Kapitel 15

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Hawk

Sie kam nicht.

Diese Hexe wagte es tatsächlich, mich zu versetzen. Ich stampfte wütend über das Deck, vorbei an den Männern, die mir nachsahen und im Schein der Öllampen würfelten.

Moha, die in einer Hängematte schaukelte, sah mich fragend an, doch mein Ausdruck, meine ganze Haltung, war eine einzige Warnung. Also blieb sie, wo sie war, auch wenn sie die Brauen besorgt hob, sagte sie schlauerweise nichts.

An der Zelle von Scarlett angekommen, trat ich gegen das Gitter. Das hieß, ich wollte es, doch ich bremste den Schwung ab, sodass meine Stiefelsohle nur leicht an das Gitter dotzte.

Ich betrachtete die Kleine. So zierlich. So klein. So gänzlich ungeschützt. Mein Blick huschte zu der Zellentür, die nicht abgeschlossen war.

So naiv, fügte ich in Gedanken hinzu.

Meine Männer wussten zwar, dass ich sie mir jede Nacht nahm, doch da ich nie einen Anspruch auf sie erhoben hatte, außer den, als meine Gefangene, wäre es gut möglich und nicht gegen meine Befehle, wenn sie sie ebenfalls benutzen würden. Sicher, Moha tat vieles, um das zu verhindern, doch wenn sie wirklich wollten ...

Ich spannte mich an und lief leise weg. Mit einer Decke, einem frischen Krug Wasser und einem Kissen kam ich zurück. Die Decke legte ich über sie, das Kissen unter ihren Kopf und den Krug stellte ich neben ihr ab. Ich ging raus, schob meine Hand zwischen den Stäben durch, schloss ab und warf den Schlüssel dann auf ihre Decke.

Wieder sah ich sie an. Diese roten Haare waren aber auch verdammt schön.

Über mich selbst schnaubend, wandte ich mich ab und ging zurück. Ich setzte mich zu den Männern, würfelte mit ihnen, lachte und trank. Als der Mond dann weiter zog und diejenigen, die Schlafen konnten, es taten, zog ich mir meinen Mantel an und schwang mich in meine Hängematte auf dem Hauptdeck und sah in den Nachthimmel. Keine Wolke war zu sehen, nur Abermillionen Punkte am Himmel.

Ich schloss die Augen und als ich sie wieder öffnete, runzelte ich die Stirn. War der Mond nicht eben noch weiter im Osten gewesen? Nein. Unmöglich. Ich gähnte ausgiebig und ließ ein Bein aus der Matte hängen.

»Unmöglich.«

»Du hast geschlafen«, sagte plötzlich Scarlett leise und trat in mein Sichtfeld. Die Decke, die ich ihr gegeben hatte, lag über ihren schmalen Schultern. Sie presste die Lippen zusammen, bevor ich weitersprach: »Bitte entschuldige, ich bin eingeschlafen. Wirst du mich jetzt dafür bestrafen?«

Ich sah sie kurz an und zog dann meine Kauze tiefer in mein Gesicht. »Ich kann nicht schlafen. Nie. Nicht einer verdammte Sekunde«, stellte ich klar und ließ ihre Frage unbeantwortet. Sollte sie doch denken, ich täte es und eine Weile in Furcht leben, ich würde über sie kommen und züchtigen, wie ein Orkan die See. »Du solltest schlafen.«

»Wirklich? Dann hast du mich also vorhin mit Absicht ignoriert, als ich angerannt kam und fast geweint hätte, weil ich Angst vor deiner Reaktion hatte«, meinte sie nachdenklich.

Ich runzelte die Stirn. »Was?«

Selbst wenn ich geschlafen hätte, hätte ich das sicher gehört.

Sie sah mich an. »Ja, du hast nicht reagiert und geschlafen, als hättest du Jahrzehnte nicht geschlafen. Du hast sogar etwas geschnarcht, das war schon niedlich«, erzählte sie und musste lächeln. Die Kleine beugte sich zu mir runter und sah mich intensiv an. »Bist du sicher, dass du verflucht wurdest?«, fragte sie und ihre Züge nahmen einen besorgten Ton an.

Die sah ihr entgegen. Sah ihr in die Augen, die plötzlich scheinbar die Sterne spiegelten und schluckte. Sie redete Unsinn, das war mir klar und sicher war es wieder ein Versuch, mich aus der Reserve zu locken. Doch ich ging nicht darauf ein. Stattdessen betrachtete ich dieses Universum, das in ihren Iriden gefangen war.

Red Prinzess, deliver me  {OC x OC}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt