Kapitel 58

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Kians Lippen berühren meine, zart und doch so bestimmend. Für einen Moment bin ich wie erstarrt, überrascht von der plötzlichen Nähe, doch dann schließe ich die Augen und erwidere den Kuss. Mein Herz klopft schneller, als sich unsere Lippen in sanften Bewegungen finden. Seine Hand ruht noch immer an meiner Wange, seine Finger fahren zärtlich über meine Haut und ich spüre, wie er mich näher zu sich zieht. Alles andere scheint in diesem Moment zu verschwinden. Der Kuss ist so viel mehr als nur eine Berührung. Es ist eine stumme Bitte um Vergebung, um einen Neuanfang. Ich spüre seine Wärme, seine Nähe, und all die Last, die uns beide so lange bedrückt hat, scheint sich für einen Augenblick in Luft aufzulösen.

Mein Kopf ruht an seiner Brust, und ich kann den gleichmäßigen Rhythmus seines Herzschlags hören. Es beruhigt mich. Ich schließe die Augen und fühle mich, als wäre ich endlich angekommen.

Als ich am nächsten Morgen aufwache, greife ich automatisch zur Seite, doch die Stelle neben mir ist leer. Für einen Moment frage ich mich, ob ich alles nur geträumt habe. War Kian wirklich hier? Die Wärme seines Körpers, seine Lippen auf meinen, all das fühlt sich wie ein flüchtiger Traum an.

Ich strecke mich und schaue auf mein Handy. Es ist fast 10 Uhr. Panik steigt in mir auf. Araz ist normalerweise gegen sieben wach, und ich bin viel zu spät dran. Hastig setze ich mich auf und schaue zu seinem Bett, doch es ist leer. Mein Herz setzt einen Schlag aus. Wo ist er?

In diesem Moment geht die Tür auf, und Kian kommt ins Zimmer, Araz auf seinem Arm. "Schon wach?" fragt er, sein Gesicht zeigt ein sanftes Lächeln.

Ich nicke, immer noch verwirrt von der Situation und versuche, alles zu verarbeiten. Kian tritt näher ans Bett. "Ich dachte, es tut dir gut, wenn du mal deinem Körper eine Auszeit gönnst und etwas länger schläfst," sagt er ruhig.

"Danke, Kian," sage ich, während ich mich langsam bereit mache, aufzustehen und ein kleines Lächeln über meine Lippen huscht. "Der Arme hat doch bestimmt viel geweint, weil er Hunger hatte. Warum hast du mich nicht geweckt?"

Er schaut mich an, seine Augen funkeln leicht, und er lacht leise. Ich starre ihn an, überrascht. "Aber... wie? Woher wusstest du überhaupt, wie man die Flasche vorbereitet?" Kian grinst und hebt leicht eine Augenbraue. "Arin, ich lebe doch nicht hinterm Mond. Ich bin durchaus fähig, ein Fläschchen zuzubereiten."

Ich blicke ihn an, immer noch leicht fassungslos, aber auch zufrieden. "Also bist du wirklich um vier Uhr aufgestanden und hast Araz gefüttert?" frage ich und versuche, die Überraschung in meiner Stimme zu verbergen.

Kian zuckt mit den Schultern und sieht dabei so entspannt aus, als wäre es das Normalste der Welt. "Ja, und dann um sieben nochmal. Es war keine große Sache."

"Hätte ich nicht erwartet," murmle ich mehr zu mir selbst, aber innerlich kann ich nicht anders, als beeindruckt zu sein. Er gibt sich wirklich Mühe, das merke ich jetzt.

Kian setzt sich auf die Bettkante und beobachtet Araz für einen Moment, der grinsend auf seinem Schoß sitzt. "Ich will es wirklich richtig machen," sagt er dann leise, als ob er sich selbst daran erinnern muss.

Ich nicke, mein Herz wird schwer von all den unausgesprochenen Worten, die in der Luft hängen. Aber für jetzt lasse ich das alles ruhen. Er versucht es. Und das bedeutet mehr, als ich ihm je in Worte fassen könnte.

"Danke, Kian, wirklich" sage ich leise und lege meine Hand auf seine. Er sieht mich an, und in diesem Augenblick fühle ich, dass wir vielleicht, nur vielleicht, eine Chance haben könnten.

Kian legt Araz sanft in die Mitte des Bettes. Ich beobachte ihn, wie er über Araz blickt, und kann sehen, wie sich seine Stirn leicht in Falten legt. "Warum sind seine Haare eigentlich so hell?" fragt er plötzlich und schaut mich fragend an.

Pflicht und SehnsuchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt