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Ein Räuspern riss mich aus meinen Gedanken. Wie lange hatte ich schlichtweg dagestanden und auf den Rock, den ich auf einem Tisch ausrichten wollte, gestarrt? Ohne dabei tatsächlich etwas zu sehen, ohne irgendetwas zu verrichten?

Ich drehte den Kopf zur Seite und erblickte direkt vor meiner Nase eine rote, fast durchsichtige Bluse. Sie wurde etwas zur Seite gezogen und der blonde Schopf von Cornelia Leitz tauchte auf. Ihre Augen blitzten belustigt.

„Entschuldigen Sie, haben Sie etwas gesagt? Ich war in Gedanken.", stammelte ich. Erneut spürte ich die Röte auf meine Wangen.

Sie lachte laut auf. „Das habe ich gemerkt. Ich wollte wissen, ob es möglich ist, dass ich die hier..." Sie hielt mir wieder die Bluse vor die Nase „...anprobiere."

„Ja, ja sicher. Die Umkleiden sind dort drüben." Erneut deutete ich in die Richtung.

„Ja, ich weiß." Dr. Leitz zwinkerte mir zu und spazierte in die Richtung, die ich ihr bedeutet hatte.

Was zur ...?, schoss es mir durch den Kopf. Ich verfolgte die blonde Frau mit meinem Blick, bis sie an den Umkleiden angekommen war. Bevor sie den Vorhang zuzog, blickte sie noch einmal in meine Richtung. Ein breites Grinsen zog sich über ihr Gesicht. Sie hatte mich erwischt. Aber bei was denn eigentlich? Beim Starren? Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Als ob ich ihr hinterher starren würde. Zugegeben, sie war attraktiv. Überaus sogar und in einer anderen Situation, in einem differierend Leben, würde ich davon ausgehen, dass sie mit mir flirtete und ich, so unglaublich das klingt, gestarrt hatte. Aber so wie die Dinge lagen, war dies völlig unmöglich. Ich beschloss, dass ich insgesamt durcheinander und so leichter aus dem Konzept zu bringen war.

Inzwischen hatte sich, obwohl es noch recht früh am Tag war, die Boutique gut besucht und während ich mich um andere Kunden kümmerte, hatte ich Frau Doktor schon wieder vergessen. Doch ihre Stimme riss mich erneut aus meinem Handeln. Gerade wollte ich in der Umkleide nach einer anderen Kundin sehen, als sie mich aus der Nebenkabine bat ihr bei einem Reißverschluss zu helfen. Ich dachte mir nichts weiter dabei und schon den Vorhang ein Stück beiseite. Sie stand, mir mit dem Rücken zugewandt, in einem wirklich kurzen Minirock aus schwarzem Leder vor dem großen Spiegel der Umkleide. Bevor ich hierüber nachdachte, wurde ich erneut rot. Glücklich darüber, dass sie es nicht sehen konnte, fingerte ich zittrig am Reißverschluss des Rockes, der sich in kompletter Länge über die Rückseite zog und somit genau über den Po.

Ich war froh, als ich den Zipper endlich geschlossen hatte, und verbarg meine zittrigen Hände schnell hinter dem Rücken.

„Kann ich sonst noch was für sie tun?", fragte ich die Ärztin, froh darüber zumindest die Kontrolle über meine Stimme zu haben.

Sie drehte sich zu mir um und lächelte. „Ich denke für den Moment nicht. Danke."

Ich nickte ihr zu und war schon im Begriff die Umkleide zu verlassen, als sie mich erneut ansprach.

„Frau Zander. Eine Sache noch. Denken Sie, dass mir dieses Outfit steht?"

Ich blieb einen Moment wie angewurzelt stehen. Ich müsste mich noch einmal umdrehen und sie nochmal genauer in Augenschein nehmen. Ich hatte längst bemerkt, dass sie die rote Bluse trug, die sie sich vorher angesehen hatte.

Um Fassung bemüht, drehte ich mich langsam um und versuchte mein bestes, das „Verkäuferlächeln" aufzusetzen, welches mir deutlich misslang.

„Ich würde sagen, Sie können beides tragen. Die Kombination aus diesem Rock und der Bluse ist stimmig.", brachte ich, schief lächelnd, hervor.
Bevor diese Frau nur einen weiteren Ton über ihre Lippen bringen konnte, drehte ich mich erneut auf dem Absatz um und verschwand diesmal endgültig im vorderen Bereich der Boutique. Ganz gewiss wäre mein Verhalten für ein richtiges Verkaufsgespräch nicht besonders zuträglich. Ich hatte allerdings, kurz nachdem Cornelia Leitz hier aufgeschlagen war, nicht mehr das Gefühl, dass das ein normaler Shoppingbummel ihrerseits war.

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