Kapitel 25

2.5K 97 43
                                    

"Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich nicht küssen werde," sagt er, während er die Strähne in seiner Hand hinter meinem Ohr steckt. Ich sehe ihn weiterhin an, ohne etwas zu sagen. Dann dreht er sich um und zieht sein Shirt aus. Sein Rücken ist direkt vor meinen Augen, und ohne zu blinzeln, schaue ich es mir an.

Nebenbei kaue ich an meinen Lippen, wohl unbemerkt. "Willst du nicht gehen oder macht es dir Spaß, mich zu beobachten, während ich mich umziehe?" fragt er, während er mit dem Rücken zu mir steht und ein anderes Oberteil anzieht. "Ich wollte jetzt sowieso gehen," sage ich, bevor ich rausgehe. Kurz bevor ich die Tür hinter mir schließe, sehe ich noch, wie er seine Schutzweste anzieht.

Muss er etwa zu einem Einsatz? Außerdem trägt er nicht die Uniform, die er am Berliner Bahnhof anhatte. "Wohin gehst du?" frage ich, völlig neugierig. "Zum Schießstand," sagt er. "Hm, okay. Danke nochmal für die Klamotten," sage ich und gehe aus seinem Zimmer.

Zuhause angekommen, wasche ich meine Haare und ziehe meine Schlafsachen an. Seine Klamotten lasse ich erst einmal auf meinem Bett liegen. Heute werde ich nur auf der Couch liegen und 'Death Note' weiterschauen. Auf meiner Liste stehen noch hundert andere Animes; mit 'Jujutsu Kaisen' wollte ich auch noch anfangen. Ich bleibe die ganze Nacht auf der Couch liegen.

Die ganzen Geschehnisse der letzten Tage kann ich sonst nicht anders verarbeiten. Plötzlich schreibt Daris mir, ob alles in Ordnung ist, weil er mich in letzter Zeit nicht so oft in der Uni gesehen hat. Eigentlich bin ich immer da, nur passe ich auf, ihm nicht über den Weg zu laufen. Ich entscheide mich, ihm nicht zu antworten. Sonst wird das noch zu kompliziert mit ihm. Eine Folge schaue ich mir noch an, bevor ich schlafen gehe. Mit halb geschlossenen Augen schaffe ich es ins Bett. Ich rieche seinen Duft auf meinem Bett; es muss von seinem T-Shirt kommen, das ich auf meinem Bett gelegt hatte. Ich nehme sein Shirt und rieche daran.

Warum ist sein Duft so stark? Ich realisiere, was ich gerade tue. Geht es mir gut? Ich nehme sein Shirt und werfe es auf den Boden, schüttle meinen Kopf. Komm zu dir, es hat noch gefehlt, dass ich an seiner Kleidung rieche, wie eine Psychopathin. Am nächsten Morgen mache ich mich wieder fertig für die Uni.

Das Shirt, das ich gestern weggeworfen habe, hebe ich auf und packe es mit seiner Jogginghose in die Waschmaschine. Ich würde einfach zweimal in seine Klamotten reinpassen. Es fühlt sich so komisch an, seine Kleidung mit meinen zu waschen. Versunken in meinen Gedanken merke ich nicht einmal, wie spät es ist. Ich schaue kurz auf mein Handy.

Scheiße, ich verpasse meine Vorlesung, wenn ich mich nicht jetzt auf den Weg mache. Ich schaue noch kurz beim Bäcker vorbei und hole mir eine Brezel. Die Vorlesung zu dem Modul „Politische Theorien" beginnt gleich. Ich weiß, dass der Prof es nicht mag, wenn Studierende zu spät kommen. Ich fange an zu laufen. Scheiße, ich darf nicht zu spät kommen. Nebenbei esse ich noch meine Brezel.

Ich höre, wie ein Auto hupt. Boah, ich laufe doch nur. Immer diese gaffenden Männer, denke ich und verdrehe die Augen. Ich höre noch einmal ein Hupen, bleibe stehen, um zu schauen, was da abgeht. Ich erkenne, dass es Daris ist.

Oh nee, muss das jetzt sein? Er hält an und macht sein Fenster runter. "Na, Arin, wohin rennst du denn so?" "Meine Vorlesung beginnt gleich," sage ich völlig außer Puste. "Steig ein. Ich fahre ebenfalls zur Uni. Mit dem Auto bist du schneller als zu Fuß," sagt er. Eigentlich will ich nicht einsteigen, aber verspätet zur Vorlesung erscheinen will ich auch nicht. Was soll's, er muss so oder so in die Richtung. Ich entscheide mich einzusteigen. Im Auto versuche ich, meinen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. Wie unsportlich bin ich eigentlich? "Alles okay?" fragt Daris mich. "Ja, schon gut," sage ich, schwer außer Atem.

"Hattest du gestern viel zu tun? Ich habe dir geschrieben, du hast mir nicht geantwortet," sagt er. "Oh, tut mir leid. Ich war gestern Abend nur am Lernen und bin irgendwann spät eingeschlafen. Habe es wohl nicht gesehen," sage ich. "Ist alles wirklich in Ordnung? Du verhältst dich in letzter Zeit mir gegenüber so kalt. Habe ich etwas falsch gemacht oder dich unwohl fühlen lassen?" fragt er mich. "Nein, nein, ich war nur mit den Vorbereitungen fürs neue Semester beschäftigt," sage ich. Warum ist er auf einmal so aufdringlich?

Pflicht und SehnsuchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt