Kapitel 5

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Hawk

Ein Teller. Ein Becher mit stark gegorenem Wein. Ein Satz Besteck. Eine Portion Fleisch, Kartoffeln und gegartes Gemüse.
Ich saß an meinem Tisch und drehte das Messer, dessen Spitze im Holz steckte mit einem Finger am Knauf im Kreis.

Die Prinzessin und Thronerbin Englands. Auf meinem Schiff. Als meine Gefangene.

Ich grinste.

Das bot mir unendlich viele Möglichkeiten. Von Erpressung hin zu einem Köder, weiter zu ihrem Verkauf oder ihrem tot, waren da diverse Wege, wie ich mit dem Mädchen verfahren könnte. Aber zuerst würde ich mir ein Bild von ihr machen, denn nachdem ich sie, als meine Gefangene, markiert hatte, war das schwächliche Ding einfach umgekippt.

Sicher, Dehydration, Hunger und die daraus folgende Schwäche, wie die Sonneneinstrahlung, der sie auf See ausgeliefert gewesen war, hatten gute Vorarbeit geleistet, aber dennoch. Ich hasste Schwächlinge. Und ich hatte prinzipiell kaum bis keinen Respekt vor Frauen.

Verlogene, verteufelte Wesen, denen man nicht trauen konnte. Das waren sie. Angefangen bei meiner Mutter, bis hin zu den Frauen, die schon in meinem Bett lagen.

Es gab nur zwei Frauen, denen ich vertraute. Moha und Marina. Letztere war die Frau, die wohl mehr meine Mutter war, als meine Mutter selbst.

Ich biss die Zähne zusammen und rieb mir, eine Hand noch am Messer, über das Gesicht.

Als die Tür aufging, sah ich nicht hin, sondern ließ meinen Blick in das Weinglas fallen.

Schwere Schritte von Stiefeln und leise von einer Person ohne Schuhe kamen näher.

»Du schuldest mir Silber, Hawk.«

Ich schnaubte und sah zu Moha, ohne den Kopf zu drehen. »Ist das so?«

Sie grinste breit und hob mir die Hand hin, während sie schlicht sagte: »18 Sommer.«

Seufzend wedelte ich mit der Hand und scheuchte sie damit raus. »Nimm es dir aus der Truhe.« Als sie lachend ging, trank ich einen Schluck Wein und deutete auf einen Platz am Tisch. Einem Platz, an dem kein Essen stand. »Setzt dich, Scarlett Tudor.«

Auf leisen Sohlen gehorchte sie und setzte sich. Kein Wort verließ ihre Lippen, aber sie sah mich direkt an. So wie auch ich sie betrachtete.

Das Gesicht noch immer gerötet von der Sonne, die Lippen noch aufgesprungen, aber deutlich besser als noch zuvor. Das rote Haar zerzaust und die Kleider viel zu groß für diesen zierlichen Körper, saß sie da und sah mir entgegen. Die Angst war bemerkenswert in ihrem Blick zu erkennen. Trotzdem versuchte, sie sich gerade zu halten.

Mein Mundwinkel zuckte. Mal sehen, wann sie nachgab.

Ich zog das Messer aus dem Holz und nahm mit der anderen Hand die Gabel. Dann aß ich still. Ich schnitt in aller Ruhe mein Fleisch, pikte ein Stück auf, lud mir noch Gemüse auf und führte es zu meinen Lippen. Langsam kauend, stöhnte ich leise vor Genuss, einfach um sie zu kränken.

Die Prinzessin musste halb verhungert sein und den Spaß – der zudem eine deutliche Demonstration meiner Macht war – ließ ich mir deshalb nicht nehmen.

Langsam wanderten ihre Augen auf den Teller und sie begann, das Essen anzustarren. Sicherlich unbewusst, leckte die Kleine über ihre Lippen und schluckte schwer. Dann, als hätte sie das Starren selbst bemerkt, sah sie zur Seite und sagte: »Ganz schön ungehobelt vor jemanden zu essen, der Tage lang hungern musste. Aber ich habe auch nichts anderes von einem Piraten erwartet.«

Ich sah auf, kaute langsamer und ... ignorierte sie dann weiter. Ich aß, trank und genoss meine Mahlzeit in vollen Zügen. Als mein viel zu voll beladenes Porzellan halb leer war, wischte ich mir mit einem Tuch den Mund ab, stand auf, nahm meinen Teller, wie den Becher mit Wein, den ich neu auffüllte, und lief langsam auf die Prinzessin zu. Aber statt bei ihr stehen zu bleiben und es ihr anzubieten, sah ich sie einen langen Moment an, lief dann weiter und kippte das Essen aus dem Fenster direkt in Meer.

Red Prinzess, deliver me  {OC x OC}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt