5. Kapitel

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     Kühlte Nachtluft umgab mich und sorgte dafür, dass mir ganz warm ums Herz wurde. Ich liebe die kühle Nachtluft, die gepaart mit dem süßen Duft der Süßwaren meine Lungen durchströmte. Der Mond tauchte das Schloss in ein silbernes Licht. Fast schöner als das Licht der Sonne, dass alles in ein goldenes Licht tauchte.
      Leichtfüßig lief ich über den schmalen Schotterweg, der mich direkt zum Jahrmarkt führte. Vor dem Eingang wartete bereits der Unbekannte auf mich. Heute trug er eine schwarze Hose, ein weißes Hemd und einen fliederfarbenen Frack, der hinten wieder länger war, als vorne. Ein schiefes Lächeln legte sich auf seine Lippen und seine faszinierenden Augen funkelten im goldenen Licht des Jahrmarkts.
      »Hallo, Ferran«, grüßte er mich, als wäre ich ein ganz normales Mädchen. In meinem Traum schien ich das für heute auch zu sein, denn ich trug ein schlichtes Kleid. Nicht zu pompös und sicher nicht aus weichster Seide. Es war ein schlichtes Kleid, dessen unterer Teil nicht zu weitläufig war.

     Um meine Schultern war eine Stricktunika geschlungen, da die Nächte doch noch frisch waren. »Hallo, Fremder«, begrüßte ich ihn, was das schiefe Lächeln auf seinen Lippen noch schiefer werden ließ. Wie immer fiel ihm eine Strähne seines dunkelbraunen Haares in die Stirn. Er war wunderschön. Er ließ mich sich wieder bei sich einhaken und zusammen betraten wir den Jahrmarkt. Die Musik war wunderschön.
      Etwas, dass ich heute Mittag kaum gehört hatte, da das Stimmengewirr die Melodie überschattet hatte. Nur wenige Leute waren noch unterwegs. Der Unbekannte und ich waren fast allein. »Heute sollten wir mal etwas machen, dass du unbedingt machen willst«, schlug ich vor. Sein Blick richtete sich auf mich und ein warmes Lächeln zog seine beiden Mundwinkel nach oben. In seinen Augen schienen Sterne zu funkeln.
      »Gut, ich würde gerne zu dem Wahrsager Emrys gehen, aber auf dem Weg dorthin gibt es viele andere Attraktionen. Was möchtest du zuerst sehen?« Sein Angebot war nett und gleichzeitig klug. Auf dem Weg dorthin konnten wir eine Attraktion machen, die mir gefiel. Das war sehr galant von ihm. Er war so anders als Preston. Er schien sich wirklich dafür zu interessieren, was ich tun wollte und er schien nicht das Bedürfnis zu haben, mich beeindrucken zu wollen. Etwas, dass ich sehr schätzte.
      »Hmm, wie wäre es, wenn wir den Leuten zusehen, die so gut mit Feuer umgehen können?«, hakte ich nach. Er grinste, als hätte er mit dieser Antwort gerechnet. »Ja, das klingt doch gut.« Zu zweit nebeneinander schlenderten wir über den Jahrmarkt. Wir hatten dafür ja auch alle Zeit der Welt.
      Jedenfalls, wenn man den unzähligen Zetteln, die Dreammaker als „Anleitung" hinterlassen hatte, glauben konnte. Wenn ich ihm glauben konnte, hielt der Staub die Zeit momentan für zwei Stunden an. Mehr als genug, wie ich fand. Mit diesem Fremden hier, obwohl ich seinen Namen nicht kannte, kam mir der Tag gleich viel besser vor.
Es tat so gut mit ihm über den Jahrmarkt zu schlendern und sich keine Gedanken um Nichts zu machen. Einfach sorglos durch die Gegend laufen. Mein Herz fühlte ich seltsam befreit und ich selbst fühlte mich so... leicht. So schwerelos. Als könnte mich nicht auf der Welt zurück auf den Boden bringen. Das Atmen fiel mir leicht.
      Heute Mittag hatte sich Atmen wie eine Qual zwischen all den Menschen angefühlt. Ihr billiges Parfüm war mir in die Nase gestiegen, mit dem Gemisch aus dem süßlichen Duft des Popcorns, dass durch den Jahrmarkt zusätzlich in der Luft lag. Das Stimmengewirr hatte mir die Chance genommen, der schönen, fröhlichen Musik zu lauschen, die an vielen Geschäften gespielt wurde. Jedes Geschäft hatte eine andere Melodie und doch schienen diese Melodien schließlich ein Teil eines ganzen Liedes zu sein.

     Des Liedes, dass zu diesem Jahrmarkt passte. Tief in Gedanken versunkten merkte ich nicht, wie wir den Ort erreichten, an dem die Feuerkünstler standen. Jetzt in der Nacht, loderten ihre Flammen orange-rot-gold in der Dunkelheit auf und rückten die wunderschönen goldenen Lichter des Jahrmarkts in den Hintergrund.
       Sie warfen Fackeln durch die Luft, als wären es Gummibälle. Gespannt und mit angehaltenem Atem sah ich zu, wie sie sie immer wieder sicher auffingen. Dies geschah ein paar Mal, dann änderten sie ihre Choreographie. Die vier Stellen sich gegenüber und warfen sich die Fackeln plötzlich selbst zu. Ein erschrockenes Japsen entwich meinen Lippen.
      Sanft zog mich der Unbekannte näher an sich heran und strich über meine Seite, während ich mit angehaltener Luft zusah, wie einer nach dem anderen die Fackel auffing, ohne dabei ins Feuer zu langen. In den Armen des Fremden entspannte ich mich und sah zu, wie sich die feurigen Dinger immer wieder zuwarfen. Mit der Zeit wurden sie immer schneller und schneller, so dass das Feuer nur noch ein grelles, kurzes Licht in der Luft war.
       Fasziniert sah ich ihnen dabei zu. Als einer von ihnen aber dazu überging, den anderen auf seine Schultern klettern zu lassen, während er selbst die Fackeln in der Hand hatte, spürte ich, wie meine Knie für einen Moment wacklig wurden. Viel zu wacklig. Der Unbekannte hielt mich fest und gab mir Halt, während ich zusah, wie die beiden aufeinander standen und weiter die Fackeln in ihren Händen schwangen.
      Die Hitze der Fackeln drang zu mir hindurch, doch auf der anderen Seite war mir verdammt kalt, als ich ihnen dabei zusah. Etwas in mir hatte Angst, dass ihnen etwas geschah.
Auf der anderen Seite faszinierte mich das hier total. Das warme, orange Licht der Fackeln rückte alles in den Hintergrund, während sie die Fackeln schwangen und drehten, als wären es nur einfache Stöcke, die am anderen Ende nicht brannten. Immer wieder warfen sie die Dinger in die Luft und immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich die Luft anhielt.
      Der Fremde neben mir wirkte genauso fasziniert und langsam fragte ich mich, welchen Namen er hatte. Konnte ich mir einfach einen Namen wünschen? Sollte ich ihn endlich danach fragen? Auf der anderen Seite fand ich seinen Namen nicht ganz so wichtig. Wichtig war nur, dass er mich von der Realität ablenkte und ich gerne hätte, dass er real war. So real, wie schon lange keiner mehr gewesen war.
      Natürlich würde ich ihn noch nach seinem Namen frage, aber fürs Erste war es mir nicht wichtig. Fasziniert sahen wir den Feuerkünstlern zu, von denen einer dazu überging, nun mit seinem Mund Feuer in die Luft zu schießen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als helle Flammen den Nachthimmel auflodern ließen und dabei immer größer wurden, bis sie wieder in seinem Mund verschwanden.
      Der Fremde neben mir grinste. Es folgten noch ein paar weitere Tricks bei denen sie versuchten die Fackeln mit dem Mund aufzufangen und zu balancieren oder wie sie auf einem Bein standen und die Fackeln dennoch wieder auffingen. Danach war die Vorstellung zu Ende und der Fremde und ich klatschten, so wie zwei andere, die sich im Laufe der Vorstellung dazugesellt hatten.
      Die Darsteller verneigten sich tief und nahmen das Geld der beiden anderen an, dass sie ihnen bereitwillig zuwarfen, meins nahmen sie allerdings nicht. Warum, verstand ich noch immer nicht. Doch egal, wie sehr ich versuchte zu träumen, dass sie mein Geld nehmen würden, es funktionierte einfach nicht. Frustration machte sich in mir breit und ich zweifelte bereits daran, dass ich in diesem Traum irgendwas veränderte konnte, doch da führte mich der Fremde sanft weiter.

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