18. Kapitel

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     »Mister Nalton«, stieß ich erleichtert aus. »Was machst du denn da, Ferran? Ich habe gesehen, wie du so überstürzt den Saal verlassen hast. Rivan war auch schon ganz in Sorge. Ist alles in Ordnung? Du atmest sehr schwer«, sagte er und wirkte aufrichtig besorgt. Unsicher sah ich den Mann vor mir an und fragte mich, ob ich ihm das einfach sagen konnte. Ob ich ihm sagen konnte, was ich hier tat. »Sie kennen nicht zufällig jemanden aus ihrem Jahrmarkt, der stechendgrüne Augen hat und einen schwarzen Umhang trägt?«
      Mister Nalton runzelte die Stirn. »Bei mir haben ein paar stechendgrüne Augen und heute haben viele einen Umhang hierher angezogen, da draußen ein raues Lüftchen geht. Warum fragst du?« Ein besorgter Ausdruck huschte über seine Züge und er trat etwas näher. Schnell erzählte ich ihm von dem Mann im Spiegelkabinett und dem Mann von heute, die eindeutig ein und derselbe Mann sein mussten.
      Davon konnte mich keiner abbringen. Das wusste ich. »Im Spiegelkabinett arbeitet eigentlich nur derjenige, der die Leute reinlässt und dieser Mann kann es ja nicht gewesen sein. Allerdings sind manche Arbeitszeiten für manche unterschiedlich. Es könnte sein, dass er nur zum Vergnügen dort war und erwartet hat, allein zu sein. Du hast ihn vielleicht nur auf dem falschen Fuß erwischt«, meinte Mister Nalton und musterte mich. Ich zuckte mit den Schultern.
»Das dachte ich ja auch noch. Bis heute. Aber warum war er heute hier und hat mich so... komisch angelächelt und ist dann verschwunden? Was hat das zu bedeuten?« Mister Nalton sah ich sich im Gang um. »Vielleicht mag er euch und wollte, dass ihr ihm folgt.« Nun zuckte er mit den Schultern. Angewidert verzog ich das Gesicht.
      »Das glaubt er ja wohl selber nicht. Ich will nur endlich wissen, was sein Problem ist.« Mister Naltons Blick traf meinen und in seinem Blick lag so viel Ernst, dass ich schlucken musste. »Es ist vielleicht besser, wenn du es nicht tust, Ferran. Dieser Mann könnte gefährlich sein. Am besten du vergisst das Ganze und wendest dich das nächste Mal an Rivan oder ein paar Wachen oder an deinen Vater, bevor du einfach so aus dem Saal stürmst um einen Fremden nachzujagen. Du bist die Thronfolgerin, Ferran. Wenn dir etwas passiert und du stirbst, hat dieses Land keinen Erben mehr.«
      Seine Worte trafen mich wie kalte Messer mitten ins Herz. Er hatte recht. So recht. Ich war... gedankenlos gewesen. Also nickte ich und spürte, wie Schuldgefühle durch mich hindurchrannten. »Es tut mir leid. Daran habe ich gar nicht gedacht«, murmelte ich. Ein sanftes, warmes Lächeln legte sich auf seine Lippen. »Schon gut. Dir ist ja nichts passiert. Lass uns zurückgehen.« Und das taten wir. Wir gingen zurück zum Saal.

     Der Erste, der mich in seine Arme zog, war Rivan. Seine starken Arme umschlungen mich wie ein Schutzschild und ein Beben ging durch seinen Körper, als er mich an sich presste. »Bitte verschwinde nicht mehr einfach so. Wenn mein Vater dir nicht nachgegangen wäre, wäre ich es. Aber er hat mich aufgehalten.« Seine Stimme bebte und ich drückte mich etwas fester an ihn, um ihm zu zeigen, dass ich da war. Dass ich da war und nicht wieder gehen würde, um ihm Sorgen zu bereiten.
      »Tut mir leid. Ich wollte dich nicht so erschrecken«, murmelte ich gegen seine Brust. Rivan drückte mich noch fester an sich und das Beben seines Körpers ließ langsam aber sicher nach. »Das will ich dir auch geraten haben«, hauchte er in mein Ohr. Ein heißer Schauer jagte meinen Rücken hinunter, als sein Atem dabei die Haut unter meinem Ohr streifte.
      Es fühlte sich so gut an, wenn er das tat. Es fühlte sich so gut an, wenn er mich festhielt. Am liebsten wollte ich ihn nie wieder loslassen, auf der anderen Seite wusste ich aber, dass die südlichen Inseln wunderschön waren und er dieses Zuhause sicher nicht gegen das hier eintauschen wollte. Gegen einen goldenen Käfig. Denn das war dieses Schloss. Ein goldener Käfig, dem ich nie entkommen würde. Ich war die einzige Thronerbin. Ich konnte nicht fort. Mister Nalton hatte mir das gerade noch einmal klarer gemacht.
      Ich konnte nicht fort. Ich hatte Verpflichtungen. Und dieses freie Leben wollte ich Rivan nicht nehmen. Vielleicht drückte ich mich deswegen noch enger an ihn und inhalierte seinen vertrauten Duft nach Wald und Popcorn. »Was hat dein Vater zu dir gesagt? Am Ende hast du traurig gewirkt«, fragte Rivan leise und sprach damit das Thema an, dass ich noch nicht ansprechen wollte. Nicht jetzt.
      Erst nächste Woche. Bis dahin wollte ich egoistisch sein und seine Nähe genießen so lange ich konnte. »Lass uns wann anders darüber rede. Bitte«, bat ich leise und versuchte das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. Rivan strich über meinen Rücken und folgte meiner Bitte. Er schien zu wissen, dass mir das Thema nicht gefiel und ließ es bleiben.

Star DustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt