Antworten

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„Beruhigen Sie sich bitte Frau Zander.", versuchte Kommissar Brandt mich zu beschwichtigen.

Ich war wie ein Tornado durch Berlin bis in sein Büro gefegt. „Beruhigen? Wollen Sie mich eigentlich verarschen?", schrie ich.

Es war mir egal, ob ich mich im Ton vergriff, oder mich die ganze Abteilung hörte. Ich wollte endlich Antworten und ich würde sie mir heute holen.

„Ich verstehe, dass sie verwirrt sind."

Verwirrt? Das trifft es nicht mal im Ansatz. Aber ich habe Glück, denn sie werden mir es jetzt erklären. Also nochmal, wo ist meine Freundin?", knurrte ich.

Hinter mir flog die Tür auf und ein weiterer Polizist betrat den Raum. „Alles okay bei Ihnen?", fragte er besorgt. Vermutlich hatte er mich schreien hören.

„Ja alles gut, ich schaffe das hier."

Der Kollege nickte und schloss die Tür.

Kommissar Brandt fuhr sich fahrig durch die Haare. „Nehmen Sie bitte Platz. Ich habe Ihnen einiges zu erklären. Eigentlich nicht nur Ihnen, aber ich schätze sie wollen nicht warten, bis Frau Brückners Eltern hier sind."

„Da liegen sie goldrichtig. Also ich höre." Ich zog den Stuhl vor dem Schreibtisch zurück und setzte mich.

Kommissar Brandt setzte sich ebenfalls und zog eine Schublade seines Schreibtisches auf. Hervor holte er eine braune Papierakte. Er faltete seine Hände über dem Deckel und blickte mir für einen Moment in die Augen, bevor er zu sprechen begann.

„Ich möchte Ihnen gerne so viele Fragen wie möglich beantworten, ich weiß aber, dass es Fragen geben wird, die am Ende dieser Unterhaltung offenbleiben werden. Ich kann Ihnen bestimme Antworten nicht geben, zum Einen, weil ich selbst nicht alle kenne, zum Anderen, weil ich es schlichtweg nicht darf."

Ich wollte ihn unterbrechen, doch er erhob seine Hand und bat mich, abzuwarten.

„Ich weiß, dass sie durch die Hölle und zurück geschickt wurden. Ich kann Ihnen versichern, dass es nicht geplant war, dass sie so davon erfahren." Er räusperte sich. „Es tut mir wirklich leid. Aber der zuständigen Behörde blieb keine andere Möglichkeit."

„Möglichkeit wofür?", platzte ich dazwischen.

„Frau Brückner in Sicherheit zu bringen", sagte er leise.

„Dann holen Sie sie her. Sie kann mir genauso Rede und Antwort stehen." Mein Ton war nach wie vor scharf.

„Lassen Sie mich bitte so weit es geht von vorne anfangen. Ich verspreche Ihnen, sie werden klarer sehen."

Er stand auf ,um sich ein Glas Wasser einzuschenken, mir stellte er ebenfalls eins hin.

„Danke"

Er nickte nur und setzte sich wieder und strich dabei kurz über die Akte, nur um sie im Anschluss zu öffnen. Er blätterte zweimal und seine Augen überflogen kurz das Geschriebene.

„Catri Brückner ist mit Sicherheit sehr talentiert. Ich kenne mich nicht so gut aus, aber sie hätte garantiert Preise für investigativen Journalismus gewinnen können." Wieder stoppte er seine Ausführungen kurz. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen, die von ihm gewählte Vergangenheitsform entging mir jedoch nicht. Die Luft schien zum Bersten gespannt zu sein, als er fortfuhr. „Eventuell war sie bei ihrer letzten Recherche etwas nachlässig, oder zu involviert. Persönlich zu erschüttert, ich weiß es nicht. Ich habe sie auch nicht danach gefragt. Jedenfalls hat Frau Brückner bei einem Menschenhändlerring recherchiert. Ich möchte fast sagen ermittelt. Sie hat sich undercover in eines der Bordelle eingeschleust." Kommissar Brandt schaute mir fest in die Augen, bereit dem Sturm, der in ihnen toben musste, entgegenzutreten.

Aber ich blieb ruhig. Ich hatte gehört, was er gesagt hatte, doch eine entsprechende Reaktion blieb aus. Ich hatte meine Reaktionen abgefeuert. Mein Magazin war leer. „Erzählen sie weiter", bat ich ihn.

„Sie hat über die letzten Monate viel Material zusammentragen können. Sie hat Namen von kleinen Lichtern und mächtigen Hintermännern recherchiert. Aber diese Recherchen kamen mit einem Preis und schließlich hat man herausgefunden, dass sie Journalistin ist. Sie ist aufgeflogen und hat in größter Lebensgefahr geschwebt und hat sich an die Polizei gewandt. Ich kann ihnen keine genauen Einzelheiten geben, nur so viel, ihre Lebensgefährtin ist in einem Zeugenschutzprogramm und hat Deutschland vermutlich verlassen."

„Wer ist die Frau auf der Intensivstation in der Charité?", fragte ich tonlos.

„Eine Schauspielerin."

Ich blickte vor mir auf dem Boden, bis die Tränen in meinen Augen ihn verschwimmen ließen. „Wieso haben Sie mir den Ausweis gezeigt? Heißt sie jetzt so?"

„Nein. Das war ihre selbstgewählte Identität in dem Bordell. Sie ist nach Osteuropa gefahren, um sich dort aufgreifen zu lassen. Um authentischer zu wirken. Ich habe ihnen den Ausweis gezeigt, weil ich wissen wollte, was sie wissen. Ich wollte herausfinden, ob wir auch sie schützen müssen."

„Authentischer...verstehe."

„Ich weiß, dass das alles viel ist. Dass die ganzen letzten Tage viel waren. Aber es gab keine andere Möglichkeit. Wir brauchten Vorsprung, um die ganze Sache abwickeln zu können und um Frau Brückner in Sicherheit bringen zu können."

„Wissen ihre Eltern von der Sache?"

„Nein."

„Wo ist sie?"

„Sie wissen, dass ich Ihnen das nicht sagen kann."

Ich ließ die Luft langsam durch meine fast geschlossenen Lippen. Der Kloß in meinem Hals hatte sich festgesetzt. Ich war absolut leer. Die nächsten Worte kosteten mich alle Kraft „Also ich fasse zusammen. Catri hat undercover in einem Bordell ermittelt oder recherchiert, welches von einem Menschenhändlerring betrieben wird. Dabei wurde sie erwischt und konnte sich gerade noch zur Polizei retten. Das Ergebnis ist diese Farce einer verunglückten Frau, dessen Lebensgefährtin über eine Woche verarscht wird, angeblich damit sich diese Frau in Wirklichkeit in ein neues Leben verpissen kann. Ist das soweit richtig?"

„Im Grunde ja, aber ich würde es nicht so ausdrücken."

„Wissen Sie, Herr Kommissar Brandt, es interessiert mich nicht, wie Sie das ausdrücken würden."

„Dazu haben Sie jedes recht. Eine letzte Sache wäre da jedoch." Er zog erneut die Schublade auf. Diesmal holte er einen Briefumschlag hervor und schob ihn über den Schreibtisch. „Frau Brückner bat mich darum, Ihnen den hier zu geben."

Der Umschlag sah aus wie der, der vor einer Woche auf dem Küchentresen lag.

Für meine Liebe

Ich schnaubte verächtlich, nahm den Umschlag dennoch und ließ ihn in meine Handtasche wandern.

„Sie haben recht, es sind eine Menge Fragen offen. Aber gleichzeitig weiß ich auch alles ,was ich wissen muss. Ich hoffe nur, dass wer auch immer für diesen Zeugenschutz zuständig ist, sich mehr Mühe gegeben hat, als bei dem Halstattoo der Schauspielerin der Fall war. Das nächste Mal empfehle ich mehr oder teureren Concealer zum Abdecken." Mit diesen Worten erhob ich mich und verließ das Büro des Kommissars. Ich wusste in diesem Moment nicht, wohin mich das Leben führen würde, doch nichts würde mehr so werden, wie es war. 

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