11. Kapitel

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     Ungläubig starrte ich die drei vor mir an, während Preston die Stirn runzelte. »Moment. Dich habe dich doch auf dem Ball gesehen. Du hast immer wieder zu Ferran und mir herübergestarrt«, sagte Preston plötzlich neben mir und deutete auf Rivan. Dieser lächelte leicht. Verwirrt sah ich nun zwischen Preston und Rivan hin und her.
      Wie hatte ich Rivan übersehen können, wenn er auf dem Ball gewesen war? Wie hatte ich ihn nicht bemerken können? Vielleicht hatte ich das ja unbewusst getan. Auf einmal fiel mir der junge Mann, den ich angerempelt hatte und der süße Duft, der dabei meine Nase gekitzelt hatte. Er hatte die gleichen dunklen Haare wie Rivan gehabt. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Deswegen träumte ich ständig von ihm.
      Unbewusst hatte er sich in meinen Kopf geschlichen. »Verzeiht mir. Eigentlich habe ich nicht Euch ansehen wollen, sondern Ferran. Nur ab und an wart ihr mir im Weg und habt die Sicht auf sie versperrt«, erwiderte Rivan. Hitze schoss in meine Wangen und ich war wirklich mehr als froh, dass meine Haut so dunkel wie die von meiner Mutter war, so sah man die Röte nicht, die jetzt meine Wangen zierte.
      »Ja, Rivan war mit auf dem Ball, allerdings wollte er eher nicht vorgestellt werden, sondern sich amüsieren«, erwiderte Mister Nalton und schenkte mir ein entschuldigendes Lächeln. Noch immer war ich etwas überfordert. Meine Gedanken fuhren Achterbahn und ich versuchte zu verstehen, ob das hier nur wieder ein Traum war. Doch Mister Nalton schien echt zu sein. Nur die Sache mit Rahella irritierte mich.

     Wie konnte ich mir sie in meinem Traum vorgestellt haben, wenn ich sie noch nie gesehen hatte? Mir fiel aber auf, dass ihre Gesichtszüge etwas anderes waren. Weicher. Herzförmiger und doch gestochen scharf. Ihre Nase war im Vergleich zu meinem Traum kleiner und ihre Augen hatten nun einen lebendigen Glanz, den sie in meinem Traum nicht gehabt hatten.
      Das Kleid, dass sie nun trug, war pompöser als das in meinem Traum. Das hellgrüne Kleid schmiegte sich sanft an ihren Oberkörper und betonte ihre Kurven an den richtigen Stellen. Der Rock ihres Kleides wurde von ihrer Hüfte aus weiter und war mit unzähligen goldenen Mustern verziert. Es schienen goldene Blumen zu sein.
      Das Kleid hatte keine Ärmel, denn von ihrem Dekolleté schlängelten sich zwei Stränge nach oben und schienen hinter ihrem Hals zu einer Schlaufe gebunden zu sein. Wunderschön. Sie war wunderschön und könnte mir fast den Platz als Prinzessin streitig machen. So kam es mir jedenfalls vor. Noch immer starrte ich die drei an und konnte nicht wirklich glauben, dass das real sein sollte. Das konnte nicht real sein.
      Oder doch? Es fühlte sich jedenfalls alles so real an. Vielleicht lag das aber auch alles nur an dem Sternestaub. Zum ersten Mal konnte ich nicht genau sagen, ob das hier ein Traum oder die Realität war. Eigentlich wollte ich darauf tippen, dass das alles hier real war. Der andere Teil von mir wollte sich nicht trügen lassen und wollte das hier nicht glauben. Dann sah ich aber einen jungen Mann mit stechendblauen Augen hinter Mister Nalton auftauchen.
      Diese Augen. Ich kannte sie. Das war aber das Einzige, was ich an Emrys zu kennen schien, denn seine schwarzen Haare waren weg. Stattdessen leuchteten seine silbernen Haare im Licht der Sonne. Erschrocken keuchte ich auf. Alle Blicke richteten sich auf mich, während ich noch immer nicht wusste, was ich von all dem halten sollte. Emrys schenkte mir einen geheimnisvollen Blick, bevor er Mister Nalton etwas zuflüsterte, der daraufhin nickte.

     »Nimm dir so viel Zeit mit Joker, wie du brauchst.« Emrys lächelte, dann verschwand er. Verwirrt sah ich ihm nach, bis er um eine Ecke bog. So langsam war ich verwirrt. Doch in meinem Traum konnte ich ja schlecht wissen, dass Preston Rivan gesehen hatte. Das konnte ich nicht wissen. Also musste es doch real sein. Irgendwie jedenfalls. Oder?
      In mir herrschten so viele Zweifel, doch ich sah wieder zu Rivan, dessen Blick auf mir lag. Preston bemerkte unsere Blicke und runzelte die Stirn. »Kennt ihr euch?«, fragte Preston. »Nein«, stieß ich mit bebender Stimme aus, im gleichen Moment in dem Rivan mit „Ja", antwortete. Preston hob eine Braue und sah zwischen Rivan und mir hin und her. Doch ich kannte Rivan nicht. Nicht wirklich.
      Ich wusste nicht, wie alt er war. Ich wusste nicht, was er gerne aß. Ob er lieber Orange oder doch Pfirsiche mochte. Oder gar nichts von beiden. Ich wusste nur, dass er ab und an nach Popcorn roch, ab und an hatte er aber auch diesen eigenen Geruch nach Wald und Wind. Ich kannte Rivan nicht. In meinen Träumen war er ein guter Zuhörer, doch hier... Das... was war er dann eigentlich in meinem Traum gewesen?
      Hatte ich nur von ihm geträumt, weil ich ihn unbewusst auf dem Ball bemerkt hatte? »Ich schätze, diese Frage müsst ihr beiden erst mal klären. Ich gehe dabei mal über den Jahrmarkt und tue so, als wäre ich mit dir dort, damit dein Vater keinen Verdacht schöpft«, sagte Preston, drückte meine Schulter und verschwand. Nur am Rande meines Bewusstseins bekam ich diese Geste mit. Noch immer starrte ich den jungen Mann mit den zwei verschiedenen Augen an, die in echt noch viel schöner waren.
      Das schiefe Lächeln auf seinen Lippen war schon lange verblasst. In dem Moment, in dem ich gesagt hatte, dass ich ihn nicht kennen würde. Doch das tat ich nicht. Ich kannte Rivan Nalton nicht. Nicht wirklich jedenfalls. Doch auch er kannte mich nicht. Jedenfalls sollte er mich nicht kennen. »Komm, Ella. Lassen wir die beiden allein«, sagte Mister Nalton und zog seine Tochter sanft weg. Sie winkte mir kurz zu, bevor sie sich bei ihrem Vater einhakte und mit ihm über den Platz lief.
      Unsicher sah ich Rivan an. Er konnte mich nicht kennen. Das war alles nur ein Traum gewesen. Wenn er also sagte, dass er mich kannte, dann war das hier... nur ein Traum, richtig? »Das ist nur ein Traum, nicht wahr? Schon wieder«, stieß ich aus und spürte, wie meine Haut zu prickeln begann. Rivan schüttelte sanft den Kopf und trat auf mich zu. »Nein, Ferran. Ist es nicht. Ich war nie nur ein Traum«, hauchte er.

Star DustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt