Enttäuschung

60 7 0
                                    


Das Klingeln an der Türe riss mich aus meinen Gedanken. Meine Hände waren schweißnass, ich war doch nervöser als gedacht. Ich konnte im Endeffekt nicht wissen, was mich jetzt wieder erwarten würde. Allgemein fühlte ich mich nur noch wie eine Zuschauerin im eigenen Leben. Klar, ich hatte beschlossen zu agieren, aber wie gut konnte mir das gelingen?

Es klingelte erneut und ich machte mich auf den Weg in den Flur, um die Türe zu öffnen. Ich betätigte den Summer für die Haustüre und öffnete dann die Wohnungstüre, um ein paar Schritte in den kalten Hausflur zu treten. Sofort legte sich eine leichte Gänsehaut über meinen Körper und ich erschauderte. Der Herbst und Winter waren noch nie meine Jahreszeiten gewesen. Ich war der Frühlings- und Sommermensch. Der Mensch, der am Wannsee lag, sich den Magen mit Eiscreme aus meiner Lieblingseisdiele füllte und die warmen Abende genoss. Der Winter in Deutschland war nichts für mich.

„Guten Morgen, Margo", erklang es neben mir.

Ich war so tief in Gedanken versunken, dass ich nicht mitbekommen hatte, dass Angelika und Ralf längst die Treppen zu meinem Stockwerk erklommen hatten.

„Guten Morgen. Ich bin froh, dass ihr da seid.", erwiderte ich und meinte es. Ich spürte in diesem Moment, wie wichtig es mir wirklich war, dass wir ein so gutes Verhältnis hatten.

Ich umarmte erst Angelika, der die emotionalen Strapazen mehr als nur anzusehen waren. Zwar hatte sie die Spuren der letzten Tage, die sie im Gesicht trug, mit Make-up kaschiert, es war ihr aber nicht gänzlich gelungen. Ich wusste, dass ich keinen Deut besser aussah. Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und ließ mich frei, damit Ralf mich umarmen konnte. Auch er gab mir einen Kuss auf die Wange.

Ich bedeutete beiden, durch die Wohnungstüre hinter mir zu treten und lotste sie weiter ins Wohnzimmer.

„Nehmt doch bitte platz, ich hole noch schnell den Kaffee aus der Küche.". Ich zeigte auf das Sofa und beide setzten sich.

Nachdem ich Kaffee, Milch und Zucker geholt hatte, ließ ich mich auf der Couch gegenüber nieder. Wir gossen uns schweigend ein und nippten an unseren Tassen. Ich wusste nicht so recht, wie ich das Gespräch beginnen sollte, daher starrte ich zunächst stumm auf die hellbraune Flüssigkeit in meiner Tasse, die ich mit beiden Händen umklammert hielt. Nach ein paar Minuten nahm mir Angelika die Entscheidung, wie ich anfangen sollte, ab.

„Wie geht es dir, Margo?" , fragte sie mich mit ehrlichem Interesse.

Ich wusste, dass sie diese Frage nicht nur als Floskel stellte. Beide wollten wissen, wie es mir ging, wie es mir wirklich ging.

Ich zuckte kurz mit den Schultern, ehe ich Worte fand. „Was soll ich groß sagen? Beschissen? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Das alles ist ein großer Alptraum, aus dem es Momentan kein Entrinnen gibt." Meine Stimme war schon wieder brüchig geworden und man konnte, selbst wenn man nicht hinsah erahnen, dass in meinen Augen Tränen standen. Mal wieder. Doch ich wollte heute nicht weinen. Ich musste mich darauf konzentrieren, meine Vorhaben umzusetzen. Mit den Brückners sprechen und Catri besuchen. Ganz sicher wollte ich nicht wieder unter der tonnenschweren Last zusammenbrechen.

„Du warst gestern nicht im Krankenhaus, oder?", richtete jetzt Ralf das Wort an mich.

Ich konnte keinen Vorwurf aus seiner Stimme heraushören, dennoch fühlte ich mich schlecht. Wie sollte ich das rechtfertigen?

„Nein. Ich war nicht da. Ich war bei der Polizei und danach habe ich es nicht mehr fertig gebracht sie zu besuchen. Es tut mir leid." Ich schaffte es nicht, den beiden in die Augen zu sehen und so malte ich lieber mit meinem Zeigefinger den Tassenrand nach.

BleibWo Geschichten leben. Entdecke jetzt