Kapitel 18 - Winterfield

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Ich ließ mich von meinem Arzt krankschreiben. Es war nicht einmal nötig, so zu tun, als wäre ich krank – ein einziger Blick in mein Gesicht reichte aus, um zu sehen, dass etwas tief in mir zerbrochen war. Jeder, der mich ansah, sah nicht nur Traurigkeit, sondern den Tod selbst in meinen Augen. Es war, als hätte das Leben seine Farben verloren, und ich brachte es einfach nicht fertig, mich zur Uni zu schleppen. Allein der Gedanke, Mona zu begegnen, ließ einen stechenden Schmerz durch meine Brust fahren. Ich war nicht bereit, ihrem Gesicht zu begegnen, nicht jetzt, nicht so.

Stundenlang lag ich auf meinem Bett, unbeweglich, die Augen starr auf die Decke gerichtet. Die Welt um mich herum verblasste, die Zeit verlor jede Bedeutung. Da war nur dieser Kloß in meinem Hals, der sich weigerte, zu verschwinden. Alles schien so sinnlos. Neben mir, auf dem Nachttisch, lagen die Tabletten, die mir der Arzt verschrieben hatte. Unberührt, wie ein stiller Vorwurf. Was sollten sie bewirken? Sie konnten vielleicht meinen Körper beruhigen, aber meine Seele? Die Wunde in mir war viel zu tief, als dass irgendeine Pille das heilen könnte.

Es klopfte leise an meiner Tür, kaum hörbar, als hätte der Besucher Angst, zu laut zu sein. Kurz darauf schob Lisa vorsichtig ihren Kopf durch den schmalen Türspalt und sah mich prüfend an. Ich hob meinen Blick vom Boden und zwang mich zu einem schwachen Lächeln, obwohl mir nicht danach war. Sie betrat den Raum, leise, fast schüchtern, als würde sie meine zerbrechliche Verfassung spüren.

„Hier sind die Unterlagen,“ sagte sie sanft und hielt mir einen Stapel Blätter entgegen. Ihr Blick ruhte kurz auf meinem Gesicht, bevor sie sich wieder abwandte, als wollte sie mich nicht weiter bedrängen. Ich nahm die Papiere mit zitternden Händen entgegen, meine Finger streiften flüchtig das raue Papier. Kurz überflog ich die Notizen, ohne wirklich etwas zu erfassen, und nickte ihr mechanisch zu. „Danke, Lisa,“ murmelte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

Es folgte eine Stille, in der ich dachte, dass sie gleich gehen würde. Doch stattdessen blieb sie stehen, unsicher, und ihre Augen wanderten durch den Raum, als würde sie nach den richtigen Worten suchen. Schließlich räusperte sie sich. „Wir haben eine neue Professorin,“ begann sie, und ihre Stimme bekam plötzlich einen anderen Ton, als wäre sie sich nicht sicher, ob sie das wirklich sagen sollte. Ich runzelte die Stirn, hob den Kopf und sah sie an, während sie fortfuhr: „Sie unterrichtet zusammen mit Dr. Black.“

Mein Herzschlag beschleunigte sich leicht. „Noch eine Professorin?“, fragte ich mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Warum brauchen wir plötzlich Verstärkung?“ Meine Neugier war geweckt, doch zugleich spürte ich eine leichte Unruhe in mir aufsteigen. Es war ungewöhnlich, dass eine neue Professorin so plötzlich auftauchte.

Lisa zögerte einen Moment, als würde sie abwägen, ob sie mir die Wahrheit sagen sollte. Sie wich meinem Blick aus und starrte auf den Boden, bevor sie endlich weitersprach. „Sie heißt Winterfield“ sagte sie schließlich.

„Winterfield?“, wiederholte ich fast tonlos, die aufsteigende Panik unterdrückend. „Mona...?“ Ich konnte den Satz nicht beenden. Mein Mund war plötzlich trocken, und ich spürte, wie mein Puls in meinen Ohren hämmerte.

Lisa sah mich mitfühlend an, als wüsste sie genau, was in mir vorging. „Sie scheinen gute Freunde zu sein." sagte sie schließlich, fast flüsternd, als wollte sie mich nicht noch mehr verletzen, als ich es ohnehin schon war.

Lisa zögerte einen Moment, bevor sie weitersprach, ihre Stimme jetzt leise und vorsichtig, als wollte sie mich nicht noch weiter belasten. „Sie wird bei den mündlichen Prüfungen dabei sein,“ erklärte sie und ihre Worte trafen mich wie ein Schlag. „Deshalb sitzt sie auch in den Vorlesungen.“

Ich senkte meinen Blick und spürte, wie mein Magen sich zusammenzog. Ein schwerer Kloß formte sich in meinem Hals, und es fühlte sich an, als würde die Luft um mich herum dünner werden. Alles, was vorhin noch diffus und unklar gewesen war, schien sich plötzlich zu verdichten und die Wände des Zimmers schoben sich enger um mich zusammen. Wie sollte ich in ihrer Anwesenheit noch einen klaren Gedanken fassen? Beide zusammen in einem Raum, Tag für Tag, direkt vor mir. Es war eine Realität, der ich mich nicht entziehen konnte, egal wie sehr ich es versuchte. Ob sie Monas Frau ist?

Die Professorin- Das Machtspiel (Überareitete und neue Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt