Ich versuche weiterhin zu lauschen, beiße mir auf die Unterlippe und grinse dabei, weil es so spannend ist, den beiden heimlich zuzuhören. "Wieso gibt sie nicht einfach auf?", äußert sich Meran. "Ich meine, sie merkt doch, dass du keinen Kontakt zu ihr haben möchtest. Warum dann noch diese ganzen Briefe?" Durch den Türschlitz kann ich deutlich sehen, wie Kian auf der Couch liegt, sein Kopf auf seine Arme gestützt. "Keine Ahnung, sie denkt, ich hänge noch an ihr. Es ist einfach kompliziert. Dieser Schmerz sitzt so tief. Ich will ihr verzeihen, doch die Wunde ist zu groß. Ich kann und will nicht", erklärt Kian und fährt sich mit der Hand durch die Haare.
"Bruder, du bist zu betrunken. Ich glaube, du solltest jetzt schlafen. Ich will nicht, dass du etwas sagst, was du später bereuen wirst", höre ich Meran sagen, während er auf Kians Bein klopft. Nun steht Meran auf. Ich versuche leise, die Tür zu schließen, und schleiche mich langsam auf das Bett zu. Nachdem ich wieder liege, kreisen meine Gedanken um das, was Kian gesagt hat. Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie hat es mich getroffen und leicht traurig gemacht. Hatte er eine schlimme Beziehung hinter sich? Wurde er betrogen? Ich habe überhaupt keine Ahnung, was er durchgemacht hat, und das macht mich sauer. Ich möchte ihm wirklich helfen, aber wie? Wie soll ich ihm helfen, wenn er nicht offen und ehrlich mit mir darüber spricht? Abgesehen davon weiß ich nicht einmal, wie ich ihn darauf ansprechen soll. Am Ende heißt es, ich soll nicht so neugierig sein.
Während ich in meinen Gedanken gefangen bin, höre ich, wie die Türklinke sich senkt. Ich hoffe, das ist nicht die blöde Katze, sonst schreie ich los und wecke die ganze Nachbarschaft, was ich definitiv nicht will. Ich kneife die Augen zusammen. Weil es so dunkel ist, erkenne ich nicht, wer es ist. Ist es Kian oder Meran? Vielleicht ist es Meran, weil er aus diesem Zimmer etwas braucht. Ich bin mir nicht sicher, also schließe ich so schnell wie möglich die Augen und tue so, als wäre ich im Tiefschlaf. Doch er legt sich einfach auf die freie Bettseite. Hat Meran vergessen, dass ich in diesem Zimmer schlafe? Wenn Kian das mitbekommt, dreht er bestimmt durch. Noch schlimmer, er denkt dann, dass zwischen Meran und mir etwas läuft. Ich seufze innerlich, denn das ist das Letzte, was ich möchte, missverstanden zu werden. Merkt Meran nicht, dass ich hier liege? Hoffentlich steht er gleich auf und geht leise raus.
Moment mal, das ist doch Kians Parfüm und der leichte Geruch von Alkohol. Scheiße, ich muss plötzlich grinsen. Liegt bestimmt daran, dass ich so tue, als wäre ich am Schlafen. Komm schon, Mädchen, beiß die Backen zusammen, ich darf jetzt auf keinen Fall lachen. Wenn Kian merkt, dass ich zugehört habe, wäre das nichts Gutes für mich. Während ich noch immer so tue, als würde ich schlafen, streicht er mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Mit dem Handrücken berührt er sanft meine Wange und streift über meine Lippen. Scheiße, wieso muss ich gerade jetzt lachen? Bleib ernst, komm schon, es wäre echt unpassend, jetzt laut zu lachen. Ich reiße mich irgendwie zusammen und verkneife mir das Lachen. Ich kann wortwörtlich wahrnehmen, wie er genau gegenüber von mir liegt. Ist er so betrunken, dass es ihm nicht einmal klar ist? Ich spiele weiterhin, als wäre ich im Tiefschlaf.
"Es wäre so viel einfacher, wenn du bereit wärst, diese Wunden zu schließen. Wer weiß, vielleicht bin ich dann auch wieder in der Lage, glücklich zu sein. Ich will nur, dass die Wut in mir verschwindet. Ist das zu viel verlangt?" Was meint er damit? Spricht er das an, weil ich ihm an dem Tag keine gescheite Antwort geben konnte, als er mich gefragt hat, ob ich die Wunde in seinem Herzen heilen kann? Aber wie soll ich das machen, wenn ich so unerfahren bin? Das weiß er doch. Bevor ich mich schlafen gelegt habe, war mir so warm, dass ich mein Oberteil ausgezogen habe und nun nur im Unterhemd und Pyjama hier liege. Er streicht sanft über meine freie Schulter. Mit jeder Berührung fügt er mir Gänsehaut hinzu. "Ich könnte dich hier und jetzt ausziehen, ohne dass du es merkst", flüstert er, während er an den Trägern meines Unterhemdes zieht.
Ach du Scheiße, was geht jetzt vor sich? Nein, das kann ich nicht zulassen. Er ist wirklich betrunken. Nicht, dass er wirklich vorhat, mich hier auszuziehen. Ich öffne langsam meine Augen und tue so, als wäre ich gerade erst aufgewacht. Mit seiner linken Hand stützt er sich ab, und sein Kinn ruht auf seiner Faust, während er mich anschaut. "Guten Morgen. Seit wann schläfst du schon?", fragt er mich. "Hä, was?", murmele ich benebelt. "Ich weiß, dass du nicht geschlafen hast", flüstert er und schmunzelt dabei.
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Pflicht und Sehnsucht
RomanceArin, eine kämpferische Studentin mit einem Kampfgeist, der größer ist als ihr Bankkonto, findet sich plötzlich als Putzkraft in der Kaserne wieder. Ein Job, der ihre finanzielle Misere lindern soll. Doch als sie auf einen furchtlosen Polizisten der...