Warmer Körper ist bald kalt

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Sicht: Till

Langsam setze ich mich auf einen der sechs Holzstühle, welche schon ein wenig älter ansehen und sich beim Setzen auch so anhören. Grundlegend ist vieles in diesem Haus älter. Vom Geschirr, bis hin zu der Küche, welche schwarze sowie weiße Kacheln auf dem Boden hat. Es erinnert mich an früher, als ich als Kind mit meinen Geschwistern Schach auf dem Boden spielte. Die Figuren hatten wir alle selber geschnitzt, wobei einige sehr abstrakt aussahen, andere wiederum wunderschön. An die Erinnerung seufze ich leicht, lehne mich dann zurück. Der Stuhl gibt ein bedrohlich lautes Knacken von sich. Nach einiger Zeit gesellen sich meine Freunde und das Paar an den Tisch, wo wir nacheinander Essen ausgeschöpft bekommen. Bedankend fange ich mit dem Essen dann an, als alle etwas auf dem Teller hatten. Als ich die Mahlzeit zu mir nehme, schweifen meine Gedanken zu den anderen drei ab, die gerade eine Jagd miteinander führen. Das auch mitten in einem aufkommenden Unwetter. Schnell schüttle ich die Gedanken ab, konzentriere mich mehr auf die Nudeln, welche in meinem Teller liegen.

Sicht: Paul

Der Wind pfeift leise vor sich hin, bringt selbst meine kurzen Haare durcheinander, was mich ein wenig verwundert. Bei Christoph sieht dies aber auch nicht anders aus. Seine Haare stehen schon fast von allen Seiten ab. Am liebsten hätte ich gelacht, doch es scheint mir im Moment nicht angemessen, das zu tun, so verharrt mein ernstes Gesicht weiterhin. Beim Aufstieg merke ich schon, dass es immer kälter und kälter zu werden scheint. Es verwundert mich nicht, da wir auch zügig immer höher wandern.

"Hey, können wir bitte kurz anhalten? Ich will mir meinen Pullover anziehen, es wird frisch hier oben." Murmle ich leise, will nicht zugeben, dass mir jetzt schon kalt ist, doch Christoph nickt einfach nur mit einem verstehenden Blick. "Na klar können wir das machen, mir ist auch ein wenig kalt, wenn ich ehrlich bin." So war es nun beschlossen. Wir beide bleiben stehen, ziehen uns dann folglich schnell um. Schon jetzt bemerke ich, wie mein Körper wieder ein wenig wärmer wird. Auch das Zittern lässt nach. "So ist das schon viel besser, nicht, Doom?" "Sowas von. Hättest du nichts gesagt, so hätte ich gefragt, ob wir kurz stehen bleiben könnten." Ich nicke lächelnd, froh darüber, dass es nicht nur mir so erging. Geschickt ziehe ich mir die grüne Regenjacke wieder über, was mir Christoph sogleich nachmacht. Seine Jacke ist orange, hat ein paar Stellen, an welchen sie gelb ist. Zwar nicht meine liebsten Farben, aber auf das kommt es am Schluss nicht an. Hauptsache, sie gibt ein wenig warm und das Wasser bleibt fern vom Leibe.

Nach diesem kurzen Zwischenstopp, sowie ein wenig Wasser, geht die Reise weiter. Der Weg flacht ein wenig ab, worum ich auch ziemlich froh bin. Die ganze Zeit nach oben zu laufen ist nun auch nicht wirklich einfach und ich mag es auch nicht wirklich. Viele Menschen scheinen dies nicht zu mögen, zumindest sagen das viele in meinem Umfeld. Wie auch immer. Der Weg, der sich vor und erstreckt, ist aus Kies, links von uns geht es ein gutes Stück weit runter. Die Bäume wachsen hoch hinaus, bilden ein dichtes Blätterdach, das uns vor dem Regen ein wenig schützt. Das Dach des Waldes, denke ich mir, muss dann leicht auf kichern. Doom sieht mich erst kurz fragend an, doch zuckt einfach mit den Schulter, bevor er den Weg weitergeht. Mittlerweile sind sich die Jungs es schon gewohnt, das ich hin und wieder durch meine eigenen Gedanken kichern muss, so blöd es sich auch anhören muss. "Wird der Regen etwa noch stärker oder der Wind?", frage ich, um einfach wieder ein Gespräch zu eröffnen, denn die Stille macht mich ein wenig fertig, wenn ich ehrlich bin. "Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit schon. Na ja, das hat auf jedenfalls der Wetterbericht gesagt, ob es stimmt, ist so eine andere Sache. Auch wenn ich schwer hoffe, dass es gleich schon vorbei ist." Genau dann, als er zu Ende sprach, hörten wir den grollenden Donner, welcher einen bis ins Mark einfuhr. Es fühlte sich in diesem Moment an, als würde uns die Natur warnen wollen. Wir sollen doch umkehren, oder es steht uns das Unheil bevor.

Etwas ängstlich nehme ich dann Christophs Hand, übe auf diesen leichten Druck aus. Er scheint meine Angst zu bemerken und gibt leichten Gegendruck ab. "Hey, das wird schon, ja? Wir sind ja schon groß und stark...naja...du eher klein und super stark", meint er dann zu mir, stupst mich mit dem Ellenbogen an. Es scheint meine Angst für den Moment zu lindern, bevor sie dann kurz später zurück ist. Allerlei schlechte Gedanken durchkreuzen meinen Kopf, bringen mir fast schon Kopfschmerzen. Warum musste das denn nur passieren? Ich wollte doch nur einen schönen Urlaub mit meinen allerbesten Freunden...

Sicht: Richard

Nass. Genau das spüre ich schon an den Füßen, wobei man nicht einmal etwas als nass fühlen kann. Viel mehr sagt die Flüssigkeit, sowie die Temperatur das aus, was wir als nass betiteln. Trotz allem ist es einfach nur ekelhaft, denn es kühlt meinen Körper völlig schnell runter. Ich zittere, will mich am liebsten einfach wieder zurückbegeben, aber ich kann nicht, dafür bin ich zu weit weg. Suchen mich die anderen denn überhaupt? Ich glaube nicht daran, dafür bin ich nicht genug wert. Einer unter Milliarden Menschen, der irgendwann an sein Ende kommt. Vielleicht ist das ja schon heute oder doch schon morgen. Niemand weiß das, außer der Natur vielleicht oder einem höheren Wesen. Angst davor habe ich aber nicht. Nein, absolut nicht, denn es könnte schlimmer sein als das Ende. Konstante Schmerzen wären schlimmer.

Seufzend kuschle ich mich mehr in die Jacke, die mir kaum mehr Wärme spendet. Der Kies unter meinen Füßen knirscht leise, untermalt meine Schritte in einem wunderbaren Klang. Ein wenig ärgere ich mich, dass ich keine Kopfhörer bei mir habe, denn Musik ist das, was ich in solch einem Moment brauche. Wenn ich schon sterbe, dann mit Musik und nicht einsam und im Stillen, denke ich mir, woraufhin ein schwerer Seufzer folgt. Ich streiche mir sanft die Haare zurück, da einzelne Strähnen in mein Gesicht fallen, mir leicht die Sicht versperren oder mich einfach stören. Dabei merke ich, wie nass sie doch schon sind, selbst wenn es nicht ganz so stark regnet. Es wird auch von Minute zu Minute schlimmer, so verwundert mich die Nässe kaum. Meine Hände stecke ich wieder in die Jackentasche, nachdem meine Haare erfolgreich aus dem Gesicht gestrichen worden sind.

Während ich weiter schreite, fühle ich mich immer mehr elendig. Mein Rucksack wirkt so schwer auf meinem Rücken, die Füße schwer zu heben und die Jacke bald schon tropfnass. Meine Finger werden immer kühler, meine Zehen langsam aber sicher taub. Na ja, bis jetzt kribbeln sie noch, aber für wie lange ist eine andere Sache. Bald wird mich der Schmerz durchfluten. Die beißende Kälte wird sich an Füßen und Händen festkrallen, sich dann immer weiter vorarbeiten bis hin zu meinem Oberkörper. Wenn ich ganz viel Pech habe, dann wird mir ganz am Schluss stark wahr, was so viel bedeutet, wie, dass mein Körper seine letzte Energie zum Wärmen braucht. Stark hoffe ich, dass dieser Moment nie eintreffen wird. Es wäre schrecklicher als alles, was mir bisher widerfahren ist. Noch besser wird es, wenn die Medien über mich schreiben. Ganz groß und in dicken Buchstaben: "Rammstein Gitarrist Richard Z. Kruspe erfror alleine in einem Wald. Was war geschehen?" Ich konnte die Schlagzeile schon sehen, konnte schon spüren, wie viele Leute sich Gedanken über den Vorfall machen. Die Leute würden vielleicht ein paar Wochen darüber reden, dann wäre alles vorbei. Die Trauer verflogen, sowie allerlei Interesse an mir oder meiner Geschichte. Ich wäre nur noch ein Teil der Vergangenheit, die auch schon sehr bald verblasst, so wie immer.

Erschöpft nehme ich den Rucksack ab, stelle ihn wieder hin und trinke einen Schluck aus der Flasche, denn mehr konnte ich mir nicht erlauben zu trinken. Es würde nicht ausreichen. Niemals. Etwas frustriert packe ich die rote Metallflasche wieder ein, schließe dann den Rucksack erneut. Lustigerweise habe ich ein Paar Socken in diesem, doch sie zu wechseln würde mir absolut rein gar nichts bringen, denn nach wenigen Minuten sind diese wieder komplett durchnässt, als wäre man mit ihnen duschen gegangen. In der Ferne sehe ich einen Blitz einschlagen, hoffe, dass es mich auch treffen würde, damit alles vorbei ist. Einfach nur vorbei. Mich dem Tod einfach hingeben und dieses ewige Katz und Maus Spiel beenden, nach so vielen Jahren...

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1405 Wörter

Allen noch einen tollen/ Schönen Abend, Tschüssi :)

Und die Vögel singen nicht mehr...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt