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Ungemütlich schmiegte ich mich gegen den kalten Boden und versuchte, etwas Schlaf zu finden. Doch plötzlich hörte ich, wie sich die schwere Tür leise öffnete. Sofort hob ich meinen Oberkörper und neigte den Kopf leicht zur Seite, um zu erkennen, wer da hereinkam. Ran schlich vorsichtig hinein, warf einen schnellen Blick über die Schulter und steckte dann den Kopf wieder aus der Tür, um sicherzugehen, dass niemand ihm folgte.

„Ran?" flüsterte ich überrascht und setzte mich auf. Er schloss die Tür hinter sich, ließ sie jedoch einen Spalt offen, als er sich eilig zu mir herunterkniete. Seine Hände griffen nach meinen, und seine Augen sahen mich hoffnungsvoll an. Verwirrt starrte ich ihn an, eine Falte bildete sich zwischen meinen Augenbrauen. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch schloss ihn wieder, bevor ein Wort über meine Lippen kam.

„Wir sind in etwa zehn Minuten weg. Warte zwanzig Minuten und dann folge dem Gang", erklärte er hastig und bohrte seinen Blick in meine Augen, als wolle er sicherstellen, dass ich ihn verstand. „Gehe die Treppen hoch und öffne einfach die Tür. Ich lasse alles für dich offen. Hast du das verstanden?" drängte er, und ich nickte nur, noch immer perplex, aber ich prägte mir jedes seiner Worte ein.

„Wenn du den Keller verlassen hast, wirst du dich in einem langen Flur befinden", fuhr er fort. „Dann gehst du nach links, da triffst du auf das Wohnzimmer. Geh geradewegs durch und hinaus aus dem Gebäude." Er drückte meine Hand fest, stand auf und verschwand genauso leise, wie er gekommen war. Die Tür ließ er nur angelehnt. Sofort begann ich, die Minuten in meinem Kopf zu zählen.

◇◇

Nervös knetete ich meine Finger, während ich die letzten Sekunden abwartete. Endlich fasste ich mir ein Herz, stand auf, doch meine Beine zitterten, da ich lange nicht mehr richtig gegangen war. Zögerlich legte ich die Hand auf den Türknauf und öffnete die schwere Tür leise. Vorsichtig lehnte ich sie wieder an und warf einen Blick nach links, wie Ran es mir erklärt hatte. Der Korridor war leicht beleuchtet, die Atmosphäre erinnerte an einen Kerker, mit dicken Steinwänden und vielen verschlossenen Türen.

Ich folgte dem Gang, immer auf der Hut, bis ich vor einer Treppe stand, die weit nach oben führte. Schnaubend hielt ich in der Mitte an, das Stechen in meiner Seite ließ mich schwerfällig atmen. Ich legte eine Hand auf meine Taille und zog das Gesicht vor Schmerz zusammen. Trotz allem drängte ich mich weiter die Treppen hinauf, bis ich durch einen schmalen Spalt der Tür einen Schimmer von Licht erkennen konnte. Behutsam öffnete ich die Tür und schloss sie ebenso leise wieder hinter mir.

Vor mir lag ein langer Flur, der mit roten Wänden und einem glänzenden schwarzen Marmorboden erdrückend prachtvoll wirkte. An den Seiten reihten sich Türen, vermutlich zu Zimmern oder Büros. Auf Zehenspitzen eilte ich durch den Korridor, während die schwarzen Lampen die Wände in einem schwachen, gelblichen Licht erhellten. Endlich erreichte ich das Wohnzimmer, und bevor ich weiterging, drückte ich mich an die Wand und spähte vorsichtig um die Ecke. Es schien leer zu sein.

Ein Funken Hoffnung flammte in mir auf, als mein Blick auf die große Tür fiel, die hinausführte. Endlich würde ich wieder frische Luft atmen, die Sonne auf meiner Haut spüren. Doch in meiner Eile stieß ich gegen eine Kommode, und das laute Geräusch ließ mich schlagartig erstarren. Mein Rücken krümmte sich, die Schultern spannten sich an, als ich mich umsah, um sicherzustellen, dass niemand mich gehört hatte.

Neugierig öffnete ich eine der Schubladen und nickte beeindruckt. Darin lagen mehrere Pistolen, und ein Gedanke durchzuckte mich. Es wäre nicht schlecht, eine mitzunehmen, für den Fall, dass mir jemand den Weg versperrte. Mit zittrigen Fingern griff ich nach einer der Waffen, öffnete das Magazin - sie war geladen. Vorsichtig schob ich die Pistole in den Bund meiner Anzugshose und wandte mich wieder der Tür zu.

Der Moment, in dem ich hinaustrat, fühlte sich wie ein Traum an. Kühle Windstöße, warme Sonnenstrahlen und das sanfte Zwitschern der Vögel berührten meine Haut und ließen eine Gänsehaut zurück. Zufrieden sprintete ich die Stufen hinunter, durchquerte den Garten und lief in Richtung des Tores, das ebenfalls nur leicht angelehnt war. Ich hoffte insgeheim, Ran eines Tages wiederzusehen, um ihm danken zu können.

Ein letztes Mal warf ich einen Blick über meine Schulter, um mir das Gebäude und die Straße genau einzuprägen. Zügig setzte ich meinen Weg durch die Straßen fort, versuchte, mich an den Schildern zu orientieren. Einige Passanten warfen mir seltsame Blicke zu, doch ich ließ mich nicht davon beirren. Sie hatten keine Ahnung, was mir in den letzten vier Wochen angetan worden war. Vieles davon war wie ausgelöscht, als wären es Filmrisse in meinem Gedächtnis. Nur die letzten vier Tage waren in grausamer Klarheit in meinem Kopf geblieben.

Mein Herz machte einen Sprung, als ich eine Mall entdeckte, in der ich früher oft einkaufen gegangen war.

Sanzu wird dafür büßen. Ich werde ihm das Leben zur Hölle machen, und er wird derjenige sein, der vor mir knien und wie eine zerbrochene, dreckige Seele am Boden liegen wird. Ich werde ihn genauso ansehen, wie er mich in diesen letzten Tagen angesehen hatte. Ich werde mich rächen, das schwöre ich. Und dafür lege ich meine Hand ins Feuer.

Two broken Souls/ Sanzu HaruchiyoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt