12. Kapitel

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     Das Essen schmeckte fad in meinem Mund und ich konnte mich nicht dazu aufbringen, sehr viel zu essen. Ein bitterer Beigeschmack schien das Essen zu begleiten. Vielleicht lag das aber auch nur an Vaters finsterem Blick, der auf mir lag. Das mit heute Morgen hatte er mir noch nicht verziehen. Ein Vorteil war, dass ich nun keinen Zopf mehr trug, in meine Haare in wilden Locken an meinem Kopf herabfielen.
      Dennoch waren die Kopfschmerzen noch immer ein stätiges Pochen in meinem Kopf, dass auch genug Zutrinken nicht verdrängen konnte. Nur das Schneiden von Fleisch war zu hören, während wir alle im Speisesaal saßen. Nur Prestons Schwester rutschte immer wieder unruhig auf dem großen Stuhl hin und her und sah ihren großen Bruder an. »Hast du Ferran jetzt endlich schon gefragt?«, sprach sie das Thema an, dem ich so gerne aus dem Weg gegangen wäre. Auf der anderen Seite verdienten sie alle die Wahrheit.
      Sofort sahen alle auf und ignorierte das Essen vor sich. Prestons Blick schnellte für eine Sekunde zu mir. Eine unausgesprochene Frage lag in seinen Augen. Darf ich? Stumm nickte ich ihm zu. Er räusperte sich, dann richtete er seinen Blick auf meinen Vater, der ihn gespannt musterte. »Es tut mir sehr leid, Eure Hoheit, aber ich kann Eure Tochter nicht heiraten«, sagte er dann. Der neutrale Ausdruck, der noch oben die Züge meines Vaters beherrscht hatte, wurde von einem zornigen Ausdruck ersetzt.
      Sein Blick huschte zu mir, dann zurück zu Preston. »Und warum nicht? Was hat sie dir erzählt?« Diese Ruhe in seiner Stimme war gefährlich. Wenn mein Vater ruhig wurde, bedeutete das nichts Gutes. Wenn er bellte, biss er nicht. Doch jetzt wusste ich nicht, ob er sich jeden Moment auf Preston stürzen würde oder auf mich. »Wir beide haben für uns festgestellt, dass wir keine falsche Ehe führen wollen. Bei allem Respekt, Eure Hoheit, aber Ihr habt das beschlossen, als sie eins und ich zwei war. Es sind 18 Jahre vergangen. Zeiten ändern sich. Wir ändern uns. Ich kann Eure Tochter nicht heiraten, was aber nicht bedeutet, dass wir nicht Freunde sind.«

     Mein Vater musterte Preston, als wäre er ein Parasit, der an seinem Tisch saß. Er stieß ein raues, falsches Lachen aus. »Wenn wir hier von Ehe sprechen, Preston. Sprechen wir nicht von Liebe. Du bist ein Narr, wenn du auf die Liebe warten möchtest.« Prestons Ausdruck wurde ernst und er schnaubte. »Deswegen bin ich noch lange kein Narr, Eure Hoheit. Im Gegensatz zu Euch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben.«
      Der Blick meines Vaters glitt zu mir. »Du hast ihm das eingetrichtert, nicht wahr? Nur weil du ihn nicht heiraten möchtest.« Seine Stimme war scharf und hart. Ich hatte das Gefühl, er würde jeden Moment über den Tisch zu mir stürzen, um mich persönlich zu erwürgen. »Ich wollte ehrlich zu ihm sein, Vater. Ich wollte nicht so wie du zu Mum sein. Ich will niemanden eine Liebe vorspielen, die nicht da ist.«
      Mit diesen Worten löste ich etwas aus. Etwas flammte in seinen Augen auf und er sprang von seinem Stuhl auf. Der sonst so beherrschte König starrte mich mit Wut in den Augen an und schien auf mich losgehen zu wollen. Doch ich rührte mich nicht und wartete. »Ich habe deine Mutter nie belogen!«, fuhr er mich an. Seine laute Stimme hallte von den hohen Wänden wider, wie ein lautes Donnergrollen und fuhr mir durch Mark und Knochen.
      Dennoch zuckte ich nicht mit der Wimper. »Ach ja? Geliebt hast du sie aber auch nicht, denn dann hättest du in ihren letzten Atemzügen bei ihr gelegen, anstatt dich in Ratssitzungen zu flüchten! Ich lag neben ihr! Ich! Ich sah zu, wie sie ihren letzten Atemzug tat und deinen Namen flüsterte! Doch das interessierte dich ja nicht!« Tränen stiegen mir in die Augen und das Atmen fiel mir schwer.
      Mein ganzer Körper zitterte. Sogar meine Beine. Erst jetzt merkte ich, dass ich mich ebenfalls erhoben hatte. Meine Brust hob und senkte sich in flachen Atemzügen und das Blut rauscht ein meinen Ohren. Prestons Mutter schnappte nach Luft und Prestons Augen wurden groß, während ich meinen Vater anstarrte. Ich sah, wie sein Adamsapfel bei seinem heftigen Schlucken auf und ab hüpfte.
      Sie hatte im Sterben gelegen. Eine Krankheit, die sich auf einer Reise eingefangen hatte. Anstatt bei ihr zu sein, hatte er immer wieder nur Ärzte zu ihr geschickt und mich. Er selbst hatte sich in den letzten ihre Tage nicht bei ihr blicken lassen. Keine einzige Sekunde. Im Fieberwahn hatte sie ab und an gedacht, der Leibgardist sei mein Vater. Doch wir hatten sie immer wieder enttäuschen müssen.
      Immer, wenn die schwere Holztür quietschend geöffnet worden war, dann hatte sie darauf gehofft, ihn zu sehen. Hoffnung hatte sich in ihren trüben Augen gebildet, doch war sogleich wieder verschwunden, als es nicht mein Vater gewesen war. Er hatte sie allein gelassen. Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre sie allein gestorben! Tränen verschleierten mir die Sicht. Die Welt um mich herum drehte sich und ich drohte den Halt zu verlieren.
      Das hier war die Wahrheit. Die Wahrheit, die ich so gerne verdrängte. Seit dem Tag hatte ich es nicht mehr ausgesprochen. Ich hatte die Wahrheit in eine dunkle Ecke verdrängt, damit ich meinen Vater wenigstens ansehen konnte. Doch heute... heute war es zu viel geworden. Schon lange hatte er sich auf einer feinen Grenze bewegt. Eine feine Grenze, die er momentan überschritten hatte. Die ganze Zeit über hatte ich es gut verdrängen können.
Jetzt wusste ich nicht mehr, was ich denken sollte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und die Welt schien sich immer schneller zu drehen. In meinen Ohre war ein Piepen, während Dad mich ansah.
     Die Galle schien mir hochzukommen, je länger ich ihn ansah. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. Das sollte verdammt noch mal nicht sein. Doch es war so. Er stand mit offenem Mund da und starrte mich an, als hätte ich etwas verbrochen. Als hätte ich ihn geschlafen.
Dabei hatte er doch Mum im Sterben zurückgelassen. Ich hatte es die ganze Zeit verdrängt. In all den drei Jahren hatte ich es verdrängt, um mit ihm leben zu können. Ich hatte mir gesagt, dass er es einfach nicht ausgehalten hatte, sie sterben zu sehen. Doch jetzt war das keine Ausrede mehr für mich. Für mich war das nur ein Beweis dafür, dass er sie nicht geliebt hatte. Bis zu ihrem letzten Atemzug hatte Mum darauf gewartet, dass er durch die Tür kam.
      Doch er war nie gekommen. Niemals. Zumindest nicht seit der Bekanntgabe ihrer Krankheit, die sie sich bei etwas zu Essen eingefangen hatte, die aber nicht ansteckend war. Mein Magen drehte sich um und mein Herz krampfte und wand sich in meiner Brust. Eisige Kälte durchströmte meinen Körper immer und immer wieder.
      Es fröstelte mich, obwohl es im Saal schön mollig warm war. Mit großen Augen sahen uns alle an. Preston lief auf mich zu, doch ich wich einen Schritt zurück. Einen zittrigen Schritt, da meine Beine drohten jeden Moment unter mir nachzugeben. Dennoch wollte ich seine Hilfe nicht. Noch nicht. Dad durfte diese Schwäche an mir nicht sehen. Er hatte sie nicht verdient.
 

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