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Aus der erholsamen Dusche trat ich heraus und griff zum Föhn. Vom gestrigen Abend, und generell von dem gesamten Tag, hatte ich mich erholt, indem ich den ganzen Tag im Bett verbracht und mir Filme angesehen hatte, die mich ablenken konnten. Ich hatte mich damit abgefunden, meinen heutigen Abend mit dem Verhassten zu verbringen. Danach würde ich ihn ganz sicher nie wiedersehen müssen. Einmal durchhalten, und dann wäre ich ihn endgültig los.

Für immer.

"Ich bin eine starke Frau", redete ich mir ein, während ich mein langes schwarzes Haar kämmte. Ich puderte mein Gesicht, trug einen matten Lippenstift auf, bog meine Wimpern und setzte die Maske auf. Dann schlüpfte ich in ein schwarzes, kurzes Kleid und hohe Absätze. Nervös betrachtete ich mich im Spiegel und spielte nervös mit meinen Fingern. "Er wird mich nicht wiedererkennen", wisperte ich und verschränkte die Finger ineinander, den Blick zur Decke gerichtet. "Er wird es nicht", hauchte ich, richtete ein letztes Mal meine Maske und warf mir die Tasche über die Schulter.

In voller Hoffnung, dass Gott mich gehört hatte, ging ich in das Treffen, doch es wurde schnell klar, dass er mir keine Antwort gewähren würde – denn diese Nacht würde gnadenlos sein. Seine Augen funkelten vor Gier, und er musterte verlangend meinen Körper. Immer wieder sah er mir skeptisch in die Augen und legte den Kopf schief. Und immer wieder betete ich, dass er mich nicht erkennen würde. Zusammen saßen wir an der Bar und nippten an teurem Whisky. Die Rechnung würde freundlicherweise auf sein Konto gehen. Sein misstrauischer Blick verriet mir, dass er vermutlich etwas wusste, was ich nicht wusste. "Gibt es einen Grund, warum Sie Ihr Gesicht verdecken?" fragte er verdächtig und beugte sich skeptisch näher zu mir. Mein Rücken versteifte sich, und mein Atem wurde flach. Seinen heißen Atem so nah zu spüren, war seltsam und unangenehm, doch ich musste es für die nächsten Stunden ertragen. "Ich zeige nicht gern mein Gesicht. Außerdem gehört es zu meinen Spielchen, um geheimnisvoller zu wirken und den Männern ein kleines Vergnügen zu bereiten", log ich. In Wahrheit trug ich die Maske, um nicht erkannt zu werden. Wenn mich jemand erkennen würde, hätte ich direkt die Todesstrafe verdient, so viele Menschen hatte ich auf die eine oder andere Weise ins Jenseits befördert. Natürlich nicht aus purer Langeweile, das wusste jeder. Jeder Tod hatte seinen Grund. Niemand kannte mein Gesicht, und wenn sie die Maske sahen, waren sie der Hölle schon ganz nah. "Mhm", brummte er, während ein Lächeln seine Narben nach oben zog. Sanzu roch nach Leder und Rauch, permanent durchdrungen von einem maskulinen Parfüm. Und ich konnte nicht anders, als mir vorzustellen, wie es wäre, meine Nase näher an seinen Hals zu führen, um mehr von diesem Duft einzuatmen. "Wie lange sind Sie schon in dieser Branche?" fragte er, eine Augenbraue hochziehend, während er lässig sein Kristallglas hielt und mich von oben herab betrachtete. Sanzu war so viel gewachsen. Ich erkannte ihn kaum wieder. Früher hatte er wie ein kleiner Junge ausgesehen, und jetzt saß vor mir ein Mafiosi, dessen bloße Erscheinung dominierte. Es ärgerte mich, dass ich mich immer noch zu ihm hingezogen fühlte. "Nicht lange. Ich bin noch ziemlich neu hier", log ich verlegen und kratzte mir am Hinterkopf, um schüchterner zu wirken, obwohl es mich innerlich anwiderte. Ich war keine Prostituierte und hatte niemals vor, meinen Körper für alte Männer zu verkaufen. Doch ein Teil meiner Aufträge hatte mit Verführung zu tun, und es war der einfachste Weg, um an Informationen zu gelangen.

Je länger ich auf dem Barhocker saß, desto nervöser wurde ich. Die Zeit drückte, und ich sehnte mich nach meinem Bett. Er hingegen nippte entspannt an seinem Getränk, während er mich über den Rand seines Glases beobachtete. Seine blau-grauen Augen durchbohrten mich, als würde er jede Faser meines Wesens durchschauen. Meine Hände schwitzten, und mein Körper versteifte sich immer mehr. Ich wollte aufstehen, ihm den Rücken zuwenden und einfach zur Tür hinausgehen. Doch ich musste das durchziehen, sonst würde ich eine gewaltige Lektion von Rodriguez bekommen. Also biss ich die Zähne zusammen, nahm all meinen Mut zusammen und griff nach seinem Handgelenk. Verdammt, warum kribbelten meine Finger? Unruhig rutschte ich vom Barhocker und zog ihn mit mir. Schnell stellte er sein Glas ab und folgte mir. Meine schwarzen Absätze klackerten auf dem dunklen Marmorboden, während mein Kleid bei jedem Schritt ein Stück höher rutschte. Die ganze Zeit ruhten seine Augen auf meinem Rücken, und ich spürte ein Prickeln auf meiner Haut. Er umklammerte meine Hand, und ich wünschte mir nichts mehr, als ihm in seine Juwelen zu treten. Unauffällig neigte ich den Kopf zur Seite, um über meine Schulter zu schauen. Doch meine Augen trafen seine, und er zwinkerte mir zu, freundlich und dennoch durchtrieben. Eilig wandte ich den Blick wieder nach vorn und griff nach dem Türknauf. Ich drehte ihn um und schob die Tür auf. Der Raum war spärlich eingerichtet, mit einem Sofa und einem Bett. Die Wände waren schwarz, bedeckt mit Schalldämmplatten. Das Licht war gedimmt, nur schwach erhellten LED-Lichter die blaue Atmosphäre des Raumes. Ich führte ihn zum Sofa, drehte ihn herum und drückte ihn mit beiden Händen darauf. Überrascht weiteten sich seine Augen, doch dann breitete sich ein breites Grinsen über sein Gesicht...

Two broken Souls/ Sanzu HaruchiyoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt