liebsten Verlobten kenne ich kaum.

»Ich arbeite seit mehreren Jahren bei Mr.Gashi. Ich bin einer der beste von seinen Männern-« »Du bist der beste.« unterbricht ihn mein Vater. Gott bei der ganzen schleimerei habe ich das Gefühl das die sich verheiraten werden. »Dankeschön.« bedankt er sich und wendet sich wieder zu meiner Mutter. »Ich lebe alleine. Ich habe keine Geschwister und meine Eltern leben in Kosovo weswegen ich sie nur sehe wenn ich frei habe.« erzählt er. »Ich glaub, Agim würde dir gern Frei geben damit du mit Enisa fliegen kannst um ihre Schwiegereltern kennenlernen zu können.« sagt meine Mutter. Oh Gott! Zu erst verabscheuen sie unsere wunderschöne Herkunft und Kultur, aber im selben Moment wollen sie das ich dort hin fliege.

»Die Idee ist super, Mutter. Wie wäre es wenn ihr gleich mitkommt?« lächle ich gespielt, da ich weis das sie dieses Thema hassen. Mein Vater räuspert sich. »Guten Appetit.« Einen Blick gibt er mir das ich leise sein soll und mein Essen anfangen soll zu essen. Ein kleiner Selbst Stolz macht sich in mir breit, als ich das erreiche was ich mir vorgenommen habe. Ruhe. Stille. Alles was ich nicht weis ist besser, als mit dem Gefühl zu leben das ich weis was passieren wird. Ich genieße das Unwissen und versuche es aus zu nutzen solange ich noch kann. Denn sobald die Pläne meines Vaters in Realität umgesetzt werden, heißt es das aus Leben Hölle wird.

Nach dem Essen verweilen wir noch am Esstisch und reden ein wenig. Naja. Reden heißt Eduard und mein Vater erzählen sich Dinge über die Arbeit. Ich höre kaum hin. Ich bin in Gedanken versunken. Ich bin ein Tagträumer. Ich bilde mir aus wie es in Zukunft sein wird. Wie sehr mein Leben sich noch verändern wird? Wie geht es ihm? Seit der Begegnung mit den Schwestern denke ich öfter an ihn als ich sollte. Es ist wie ein Teufelskreis. Sobald ich anfange ihn zu verdrängen, muss irgendwas passieren damit ich weiterhin an ihn denken muss. Als würde das Schicksal mir irgendetwas sagen wollen.

PishmonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt