Kapitel 20 - Die Vergangenheit

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* TW Sexuelle Übergriffe/ Gewalt

Pov Dr. Mona Black

Ich stand vor dem Vorlesungssaal, die Reihen dicht besetzt und doch fühlte ich mich, als wäre ich allein in diesem Raum. Meine Stimme sprach mechanisch die Worte aus, die im Skript vor mir standen, aber mein Geist war anderswo. Alles um mich herum wirkte wie in Watte gehüllt, gedämpft, fern. Die Stifte, die über das Papier kratzten, das leise Klicken der Tastaturen, das gelegentliche Räuspern eines Studenten - all das drang kaum zu mir durch. Es war Routine. Und doch war heute nichts wie sonst.

Ich ließ meinen Blick schweifen, suchte unbewusst nach einem Fixpunkt, einem Anker in diesem Treiben. Dann sah ich sie. Ella.

Sobald meine Augen auf ihr Gesicht trafen, spürte ich, wie sich mein Magen verkrampfte. Da saß sie, so nah und doch unerreichbar. Ihr Ausdruck war verschlossen, fast kalt, wie eine Mauer, die ich nicht durchdringen konnte. Es war, als würde sie durch mich hindurchsehen, nach etwas suchen, das ich nicht zeigen konnte - oder wollte. Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich ihren durchdringenden Blick erwiderte. Was dachte sie in diesem Moment? Hatte sie die Mappe schon gelesen? Wusste sie jetzt alles?

Meine Hände verkrampften sich um die Ränder des Pultes, meine Finger wurden feucht vor Schweiß. Ich konnte die Mappe in meinen Gedanken sehen, wie sie schwer und bedrohlich auf ihrem Schoß lag. Jede Seite ein Abgrund, den ich ihr offenbart hatte. Ein Teil von mir bereute es jetzt, ihr das gegeben zu haben. Hatte ich sie überfordert? Zu viel von ihr verlangt? Aber was hätte ich sonst tun sollen? Wie sollte sie sonst verstehen, was ich durchgemacht hatte? Worte hätten nicht gereicht. Nie hätten sie ausgereicht, um das zu beschreiben, was ich erlebt hatte - den Schmerz, die Angst, die endlose Dunkelheit, in der ich so lange gefangen war.

Die Sekunden dehnten sich, während ich Ella ansah und in meinem Inneren braute sich ein Sturm zusammen. Ich wusste, dass sie mich für meine Distanziertheit hasste, für die Art, wie ich sie immer wieder weggestoßen hatte. Aber sie konnte nicht verstehen, warum. Sie konnte nicht wissen, dass es mein einziger Schutz war. Die Kontrolle, die ich verzweifelt aufrechterhielt, war meine letzte Bastion gegen die Welt. Wenn ich diese Kontrolle verlor, würde ich wieder verletzlich werden - und ich konnte mir nicht erlauben, noch einmal verletzt zu werden. Nicht nach allem, was passiert war.

Ein leises Lachen irgendwo aus den hinteren Reihen riss mich aus meinen Gedanken. Doch als ich mich kurz zu der Quelle des Geräuschs umdrehte, kehrten meine Augen unweigerlich zu Ella zurück. Sie sah mich noch immer an, unverändert, ihr Gesicht war eine Maske, hinter der ich keine Regung erkennen konnte. Der Druck in meiner Brust wurde unerträglich. Wie viel hatte sie gelesen? War sie schon bei den schlimmsten Seiten angekommen? Die Seiten, die ich selbst kaum ertragen konnte? Die Berichte über meine Misshandlungen, die endlosen Verhöre, die medizinischen Gutachten? Ich konnte es mir nicht vorstellen, dass sie das alles schon verdaut hatte. Und wenn doch, wie sollte sie danach noch mit mir reden können?

Die Zeit zog sich wie zäher Sirup und als die Vorlesung endlich vorbei war, fühlte es sich an, als hätte ich Stunden durch einen dichten Nebel hindurch manövriert. Jeder Atemzug war schwer, meine Gedanken wirr, und meine Hände zitterten leicht, als ich begann, meine Unterlagen zusammenzupacken. Langsamer als sonst, viel langsamer. Ein Teil von mir wollte einfach nur Zeit schinden, in der absurden Hoffnung, dass Ella zu mir kommen würde. Dass sie aufstehen, zu mir gehen und etwas sagen würde. Etwas. Egal was.

Aber als ich schließlich aufblickte, war der Saal leer. Die Stühle standen still und verlassen da, als wären sie Zeugen einer Tragödie, die niemand mitbekommen hatte. Der dumpfe Schmerz in meiner Brust breitete sich weiter aus. Die Stille im Raum fühlte sich plötzlich ohrenbetäubend an, und ich realisierte, dass ich auf den Moment gewartet hatte, der nun nicht kommen würde.

Die Professorin- Das Machtspiel (Überareitete und neue Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt