Kapitel 35 ab
50 Votes und Kommentaren 🩵Alexandro
Rückblick
Auch wenn Rauchen schädlich ist, ist es das Einzige, was mich in Momenten wie diesem beruhigt. Der erste Zug, das sanfte Knistern der Zigarette – es zwingt mich, mich nur auf den Rauch zu konzentrieren. Alles andere verblasst, wird bedeutungslos. Der Rauch zieht durch meine Lungen, füllt die Leere in mir, und für einen kurzen Moment finde ich wieder Halt, eine Art Balance inmitten des Chaos.
Früher hat es mich von allem abgelenkt – von den Dingen, die ich nicht ertragen konnte, von den Gedanken, die mich quälten. Der Rauch, die Ordnung darin, hat mir Struktur gegeben, wo sonst nur Unruhe herrschte.
Hört sich das absurd an? Für manche vielleicht. Aber für mich? Für mich nicht. Es ist mein kleiner, geheimer Moment der Kontrolle in einer Welt, die sich oft wie ein Strudel aus Zerstörung anfühlt.
Meine Mutter hat mich heute angerufen, und wie so oft, bestand sie darauf, dass ich sie in Lille besuchen soll, meiner Heimatstadt. Sie klingt besorgt, fast flehend. Sie war schon immer übervorsichtig, eine Mutter, die nie wirklich loslassen kann, immer bemüht, unseren Kontakt lebendig und aktiv zu halten. Das letzte Mal, dass ich sie in Person gesehen habe, war an meiner Hochzeit.
Auch wenn mein Terminkalender voll ist und das Leben mich in alle möglichen Richtungen testet, spricht eigentlich nichts dagegen, sie zu besuchen. Aber es geht nicht nur um einen kurzen Besuch.
Meine Mutter will ein Familientreffen. Sie, ich – und Evelyn.
Meine Zwillingsschwester.
Auch wenn sie bei meiner Hochzeit war und wir gemeinsam unseren letzten Geburtstag gefeiert haben, ist unsere Geschwisterbeziehung alles andere als intakt. Da liegt eine Kluft zwischen uns, tief und unausgesprochen.
Und das hat seine Gründe. Man könnte sagen, es liegt daran, dass Evelyn der Auslöser für eine der schlimmsten Phasen meines Lebens war. Ein Kapitel, das ich bis heute versuche zu vergessen: das Gefängnis.
Auch wenn... Meine Gedanken werden jäh unterbrochen. Ein Geräusch – metallisch, dumpf, wie Besteck, das zu Boden fällt. Sofort wird meine Aufmerksamkeit scharf, wachsam. Jede Faser meines Körpers spannt sich an, instinktiv. Ohne zu zögern, drücke ich die Zigarette im Aschenbecher aus und bewege mich mit rascher Entschlossenheit in die Richtung, aus der das Geräusch kam.
Meine Schritte hallen durch den langen Flur, schnell, aber kontrolliert. Die Luft scheint plötzlich schwer, geladen mit einem unausgesprochenen Gefühl von Gefahr. Als ich rechts abbiege, wo sich die Küche befindet, verlangsamen sich meine Schritte. Meine Sinne sind jetzt messerscharf, jeder Atemzug tief und ruhig, während ich die Umgebung mit einer nahezu animalischen Wachsamkeit wahrnehme.
Etwas stimmt nicht.
Ich gehe weiter und betrete die Küche. Violas Augen blicken mir entgegen, das Erste, was ich in dieser dunklen Nacht wahrnehme. Das Mondlicht strömt durch das Fenster und umhüllt sie in einem gespenstischen Schein, aber in ihren Augen ist nichts als Leere. Ihr Blick ist eine kalte Klinge, die durch die Dunkelheit sticht, und statt der erwarteten Fröhlichkeit sehe ich etwas viel Gefährlicheres – einen Ausdruck, als wäre sie bereit, mich umzubringen.
Wut. Nur Wut. Es brodelt in ihr, und es ist nicht zu leugnen. Vor ihr liegt das Chaos: Teller und Besteck, zerbrochen und verstreut auf dem Boden, als hätte sie einen Krieg gegen die Welt erklärt. Das Klirren des Porzellans und das Metall, das auf die Fliesen prallt, sind nur schwache Echo von dem Sturm, der in ihr tobt.

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𝐊𝐢𝐬𝐬 𝐦𝐞 𝐬𝐥𝐨𝐰𝐥𝐲
Romance𝐀 𝐌𝐚𝐟𝐢𝐚 𝐬𝐭𝐨𝐫𝐲 | 𝐄𝐧𝐞𝐦𝐢𝐞𝐬 𝐭𝐨 𝐥𝐨𝐯𝐞𝐫𝐬 | 𝐃𝐚𝐫𝐤 𝐫𝐨𝐦𝐚𝐧𝐜𝐞 𝐁𝐀𝐍𝐃 𝟏 Start: 3.04.23 𝐸𝑠 ℎ𝑎𝑛𝑑𝑒𝑙𝑡 𝑠𝑖𝑐ℎ 𝑢𝑚 𝑒𝑖𝑛 𝑆𝑝𝑖𝑒𝑙, 𝑑𝑎𝑠 𝑛𝑢𝑟 𝑒𝑖𝑛𝑒𝑟 𝑔𝑒𝑤𝑖𝑛𝑛𝑒𝑛 𝑘𝑎𝑛𝑛, 𝑧𝑤𝑒𝑖 𝑆𝑒𝑒𝑙𝑒𝑛 𝑑𝑖𝑒 𝑓𝑢...