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Linus

"Nein, ich verstehs nicht.", sagte ich frustriert und schmiss das Buch beiseite.
Marlon seufzte. "Ist doch nicht schlimm. Wir haben gerade erst angefangen zu Lernen."
"Ich werde das nicht verstehen. Ist mir egal."
"Nein, ist es dir nicht."
Er griff über mich hinweg und schlug das Buch wieder auf. "Was daran verstehst du nicht?"
"Alles!"
"Was ist alles?"
"Alles, halt!"
Marlon legte das Buch wieder vor mir hin und erklärte es mir erneut. Wir saßen auf meinem Bett, ich im Schneidersitz und er neben mir. Doch ich konnte ihm gerade nicht zuhören. Meine Ohren rauschen und die Panik überkam mich. Mein Arm fing an zu jucken, weswegen ich kratzte. Wie kann es sein, dass ich das nicht verstehe? Warum fällt mir das so schwer? Ich will nicht von der Schule fliegen. Ich will endlich bessere Noten haben, aber es klappt nicht. Ich verstehe die Themen, aber wenn ich vor der Arbeit sitze, ist alles weg.
Wieso ist das so? 
"Okay, Linus.", sagte Marlon. "Hör auf."
Er griff nach meinem Arm und zwang mich mit dem Kratzen aufzuhören.
"Ich weiß nicht, wieso ich das nicht verstehe."
"Du hast da jetzt keine Konzentration für. Wir machen wann anders weiter."
"Nein! Die Arbeit ist bald..."
"Die Arbeit ist in 2 Wochen."
"Aber ich verstehe das nicht!"
"Doch, tust du. Aber du hast da jetzt keine Konzentration für. Zieh dir deine Sportsachen an."
"Warum?"
"Wir gehen boxen. Das wird dir helfen."
Gesagt, getan. Ich zog mich um. Marlon auch und dann liefen wir los. Ich hatte immer noch einen Kloß durch die Panik im Hals stecken. Doch als wir in der Halle ankamen und Marlon mich zum Boxsack führte, löste dieser Kloß sich. Es löste sich alles in mir, bis mir die Fäuste weh taten.
Ich zwang mich zu einer Pause, damit ich mir die Fäuste nicht blutig schlug und schaute dann zu Marlon.
Heilige Scheiße...
Ich gestand mir ja ein, dass er wirklich gut aussah. Aber wenn er da so konzentriert boxte, sah er noch viel heißer aus.
Er musste meinen Blick bemerken, denn er hielt in seinen Bewegungen inne und schaute mich grinsend an.
"Geht's dir besser?"
Ich nickte nur und beobachtete ihn, wie er auf mich zukam. Seine Haare klebten an seiner Stirn, was ihn unwiderstehlich aussehen ließ.
Ich hatte ihm noch nicht erzählt, dass ich morgen zu dem Kampf kam und ich wollte es auch erstmal für mich behalten, als Überraschung. 
Marlon hatte davon jedoch auch noch nichts erzählt. Vielleicht war auch nicht er derjenige der morgen kämpfte, sondern zwei andere Leute? Das würde alles um einiges umspannender machen.
"Was fühlst du, wenn du lernst?", fragte er.
"Wie meinst du das?"
"Ich weiß, dass du das Thema verstehst. Aber du kannst dich plötzlich nicht mehr konzentrieren. Warum ist das so?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Ich habe Angst... Seit Dad nicht mehr da ist, sind meine Noten schlechter geworden. In der Arbeit sitze ich da und habe keine Ahnung was ich machen muss. Es ist dann einfach alles weg."
Marlon nickte wissend. "Merkst du es, wenn du dich kratzt?"
"Ja... Mein Arm juckt."
"Nein.", sagte er, als ob er es besser wissen würde. "Das ist deine Panik. Es ist eine Angewohnheit."
Ich schaute auf meinen Unterarm und sah die frischen Kratzspuren. "Ich kann nicht aufhören..."
Ich sah wie sich Marlons Hände um meine Unterarme schlossen. Er sah mir direkt in die Augen. "Ich helfe dir. Wann kneifst du dich?"
Ich zuckte erneut mit den Schultern. "Jedes Mal, wenn ich an Dad denke..."
"Okay. Es sind nur Angewohnheiten Linus. Die kriegen wir weg. Versprochen."
"Danke."
"Hey, du hast dich übrigens die ganze Woche wieder benommen."
Ich grinste ihn an. "Kriege ich dafür eine Belohnung?"
Sein Gesicht kam mir näher und er gab mir einen kurzen Kuss. "Bitte sehr."
"Wow...", sagte ich ironisch und löste mich aus seinem Griff. Ich lief die Halle weiter hoch und schaute mich etwas um.
"Wo finden die Kämpfe statt?"
"In der anderen Halle."
"Wissen die Hafenmitarbeiter davon?"
Marlon zuckte mit den Schultern. "Ich bin nur zum Kämpfen hier. Alles andere interessiert mich nicht."

(...)

Jay war bereits zu mir gekommen um eine zu Rauchen. Andy und Paul wollten uns dann abholen. Ich tat natürlich erstmal so als würde ich nichts von den Kämpfen wissen. Nachdem wir beide geraucht haben, gingen wir in die Küche und platzten in ein Gespräch von Luise und ihre Freundin.
"Er ist ein Arschloch.", sagte ihre Freundin.
"Selber Arschloch.", meinte Jay.
Luise stöhnte genervt. "Nicht ihr."
"Wer denn?", fragte Jay.
"Niemand."
"Nelio?", riet ich mit einem Grinsend.
Luise nickte.
"Welcher Nelio?", fragte Jay. "Mayas Bruder?"
"Genau der. Was hat er getan? Hat er dir das Herz gebrochen?"
"Ist doch egal!"
Ich nahm Luise das Handy aus der Hand und entfernte mich von ihr um den Chat vorzulesen.
"Ich wäre niemals mit dir ins Bett gegangen. Ich wollte nur die gute Note in Mathe und die hab ich jetzt. Aber danke für die... Unterwäschebilder!"
Ich musste mich unterbrechen, weil ich lachen musste. Jay stimmte mit ein.
"Aber danke für die Unterwäschebilder.", nahm ich den Chat wieder auf. "Die kann ich bestimmt verwenden, falls ich nochmal was von dir brauche."
Ich schmiss das Handy auf den Tisch und lachte weiter.
Jay stützte sich bereits am Küchentresen ab, seine andere Hand lag auf seinem Knie, während er vor Lachen weinte.
"Er ist Mayas Bruder. Durch und durch.", lachte ich weiter.
"So ein Ehrenmann.", lachte Jay.
Marlon betrat die Küche und erst jetzt sah ich, dass Luise weinte. 
"Was ist los?", fragte er Luise.
"Linus ist ein Arschloch."
"Ich hab nur..."
Ich musste wieder lachen und konnte nicht weitersprechen.
Luise erzählte es ihm und langsam kriegten Jay und ich uns wieder ein. 
Jay hielt sich immer noch den Bauch und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
"Findest du lustig, ja?", fragte Marlon und mein Lächeln verschwand sofort.
Er schaute mich mit einem undefinierbaren Blick an. "Ich geh los."
Das war das letzte was er sagte, bevor er verschwand.
Ich glaube ich bin gefickt. 
Wortwörtlich.

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