~27~

69 7 2
                                    

Bedrückt fuhr ich das Auto. Ich war kurz davor, wortwörtlich zu explodieren. Sanzu ließ mich einfach nicht in Ruhe. Bonten, das waren alles neue Gesichter für mich, und es war ungewohnt, mit so vielen Menschen zusammenzuarbeiten, nachdem ich drei Jahre lang alles alleine erledigt hatte. Rodrigez, tot, weil die Kushinagi-Gang seine Villa mitsamt ihm verbrannt hatte. In all diesen verdammten Monaten hatten wir nichts Neues über sie herausgefunden. Alles, was wir hatten, waren die Informationen, die uns Rodrigez hinterlassen hatte, aber nichts Aktuelles. So viel Last auf meinen Schultern. So viel Leid und Schmerz. Ich wusste nicht mehr, was falsch oder richtig war. Alles ging zu schnell, und im Moment war es einfach zu viel für mich. Ich kam mit all dem nicht mehr klar, und langsam setzte auch mein Verstand aus. Unruhig schüttelte ich den Kopf und versuchte, mich auf meinen Auftrag zu konzentrieren, um Manjiro zu beeindrucken. Ich würde es schaffen. Ich war eine gemachte Killerin. Ich brauchte keine Hilfe. Ich konnte alles alleine bewältigen. Fokussiert achtete ich auf die Straße und suchte nach einer passenden Parklücke. Schnell parkte ich das Auto rückwärts ein, um später zügig entkommen zu können. Ich musste ihn nur mit meinen Lügen verführen und ihm eine Kugel zwischen die Augen jagen. Rapide richtete ich meine schwarze Bluse, die eng an meinem Körper saß. Meine schwarze Schlaghose schmiegte sich perfekt an meine Beine. Die Glock 44er und das Messer steckten sicher in ihren Scheiden an meinen Fußknöcheln. Ich betrat das kleine Café und wunderte mich darüber, dass keine Gäste da waren. Plötzlich tauchte ein Kellner neben mir auf, der mich leicht zusammenzucken ließ. "Entschuldigen Sie, dass ich Sie erschreckt habe," sagte er freundlich, und ich winkte nur ab. "Folgen Sie mir, Miss Kaito." Der Kellner führte mich zu einem runden Tisch. Ruhig setzte ich mich hin und stellte meine Handtasche neben mich ab. Woher kannte er meinen Nachnamen? Gehörte das Café dem Geschäftsmann? Verdammt, das würde es mir nicht leichter machen, ihn zu töten. In meinen Gedanken versunken, vergaß ich fast, dass ich hier war, um einen Auftrag zu erfüllen. "Miss Kaito, warum sind Sie so nachdenklich?" Eine raue, charmante Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich hob den Kopf und erblickte den Mann vor mir. Sein schwarzes Haar war ordentlich gestylt, und seine giftig grünen Augen funkelten gefährlich. Automatisch lächelte ich schüchtern und blickte verlegen zur Seite. Seine scharfen Gesichtszüge waren glatt und wirklich bezaubernd. Seine Haut war kaum von Narben gezeichnet, als würde er die Drecksarbeit nicht selbst erledigen, sondern sie seinen Handlangern überlassen. "Ich denke nur darüber nach, ob meine gezähmten Hunde sich gut benehmen, Shiro," zwinkerte ich ihm zu, da ich wusste, dass er Tiere zum Drogentransport benutzte. Er lachte tief und rau, sodass meine Schultern sich bis zu meinen Ohren zogen. Er sah so jung aus, aber seine Stimme schien nicht zu ihm zu passen. Sein schwarzes Hemd hing locker an seinem Oberkörper, die Ärmel waren hochgekrempelt, und seine Adern zogen sich über seine muskulösen Arme. Es sollte verboten sein, so gut auszusehen. "Ich hatte noch nie eine so verträumte Geschäftsfrau," lachte er belustigt und stützte sein Kinn auf seiner Handfläche ab. Seine Augen schienen mich zu verschlingen, und ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf. "Ach, wissen Sie, Shiro, das alles ist noch neu für mich," log ich und wandte dieselbe Lüge an, die ich schon bei Sanzu benutzt hatte. Er sah mich ernst an, durchbohrte mich förmlich mit seinem Blick. Ich verspannte mich, als sich seine Mimik schlagartig änderte. Ich legte meine Maske ab und sah ihn herausfordernd an. Hier stimmte etwas nicht. Irgendetwas war faul. "Das würde ich dir gerne glauben, Avara," zwitscherte er spielerisch und grinste breit. Plötzlich tauchte Kev aus einer Ecke auf. Meine Augen weiteten sich vor Schreck, und ich sprang abrupt auf. Es war der Sicherheitsmann, mit dem ich im Club geflirtet hatte. "Verräter," zischte ich wütend und starrte in sein grinsendes Gesicht. Etwas stimmte hier überhaupt nicht. Wer waren sie? Wer war Shiro? Wer war Kev? "Wer seid ihr?" keifte ich verwirrt und griff nach meiner Handtasche. "Du hättest dich besser informieren sollen, Avara," flüsterte Shiro und sah gelangweilt zu mir auf, während er desinteressiert mit seinem Strohhalm spielte. Kev stellte sich neben mich und blockierte den Ausgang. "Du bist..." setzte ich an, doch Shiro schnitt mir das Wort ab. "Setz dich," fauchte er leicht genervt und deutete auf den Stuhl. Um keine weiteren Probleme zu verursachen, gehorchte ich ihm und ließ mich wieder auf den Stuhl fallen. Wir waren in eine Falle getappt. Manjiro war in eine Falle getappt. Sie gaben sich als eine andere Gang aus, aber in Wahrheit waren sie die Kushinagi-Gang. "Du hast Rodrigez umgebracht!" raunte ich zornig, die Wut brodelte in mir. Er verzog den Mund zu einem Schmollmund und warf den Strohhalm zur Seite. Seine Hände stemmten sich auf den Tisch, und er stand auf. "Dann hätte dein geliebter Rodrigez nicht die falschen Ohren wärmen sollen," sagte Shiro und schnalzte  genervt mit der Zunge. "Und was wollt ihr von mir?" fragte ich, während ich meinen Fuß hob, um nach dem Messer zu greifen. "Nun, Rodrigez hat oft von einer Angestellten gesprochen, und aus Neugier habe ich nach ihr gesucht. Boom, da traf ich auf den Schwarzen Engel," sagte er freudig und musterte mich von Kopf bis Fuß. "Du bist genau die Art Frau, auf die ich stehe, und das habe ich ihm auch gesagt. Aber er wollte dich mir nicht vorstellen. Als er zurückkam, habe ich ihm gedroht: Wenn er dir mich nicht vorstellt, verbrennen wir euch beide." Er erzählte die Geschichte mit bitterer Miene, setzte sich jedoch wieder hin. "An dem Tag warst du jedoch nicht in der Villa. Bonten hat dich entführt. Ein schlauer Schachzug von Rodrigez, aber ich sehe und höre alles," raunte er tief, während er um den Tisch herumging. Schnell zog ich das Messer aus meiner Hose und rammte es in Kevs Oberschenkel. Er brüllte laut auf, doch im nächsten Moment flog mein Kopf zur Seite. Schmerzhaft schlug ich auf dem Boden auf und spuckte Blut aus. Meine Wange brannte, doch ich versuchte, mich wieder aufzurichten. Doch es war zu spät. Shiro packte meine Beine und schleifte mich über den Boden. "Lass mich los, du widerlicher Bastard!" schrie ich und hustete wie eine Verrückte. Zum ersten Mal wünschte ich mir, bei Sanzu zu sein. Hätte ich sein Angebot angenommen, wäre mir das nie passiert...

Two broken Souls/ Sanzu HaruchiyoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt