Linus
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich durch die Haustür trat und versuchte meiner Mutter fernzubleiben.
Es war die nächste schlechte Note. Die nächste Arbeit die ich verkackt hatte. Wenn ich so weiter machte endet das Schuljahr für mich schneller als gedacht und dabei hat es gerade erst wieder begonnen.
Mom hatte mir bereits angedroht mich auf eine andere Schule zu schicken, wenn ich weiterhin so schlechte Noten schreibe. Mit Ach und Krach habe ich es überhaupt ins nächste Schuljahr geschafft. Aber wenn das so weiter geht werde ich dieses Jahr nicht ins nächste Schuljahr versetzt und werde nicht den Abschluss schaffen.
Ich weiß noch nicht was ich lieber machen will. Ausbildung oder weiter zur Schule um zu Studieren?
Ach scheiß drauf, ich hab noch fast ein Jahr Zeit um mir das zu überlegen.
"Linus?", rief meine Mutter aus der Küche.
"Fuck...", fluchte ich leise.
Ich folgte ihrer Stimme und setzte mein bekanntes Pokerface auf, als ich die Küche betrat.
"Hey, Mom.", sagte ich gespielt locker.
"Wie war die Schule?"
"Wie immer."
"Arbeit wieder bekommen?"
"Jap."
"Und?"
"Fünf."
Eine Stille entstand, welche nicht dazu beitrug, dass mein Herz anfing langsamer zu schlagen.
"Schon wieder?"
"Es ist erst die zweite.", meinte ich.
"Ihr habt ja auch erst zwei Arbeiten geschrieben."
"Richtig."
"Linus... Wenn das Schuljahr so beginnt dann können wir-"
"Boah Mom hör auf.", unterbrach ich sie. "Jedes Mal die gleiche Leier. Ich hab da kein Bock drauf."
"Du hast auch kein Bock auf lernen."
"Ich lerne doch!"
"Und warum schreibst du dann nur fünfen? Ich frage dich jedes Mal ob du Hilfe brauchst."
Ich verdrehte die Augen und lief einfach aus der Küche. Bis gerade hatte ich noch Hunger, aber das hat sich jetzt auch erledigt. Meine Hände fingen vor Wut an zu zittern, während ich die Treppen zu meinem Zimmer hoch lief.
Mein Rucksack schmiss ich einfach in die Ecke und legte mich dann auf mein Bett.
Ich lerne wirklich. Aber ich hab keine Lust meinen ganzen Nachmittag nur mit dem Lernen zu verbringen. Außerdem kann ich Mom nicht um Hilfe bitten. Ich verstehe es einfach nicht, wenn sie versucht es mir zu erklären. Ich verstehe es bei niemanden. Ich hab versucht Hilfe anzunehmen, von meiner Mom, von Freunden, sogar von den Lehrern. Aber keiner kann es mir so erklären, dass ich es verstehe.
Keiner bis auf meinen Dad...
Ich vermisse ihn...
Er wusste immer alles. Konnte mir leichte Beispiele für ein Thema nennen. Doch seit seinem Tod habe ich niemanden der mir hilft. Niemanden zu dem ich aufschaue, der mich auf den Boden der Tatsachen zurückholt, wenn ich mal wieder zu viel feiern gehe und Mist baue.
Meine Mutter ist da ganz anders. Sie lässt mich einfach machen und das ist auch echt cool. Aber manchmal glaube ich, dass ich jemanden brauche der mir sagt, dass sich das Leben nicht ständig nur ums feiern und Spaß haben dreht.
Doch da es niemanden mehr gibt der mir das sagt, mache ich einfach weiter.
Ein wenig später klopft es an meiner Tür. Die ganze Zeit über habe ich unbewusst an meinem Unterarm gekratzt, sodass dieser rot wurde.
Mein Herz hat sich mittlerweile beruhigt und meine Fünf habe ich verdrängt. Die Arbeit ist mir scheißegal.
Meine Mutter öffnet langsam die Tür.
"Machst du dich fertig? Steve kommt zum Abendessen vorbei. Ich koche uns was."
"Mir auch? Oder soll ich mich fertig machen um zu gehen?"
Meine Mutter schaute mich stirnrunzelnd an. "Dir natürlich auch. Wir essen zu dritt, wie immer."
"Achja? Beim letzten Mal hatte ich das Gefühl, dass ihr nur Augen füreinander hattet."
"Linus, was soll das jetzt? Freu dich doch einfach mal für mich, dass ich jemanden kennengelernt habe."
"Klar, und bald soll ich ihn noch Papi nennen?"
"Linus es reicht! Mach dich fertig und benimm dich endlich."
Sie machte dir Tür hinter mir zu, während ich sie hinter ihrem Rücken nachäffte.
Gott, ich hasse Steve. Er versucht wirklich alles um mir zu zeigen, dass er großartig als mein Vater wäre. Aber das ist er nicht. Er ist ein Arschloch und meint mir Vorschriften machen zu müssen. Aber jedes Mal, wenn er da ist lasse ich ihn spüren, dass er damit bei mir nicht weiterkommt. Er schleimt sich total bei meiner Mutter ein und sie merkt es nicht mal. Ich glaube Dad ist ihr scheißegal geworden. Es dreht sich alles nur um sie und darum eine neue Familie aufzubauen.
Gott, wahrscheinlich wird sie auch noch schwanger von ihm und dann hab ich seine hässliche Brut als Halbbruder oder Halbschwester.
Ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen als ich darüber nachdenke wie sehr ich dieses Bastardkind ärgern könnte nur um Steve wütend zu machen.
Ja, ich habe definitiv eine sadistische Ader an mir. Hab ich das von Dad? Wahrscheinlich nicht. Dad könnte niemals ein Sadist sein. Obwohl er immer sehr schadenfroh war. Genau wie ich.
Ich hörte wie meine Mutter Steve unten begrüßte. Sie unterhielten sich angeregt und während der Duft des Essens nun auch in mein Zimmer vordrang, beschloss ich mich endlich umzuziehen und auch in die Küche zu gehen.
Doch davor antwortete ich Jay noch auf seine Nachricht, dass ich heute Abend bei der Party dabei bin.
"Das sieht köstlich aus.", schwärmte Steve aus der Küche. "Genau wie du."
Ich würgte kurz und musste mich fast auf dem Teppich übergeben, bevor ich die Küchentür aufmachen konnte.
"Hey Linus. Alles klar?", fragte Steve gespielt locker.
Ich nickte nur zur Antwort und setzte mich an den Küchentisch. Weiterhin tippte ich auf meinem Handy und schrieb nun Zarah eine Nachricht.
Als Antwort kam ein Bild zurück, wie sie nur in Unterwäsche bekleidet vor dem Spiegel stand.
Heilige Scheiße, das wird ein guter Abend.
Mom stellte das Essen auf den Tisch, während Steve uns etwas zu trinken holte. Ich tat gar nichts und ließ mich einfach bedienen.
"Die ersten Wochen in der Schule gut überstanden?", fragte Steve.
Ich zuckte nur mit den Schultern und legte mein Handy weg um mich über das Essen hermachen zu können.
"Geht so. Richtig, Linus?", fragte meine Mutter. "Die ersten beiden Arbeiten liefen nicht so gut."
Ich schaute Mom mit einem eindringlichen Blick an, während ich die Kartoffel in meinen Mund schob.
"Das ist halt so in den ersten Wochen. Man muss erstmal aus dem Ferienmodus wieder rauskommen. Ist bei Marlon und Luise nicht anders."
Marlon und Luise. Seine beiden fucking Kinder. Einmal hatte Steve Mom und mich zum Essen eingeladen damit wir die beiden kennenlernen. Aber ich habe einen Grippe vorgetäuscht um nicht hinzugehen und bin stattdessen zu Jay gegangen um mit ihm abzuhängen.
Was zum Teufel interessieren mich seine Kinder? Ich will mit denen genauso wenig zutun haben wie mit Steve.
"Ich hoffe, dass der Ferienmodus bald raus ist und der Schulmodus wieder angeht."
Ich schaute meine Mutter mit gerunzelter Stirn an. Das glaubt sie ja wohl selbst nicht oder? Ich hab keinen Bock mir Stress zu machen wegen der Schule. Und obwohl ich jedes Mal Schiss habe meiner Mutter die Noten mitzuteilen, tat ich äußerlich so als wäre es mir egal. Einfach nur damit meine Mutter verstand, dass es mir scheißegal ist wie oft ich Hausarrest oder andere Strafen deswegen bekam. Und wie scheißegal mir ihre Drohungen sind mich von der Schule zu nehmen.
"Was hast du denn für eine Arbeit geschrieben?", fragte Steve mich.
"Mathe.", antwortete ich mit vollem Mund.
"Mathe ist aber auch ein doofes Fach."
Ich kämpfte gegen den Drang an die Augen zu verdrehen. Jetzt wollte er sich auch noch bei mir einschleimen.
"Was hast du denn für eine Note geschrieben?", fragte er weiter.
Gott, der Alte ging mir so auf den Sack mit seinen Fragen.
"Was geht dich das an?", gab ich zurück.
"Linus.", warnte meine Mutter mich.
"Ich wollte nur höflich fragen."
"Und ich weise dich höflich daraufhin, dass es dich einen Scheißdreck angeht."
"Linus!"
"Was?"
"Benimm dich!"
"Tue ich. Aber er braucht kein falsches Interesse vorgaukeln nur um dich zu beeindrucken."
"Sag mal, geht's noch?"
"Schon okay.", sagte Steve.
"Nein, das ist nicht okay.", meinte meine Mutter.
Und ich stand einfach auf um aus der Küche zu gehen. Ich war sowieso satt.
"Wo willst du hin?", rief meine Mutter mir hinterher.
"Zu Jay."
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Trust me
RomanceAls Linus mit seiner Mutter zu ihrem neuen Liebhaber und seinen zwei Kindern zieht, fällt eine Welt für ihn zusammen. Er kämpft mit mentalen Problem, die er nach außen hin nicht zeigt. Langsam verliert er sich selbst immer mehr. Und dann ist da noch...