Kapitel 6 - Auf Wiedersehen

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Pov Ella Jackson
Weder sie noch ich verloren ein Wort auf der Fahrt nach Hause. Die Stille, die zwischen uns hing, war dicht und unangenehm, aber keiner von uns schien bereit, sie zu durchbrechen. Sie hielt die Augen stur auf die Straße gerichtet, die Hände fest um das Lenkrad geklammert, während ich aus dem Fenster starrte und die vorbeiziehende Stadt an mir vorbeiziehen ließ, als wäre ich nur ein stiller Beobachter meines eigenen Lebens.
Das Einzige, was ich an jenem Tag noch von ihr hörte, war ein kühles „Auf Wiedersehen", als sie den Wagen vor meiner Wohnung anhielt. Es war kaum mehr als ein Flüstern, das im Lärm des Straßenverkehrs beinahe unterging. Bevor ich auch nur einen Schritt in Richtung meiner Haustür machen konnte, trat sie mit quietschenden Reifen aufs Gas und ließ mich alleine auf dem Gehweg zurück. Der fade Geschmack der unausgesprochenen Worte lag noch auf meiner Zunge, während ich ihr Auto in der Ferne verschwinden sah. Es gab so viel, was ich hätte sagen können, aber in diesem Moment erschien Schweigen die einfachere Wahl.

In den darauffolgenden Wochen gingen wir uns konsequent aus dem Weg. Es war, als hätte sich ein unsichtbarer Vorhang zwischen uns gesenkt. Wir ignorierten uns, als wären wir Fremde, die zufällig den gleichen Raum teilten, ohne jemals eine Verbindung zueinander gehabt zu haben. Ich vermied ihren Blick und sie tat dasselbe. Kein flüchtiger Augenkontakt, kein unsicheres Lächeln, keine einzige Frage, gar nichts. Eigentlich waren wir Fremde, wir kannten uns nicht und dennoch fühlten sich ihre Blicke immer so vertraut an.
Mir war das nur recht. Ich wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte und so war das Schweigen fast eine Erleichterung. Es war einfacher, die Distanz zu wahren, als sich der Ungewissheit. Ich hatte das Gefühl, dass ein Gespräch alles nur noch komplizierter machen würde, und darauf war ich nicht vorbereitet. Vielleicht dachte sie dasselbe.
Und so vergingen die Wochen. Jeder Tag fühlte sich an wie ein weiterer Schritt in Richtung Normalität, obwohl ich tief in mir wusste, dass nichts wirklich normal war. Warum hatte sie mich nur geküsst?
Ich war mal wieder viel zu müde, um wirklich produktiv zu sein, aber trotzdem stand ich bereits hinter der Bar und hoffte, dass die Zeit schnell vergehen würde, damit ich mich endlich in mein Bett fallen lassen konnte. Zum Glück war es bislang noch nicht allzu hektisch, sodass ich mir hin und wieder eine kurze Pause gönnen und an die frische Luft gehen konnte. Mein Kopf fühlte sich schwer an, als würde er jeden Moment platzen, und ich sehnte mich nach Ruhe.

Meine Hände arbeiteten fast automatisch, während ich Zitronen in gleichmäßige Scheiben schnitt, die ich später für einige Drinks verwenden würde. Der wiederholte Rhythmus meiner Bewegungen hatte eine beruhigende Wirkung, bis eine Stimme mich aus meiner Konzentration riss.
„Einen Shot Wodka, bitte."
Mein Blick hob sich und traf auf braune Augen, die mir jedes Mal den Verstand raubten. Es war Dr. Mona Black. Sie schaute mich ruhig an und fügte nach einem kurzen Moment hinzu: „Trinken Sie einen mit mir?" Ihre Frage hing für einen Augenblick in der Luft, während ich zögerte, woraufhin sie noch ein leises „Bitte" hinterherschob.
Ich nickte schließlich und griff nach der Wodkaflasche. Die beiden Shots, die ich einschenkte, waren größer als gewöhnlich, aber in diesem Moment schien es egal. Unsere Gläser stießen klirrend zusammen, und ohne zu zögern kippte Dr. Black ihren Shot, als wäre es das Leichteste der Welt. Ich folgte ihrem Beispiel und leerte mein Glas in einem Zug. Wodka pur war nicht unbedingt mein Ding, aber glücklicherweise war es eine hochwertige Marke, sodass der Geschmack erträglich war. Ich hatte damals einfach zu viel von diesem Zeug getrunken, so dass der Geschmack eigentlich fast unerträglich für mich wurde, aber dieses brennen im Hals tat auf eine gute Art und Weise weh.
Noch während ich das leere Glas abstellte, hielt ich die Flasche in die Höhe, um sie zu fragen, ob sie noch einen wollte. Sie nickte knapp und ich schenkte uns die zweite Runde ein. Auch diesmal ließ sie sich nicht lange Zeit und kippte das Glas fast beiläufig. Es war, als wäre der Alkohol für sie nichts weiter als Wasser.
„Ich wollte vorhin das Waschbecken benutzen, aber die Papiertücher waren leer," sagte sie plötzlich. Ihre Stimme klang ruhig, fast beiläufig, aber der Hinweis ließ mich stutzen. Ich war doch erst vor etwa 30 Minuten die Handtücher auffüllen gegangen. Konnte es wirklich sein, dass sie schon wieder leer waren?
„Okay, ich kümmere mich darum," antwortete ich und stellte das Glas ab, bevor ich mich auf den Weg in die Toiletten machte.
Die Handtücher waren natürlich nicht leer und ich schüttelte den Kopf. Was wollte Mona damit jetzt nun erreichen?
Als ich gerade im Begriff war, die Toilette zu verlassen, öffnete sich die Tür plötzlich und Mona trat ein. Mit ihrer Präsenz erfüllte sie sofort den Raum. Die größere von uns beiden drängte mich wortlos in eine der Kabinen, ihre Augen funkelten voller Verlangen und Leidenschaft. Ihr Blick schien alles um uns herum auszublenden, als gäbe es nur uns in diesem Moment.
Mit ihrer tätowierten Hand strich sie sanft meinen Hals hinunter, bis sie an meiner Schulter verharrte. Ich konnte mich nicht rühren, wie gelähmt von der Intensität ihrer Nähe. Ihr Gesicht kam mir näher und ich spürte ihren warmen Atem auf meiner Haut, kurz bevor ihre Lippen meinen Hals berührten. Ein leises Stöhnen entfuhr mir, unkontrolliert und ich konnte nicht anders, als mich dem Moment hinzugeben.

Ihre Lippen wanderten langsam höher, zögernd, fast spielerisch, bis ihre Augen wieder auf meine trafen. Sie schenkte mir ein sanftes Lächeln - ein Lächeln, das mich völlig verrückt machte. Ihre Augen waren glasig, hatte sie geweint? Nein, sie war betrunken. Das wurde mir spätestens klar als ich ihren Atem wahrnahm.
Mein Herz raste, mein Körper brannte. Sekunden vergingen, in denen die Welt stillzustehen schien, bis ich kaum hörbar „Bitte" hauchte. Ich wollte ihre Lippen auf meinen spüren, wollte sie spüren, wie noch nie zuvor.
Keine Sekunde verging, da lagen ihre Lippen endlich auf meinen. Der Kuss war tief, intensiv, voller unausgesprochener Sehnsucht. Das Verlangen in uns beiden war greifbar, pulsierend und wir verloren uns in diesem Moment.
Doch plötzlich schwang die Kabinentür auf, und der magische Augenblick wurde jäh zerstört.

Die Professorin- Das Machtspiel (Überareitete und neue Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt