Ein Sturm kommt auf und es wird Nacht

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Sicht: Christoph

Gemeinsam mit Oliver und Paul mache ich mich auf den Weg zu den Zelten, um Richard zu stoppen und wegzulaufen. Schon einmal ist er abgehauen, danach haben wir ihn für mindestens ein paar Monate nicht mehr zu Gesicht bekommen. Nur durch eine Menge Glück hatte Christian draußen irgendwo gefunden, etwas weiter weg von Berlin. Sorge durchzieht meinen Körper, so nehme ich Olivers Hand, welcher meine dann auch leicht drückt, mit der Absicht mich zu beruhigen. Tatsächlich funktioniert das sehr gut, weshalb ich mich mehr auf das Hier und Jetzt konzentrieren kann. Eifrig geht Paul zu dem Zelt, welches er sich mit Richard teilt, macht den Reißverschluss schnell, aber elegant auf. Wir sehen neugierig in das viel zu warme Zelt hinein und bleiben erschrocken an Ort und Stelle stehen, keiner sagt irgendetwas. Das Zelt ist leer, verwüstet und einige Sachen fehlen. Die Besorgnis kann mindestens jetzt sehr klar aus dem Gesicht gelesen werden. Er ist weg. Rucksack gepackt, Wanderschuhe montiert und einfach los. Noch eine längere Zeit verharren wir in unserer Position.

"Verdammt! Was machen wir denn jetzt?!" flucht Paul, tritt gegen die Zeltstange, die bedrohlich anfängt zu wackeln. Wenn sie vorher nicht schon verbogen war, dann ist sie es spätestens jetzt. "Okay, halt mal inne, Paul. Wir müssen jetzt ruhig bleiben und erst einmal überlegen, wo er hingehen könnte, bevor wir alles überstürzen. Wir reden mit Till und Flake, dann sehen wir weiter." versuche ich ihn zu beruhigen, doch er will mir einfach widersprechen. "Wir haben keine Zeit! Wir finden ihn so nie und wenn dann sicher nu-" "Stopp!" Leicht überrascht blicke ich zu meinem Liebhaber, der zum ersten Mal so richtig seine Stimme gegen einen von uns erhebt. Paul verdreht einfach die Augen, begibt sich dann wieder zurück, so wie wir.

An der Feuerstelle sehen wir die beiden, nur hat Till eine noch rötere Wange und einen blauen Fleck auf der Nase. Er scheint allem Anschein nach begriffen zu haben, dass das, was er gesagt hat, völlig falsch war, denn auf seinem Gesicht zeichnet sich leichte Schuld ab. "Jungs, wir waren zu spät, er ist weg." Till ist der Erste, der ungläubig zu mir sieht, doch ich nicke einfach, um ihm zu versichern, dass es stimmt. "Wir müssen ihn suchen" "Till, das geht nicht so einfach", gibt Flake direkt zurück, welcher sich leicht an ihn ankuschelt. Wir alle setzen uns in einen Kreis, jeder überlegt für sich, was wir jetzt tun sollten. "Okay, heute Abend sollte es ziemlich stark stürmen und er hat wahrscheinlich kein Essen dabei. Er ist nicht heruntergegangen, denn das hätten wir bestimmt gemerkt, da es nur einen richtigen Weg nach unten gibt, ohne dass man irgendwo herunterfällt." Das sind also unsere wesentlichen Punkte, die Christian gerade schön aufgezählt hat. "Wegen des Sturms müssen wir die Zelte abbauen?", frage ich besorgt. "Nein, die halten das gut aus, aber vielleicht alles packen und in dem Wagen, den wir hier oben haben, schlafen. Haben ja genug Platz, da es so ein kleiner Van ist." Wir nicken, dann wieder stille. Wo könnte er nur sein? Das war mein Hauptgedanke, der sich immer und immer wieder wiederholte, ohne Halt oder Pause. Es macht mich fast schon wahnsinnig. "Leute, ich habe vielleicht eine Idee, wo er hin ist.", murmelt Oliver, dann sehen alle erwartungsvoll zu ihm, die Augen groß. "Weiter von den Zelten weg gibt es einen Weg weiter hoch zu dem Berg. Auf der anderen Seite kann man wieder runter und kommt irgendwann an eine Straße und weiter zu einem Dorf. Weiß ich von der Karte, die ich studiert habe..." Er bräuchte Ewigkeiten, bis er da ist, und das Unwetter könnte ihn schwerverletzen. Würde er denn so weit gehen?

"Kann das denn wirklich der einzige Weg sein, um abzuhauen?" hakt Paul nach, doch mir kommt eine Theorie in den Sinn. "Was, wenn er denkt, dass wir ihn dort nicht suchen würden, weil es zu unwahrscheinlich ist, dass er so etwas durchzieht?" "Das ist gut, ja. Also, ich würde sagen, die, die am meisten bereit und fit sind, sollen ihn suchen. Vergesst nicht das Unwetter. Ich will nicht, dass einer von denen, die ihn suchen gehen, dann auch noch verletzt sind." Meint Flake. Dann kommt es wohl nun zu der Entscheidung, wen wir auf die andere Seite schicken und wen auf den Weg von Richard. "Jeder, der denkt, er kann da hoch bei Wind, Regen und vielleicht mehr, soll seine Hand heben." Erst meldet sich niemand, alle sind leicht abgeschreckt von der Idee, doch Ich habe meine Hand, gemeinsam mit Paul. "Noch wer?" Flake blickt in die Runde, aber die anderen scheinen nicht davon überzeugt zu sein, eine Wanderung noch anzugehen. "Gut, ihr packt das Wichtigste und wir machen uns dann auf den Weg zu der anderen Seite. Dort suchen wir vielleicht ein Gasthaus oder so etwas. Für den Fall der Fälle." Gesagt, getan. Alle stehen auf, Paul und ich gehen zu den Zelten. "Meine Güte, ich bin schon sehr nervös. Bei einem Gewitter oder so im Wald zu sein ist nicht die allerbeste Idee, oder?" Paul sieht beim Packen zu mir. Da wir beide Zelte offen haben, sehen wir uns gegenseitig. "Ja, du hast recht. Aber wir müssen ihn echt finden. Er zieht das sonst wirklich durch."

Das Gespräch endet auch an der Stelle, da wir uns beide sehr auf das Packen konzentrieren, damit wir auch wirklich alles bei uns haben, das wir brauchen. Meinen Rucksack versuche ich so leicht wie möglich zu behalten, damit ich da auch wirklich hochkomme. Irgendwie erinnre mich auch das Ganze an Übungen in der Bundeswehr, wo wir ebenfalls Kilometer weit gewandert sind, egal wie sehr es gestürmt hatte. Damals fand ich die Übungen echt schrecklich, doch nach einer Zeit fand ich sie echt nützlich und irgendwie noch toll. Ich werde vielleicht nachher noch Paul beim Packen helfen, nicht dass er einen viel zu schweren Rucksack mit hat und dann nach einer Stunde nicht mehr kann. Was ich auch sehr hoffe, ist, dass Richard wirklich da hoch ist, denn ansonsten war die Aktion für die Katz und wir werden ihn dann wirklich verlieren. Die Vorstellung tut irgendwie weh.

Sicht: Oliver

Ich mache gerade den Wagen fertig, während Till das Essen für die beiden Jungs fertig macht. Es bereitet mir Sorge, dass Christoph da hochgeht, es macht mir Angst. Was ist, wenn ihm etwas widerfährt? Ich will es mir nicht ausmalen. Seufzend belade ich den Wagen weiter mit Sachen aus den Zelten, damit diese leer sind, lege dann dort Steine rein, für den Fall, dass die Zelt-Heringe im Boden nicht halten. Ich will wirklich nicht nach dem Sturm ein Zelt einsammeln gehen, das wäre einfach nur mühsam. Flake hilft mir dabei auch, kontrolliert, ob alle Zelt-Heringe gut im Boden verankert sind und halten. Grundlegend sollte alles halten, denn ich hatte schon einmal gezeltet im Sturm, auch wenn nicht freiwillig. Auch wenn es nur Regen und Wind war, war es schrecklich und freiwillig will ich das nicht mehr tun. Ich nehme also die letzten Sachen in das Auto. Die anderen steigen ein, gurten sich an, während ich dann losfahre. Einen Blick in den Himmel verrät mir, dass das Gewitter jeden Moment beginnen könnte, denn der Himmel wird immer dunkler, sowie grauer.

Mein Griff um den Lenker verstärkt sich, meine Anspannung steigt immer mehr. Ich versuche mich krampfhaft auf die Straße zu fokussieren, was aber fast zu einem Unfall führt, da ich so sehr zusammen zucke. Blitz. 1...2...3...4...5...6...7...8...9...10...11 . Donner. Gedanklich versuche ich die Entfernung von dem Gewitter auszurechnen, was sich als nicht ganz so einfach herausstellt. Mein Ergebnis liegt dann bei etwa 3,6 Kilometern. Das ist nicht mehr allzu weit weg...

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Und schon das nächste Kapitel. Noch nie habe ich so flüssig durchgeschrieben.

Wörter 1300

Noch einen tollen Abend/ Tag, Tschüssi :>


Und die Vögel singen nicht mehr...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt