Kapitel 40

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Scarlett

>Ich geb die See nicht auf.<

>Du wusstest, wie das endet. Nachdem der Fluch gebrochen ist und du die Krone trägst, werde ich entweder hängen oder der König der Meere sein. Es gibt nichts dazwischen.<

Ich massierte mir die Stirn, als mir seine Worte wieder in den Kopf kamen. Ich hatte doch das glitzern gesehen, als er sich für eine Sekunde vorgestellt hatte, König zu sein. Es war nur ein kurzer Augenblick, aber er war da, das glitzern. Er war nicht ganz abgeneigt, wollte es aber anscheinend nicht zugeben, also entschied ich mich, dieses Spiel anders zu spielen. Ich hatte nicht umsonst gelernt, wie ich hinbekommen konnte, dass Männer, wie Talay genau das taten, was man wollte.

Ich zog die Kapuze stärker in mein Gesicht und sah zu dem Schiff, zu dem ich Talay geführt hatte. Die Zugangsbrücke war leer und würde uns direkt ins Schiffsinnere führen. »Das ist das Schiff.« sagte ich.

Talay sah aus der Gasse, in der wir, mit Moha und hinter uns den zwanzig neuen Männern, seine Crew standen. Er zog sein neues Schwert und einen Dolch. »Wir gehen an Bord. Sobald wir das Deck erreicht haben, muss alles schnell gehen«, erklärte er, wohl wissend, dass Moha seine Worte an die Männer hinter ihr weitergab. Und diese an die hinter ihnen und so weiter. »Sind mehr Leute als der Kapitän und die Zofe an Bord, tötet sie leise und werft sie direkt über die Reling. Wir füttern heute die Fische mit frischem Fleisch.«

Als alle zustimmten, nickte der Piratenfürst und lief los. Er achtete darauf, dass ich stets hinter ihm blieb und als wir das Schiff und letztlich das Deck erreichten, schnitt seine Klinge durch die erste Kehle. Blut spritzte ihm auf den Mantel, doch er ging weiter und lief Richtung Kapitänskajüte unter dem Achterdeck. Die Männer sollten sich um die Leiche und die kümmern, die noch hinzukamen.

An der Tür blieb Talay stehen und sah mich an, die brav neben ihm geblieben ist. Er hob die Hand und wischte mir einen verirrten Blutstropfen von der Wange.

Dann trat er ein.

Ich folgte Talay in die Kajüte und meine Augen weiteten sich, bevor ich die Brauen zusammenzog. Meine Zofe schrie, als sie uns erblickte, der Kapitän, der sie gerade von hinten nahm, fluchte und versuchte so schnell wie möglich sein Schwert zu erreichen.

Ich dagegen stand da und sah mir das fassungslos an, als meine Zofe sich hinsetzte und die Decke nahm, um ihren Körper zu verdecken. »Pr...Prinzessin Scarlett, was tut ihr hier?« stotterte sie geschockt.

Talay war bei dem Schwert des Kapitäns, das auf dem Boden neben dem Bett, in einem Haufen Kleidung lag, eher er es selbst erreichen konnte. Er stellte den Fuß auf die Klinge, sodass er es nicht hochheben konnte und drückt die Spitze seines Schwertes an seine Kehle.

»Ich denke nicht.« Mit Nachdruck zwang er den Nackten, mit halb hartem Glied, in eine stehende Position und ließ seine Klinge, wo sie war. »Welch hinterlistiger Lurch treibt es denn hier in meiner Kajüte, auf meinem Schiff?«

»Beth.....« begann ich und setzte die Kapuze ab. Meine Augen fixierten sie. »....du warst immer meine vertrauensvollste Zofe, du hast mitangesehen wie ich aufgewachsen bin. Und doch, hast du mich über Bord geschmissen.« Mein Blick zeigte deutlich wie enttäuschte ich eigentlich war. Ich musste Stärke zeigen, das wusste ich, aber sie war meine Bezugsperson gewesen und hatte mich verraten, und für was? Für Münzen? Für diesen Mann? Meine Augen huschten zum Kapitän. »Was habt ihr erhalten? Dafür, dass ihr mich im Meer zurückgelassen habt?« der Kapitän, der ängstlich von Talay zu mir sah, zitterte, nackt wie er war, stand er armselig da. »Ich...Ich weiß nicht wovon ihr redet...« log er, genauso wie es meine Zofe zuvor versucht hatte. Nur jetzt war ich nicht mehr im Schloss, ich musste daher meine Emotionen nicht mehr verstecken und konnte freisprechen.

»Antworte«, knurrte stattdessen aber Talay und drückte seine Klinge so fest an seinen Hals, dass ein Rinnsal Blut hinablief, »deiner zukünftigen Königin.«

Der Kapitän zuckte zusammen und verzog das Gesicht. »I...ich....h...habe e...eine K...Kiste voll G...Gold erhalten.« stotterte er und urinierte sich ein. Es lief seinen behaarten Beinen hinab und tropfte auf den Holzboden. Meine Augen wanderten von dem Boden wieder hinauf in sein Gesicht. »Gold also. Mein Leben war also nur eine Kiste voll Gold wert.« Ich sah wieder zu meiner Zofe, die anfing zu weinen. Sie rutschte vom Bett zu Boden und kniete sich hin, beugte sich vor und drückte ihre Stirn auf das Holz. »Bitte verzeiht mir, Prinzessin. Ich wollte das nicht. Ich wurde gezwungen, bitte verzeiht mir. Ich werde euch treu ergeben sein, ich schwöre. Ich werde euch nie wieder verraten, für nichts und niemanden. Bitte habt Erbarmen. Ich bitte euch!« flehte sie und stieß heulend eine Lüge nach der anderen aus.

Mein Schicksal verzog angewidert das Gesicht. »Lasst mich eine Frage stellen, bevor wir Segel setzen.« Talay trat umständlich um den Fleck Pisse herum. »Liebt ihr diese Dirne von Zofe?«

Beth hob den Kopf und sah den Kapitän mit großen Augen an. Der Kapitän jedoch folgte mit seinen Augen Talay. »Ich habe Frau und Kinder, natürlich nicht!« antwortete er, weshalb ich eine Braue hob. Er war also auch noch ein Ehebrecher. »Ihr habt vor Gott die Ehe geschworen und bricht diese?«

Talay lachte leise und eine böse Freude und die Gier auf Gewalt funkelte in seinen Augen. »Aye. Dann wird euch sicher nicht stören, was als Nächstes kommt.« Er wirbelte herum und schlug dem Mann gegen die Schläfe. Er fiel bewusstlos um, dann rief er nach Moha, die keine zwei Minuten später in die Kajüte kam und sich mit großen Augen und einem breiten Grinsen auf den Lippen umsah.

»Kapitän?«, fragte sie.

Ihr Kapitän nickte auf den Nackten und die Zofe. »Lasst beide an den Hauptmast binden und setzt Segel, wenn der letzte Mann im Wasser ist.«

»Es sind alle von Bord und die Segel sind gesetzt. Wir müssen nur einen Kurs setzen.«

»Süd-West«, meinte Talay und sah fragend zu mir, während schon zwei Männer hereinkamen und den unbekleideten Kapitän und die ebenso nackte und schreiende und weinende Zofe wegschleppten.

Ich nickte. »Süd-West. Und dann schauen wir weiter.« stimmte ich zu und trat dann näher auf Talay zu. »Bitte lass uns eine andere Kajüte aussuchen. Diese hier ekelt mich an.«

Talay nickte Moha zu, damit sie dem Steuermann die Richtung durchgegeben konnte und forderte sie auf, jemanden zu holen, der diese Schweinerei wegwischen sollte.

»Wenn du nicht unter Deck mit der Besatzung oder wieder in einer Zelle schlafen willst, ist das die einzige Kajüte, meine Kleine. Ein Schiff hat nur eine.« erklärte er mir.

Ich blinzelte. »Oh....verstehe.« sagte ich verlegen. Dann wandte ich mich ab und lief zu einen der Fenster. Das Meer brach am Schiff und an dem Hafen und die Dunkelheit hüllte uns ein. »Danke, dass du die beiden bestrafst. Endlich werde ich damit Frieden schließen können.«

»Was ich mit ihnen machen werde, ist keine Bestrafung«, erklärte er und stellte sich hinter mich. »Sie werden leiden. Tagelang. Was mit ihnen, auf meinen Befehl hin, passieren wird, wird die Hölle für sie und lässt dich sicher an meinem guten Wesen zweifeln.«

Ich drehte meinen Kopf zu ihm nach hinten. »Glaubst du, alles was du zuvorgetan hast, war eine Förderung deines guten Wesens? Ich kenne dich mittlerweile, habe deine schlechten sowie guten Seite gesehen. Und als diese beiden mich im Meer zurückgelassen hatten, was für ein Wesen war das dann?«

Er sah zu mir hinab. »Ich will dich nur vorwarnen.«

Ich nahm seine Hände und legte diese um mich, meinen Rücken drückte ich an seinen Oberkörper und kuschelte mich an ihn ran. »Verstehe.«

»Wir werden sehen«, nuschelte Talay und wandte den Kopf zu dem Mann, der mit Eimer, Bürste und Mopp hereinkam. »Kapitän, der Steuermann verlangt nach Euch. Wir können Segel setzen.«

Der Mann, der mein Herz gestohlen hatte, nickte und ließ mich los. »Ich komme als bald wieder. Es ist meine Aufgabe, die Männer einzuweisen. Warte nicht, leg dich hin und schlafe. Oder ... mach dich nützlich und räume auf. Das hier ist einfach unerträglich.«

Damit ließ er mich zurück mit dem Mann und dem Mopp. Er sprach mal wieder mit mir, als sei ich eine Putzfrau und keine Kronprinzessin.

Ich beobachtete eine Weile den Mann und wartete, dass er fertig wird. Doch als er mich länger ansah, fühlte ich mich unwohl, trotzdem fragte ich: »Gibt es ein Problem?«

Der Mann sah mich weiterhin an. Schaute dann zu der Tür und wieder zurück. »Ihr Onkel sendet mich, Prinzessin Tudor.« Sein Blick huschte wieder besorgt zur Tür. »Er lässt ausrichten, dass er nicht ganz begreift, was Ihr Plan mit dem Piraten ist, jedoch hinter Euch steht.« Der Unbekannte sah mich wieder an und richtete sich auf. »Ich soll Euch anbieten, hier zu verschwinden, Prinzessin. Ich kann Euch zu Eurem Onkel bringen. Oder aber ihn zu Euch führen, um diese Bestie von Mann«, seine Hand hob sich und er zeigte den verbundenen, fehlenden Finger, »zu erlösen. Oder aber ich bleibe mit an Bord, als Euer Beschützer. Ich gebe auf Euch acht. So, wie der Kommandant es wünscht.«

Ich starrte ihn an.

Mein Onkel?

Hatte er mich etwa beobachten lassen?

Ich versuchte Fassung zu wahren und räusperte mich. »Ich....danke euch für die Überbringung der Nachricht. Aber ich habe mit diesem Piraten noch etwas zu erledigen. Bitte lasst meinen Onkel wissen, dass ich, sobald ich zurückkehre, den Thron besteigen werde und für seine treue dankbar bin. Bis dahin könnt ihr gerne hierbleiben und mich beschützen, aber-« ein warmes Lächeln zeigte sich auf meinen Lippen. »-ihr braucht euch keine Sorgen machen, ich bin bereits in guten Händen.«

Talay würde nie zulassen, dass mir etwas passierte. Doch nach allem, was ich erlebt hatte, gab mir dieser Mann, der von meinem Onkel geschickt wurde, noch mehr Sicherheit.

Der Mann verzog kurz das Gesicht, nickte jedoch. »Wie ihr wünscht, Prinzessin. Aber es reicht ein Wort von Euch, und ich schneide dem dreckigen Piratenabschaum die Kehle durch.«

Ich musterte den Mann. Wenn mein Onkel wüsste, was ich vorhatte, würde er mir wohl den Kopf abreißen wollen. Er war jetzt noch ein dreieckiger Pirat, aber das würde sich bald ändern. Meine Augen huschten zu dem Fleck. »Seid ihr fertig? Ich möchte gerne das Zimmer soweit herrichten.«

Sein Kiefer spannte sich an, aber auch hier nickte er nur. »Jawohl, Prinzessin. Wenn Ihr etwas braucht, ruft nach Pippin.«

Er verneigte sich tief und verließ die Kajüte.

Ich seufzte.

»Danke Onkel, aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen.« murmelte ich und sah mich um. Es musste einiges getan werden, also fing ich sofort an. Erst einmal bezog ich das Bett neu, dann wischte ich Staub, säuberte die Fenster und die Schränke. Danach wischte ich noch einmal den Boden und entfernte einzelnen Spinnweben. Es dauerte zwar eine Zeit lang, aber als ich fertig war, glänzte es regelrecht in der Kajüte. Stolz sah ich mir alles an und nickte, als ich meinen Mantel auszog und die Stiefel. Mit einem gähnen legte ich mich in das saubere Bett und kuschelte mich in die Decke ein.

Ich schlief sofort ein und erwachte erst, als ich eine knarrende Tür hörte.

»Talay..« nuschelte ich und setzte mich mit reibenden Augen auf. Es war dunkel und die einzige Laterne war gedämmt.

Er stellte sich ans Bett und sah auf mich hinab. »Ich muss prüfen, ob wir den Kurs noch halten, kleine Hexe.«

Ich nickte verschlafen, nahm das Amulett in die Hand und klopfte neben mich. »Setzt dich, du musst den Kompass ebenfalls berühren.«

Talay tat, was ich verlangte und setzte sich neben mich. Ehe er jedoch den Kompass berührte, beugte er sich zu mir und legte seine Lippen auf meine. Er küsste mich hungrig, doch als er von mir abließ, gähnte er ausgiebig. Dann nickte er auf das Amulett. »Los, ich muss wieder an Deck.«

Ich schmunzelte und leckte über meine leicht geschwollenen Lippen. »Möchtest du nicht lieber etwas schlafen? Du siehst erschöpft aus.« sprach ich mit ruhiger Stimme. Aber öffnete währenddessen trotzdem den Kompass und nahm seine Hand. Wir beide berührten das Messinstrument und die Nadel zeigte nun mehr in Richtung Westen. »Das Schiff etwas mehr nach Westen drehen und es sollte stimmen.« gab ich ihm die notwendige Information und sah vom Kompass zu ihm auf.

Er sah den Kompass noch immer ungläubig an, nickte dann aber, als er aufstand. »Ich muss noch zwei Männer bestrafen, dann die Vorräte prüfen und mich mit dem Schiff weiter vertraut machen. Schlaf steht ganz unten auf der Liste.« Talay rieb sich das Gesicht und sah sich um. »Es ist sauber, gut gemacht, meine Kleine.«

Mit leuchtenden Augen lächelte ich erfreut. Er hatte es also bemerkt. »Ich habe mir besonders viel Mühe gegeben.« meinte ich stolz. Dann schloss ich das Amulett und stellte mich auf dem Bett auf die Knie, mit einer fließenden Bewegung zog ich Talay zu mir hin und küsste ihn. »Wenn du mit all dem fertig bist, kommst du ins Bett und schläfst etwas. Versprich mir das.« forderte ich und strich ihm durchs Haar.

Ich benahm mich schon wie seine Ehefrau, aber auch wenn er es als lästig ansehen sollte, würde ich mir weiterhin Sorgen um sein Wohlergehen machen. Immerhin wollte ich nichts anders mehr, als ihn an meiner Seite haben.

Red Prinzess, deliver me  {OC x OC}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt