Nach diesem Notfall ist mir nicht nach Feiern zu Mute. Ich lasse mein Bierglas stehen, obwohl gerade einmal ein Schluck fehlt, und verabschiede mich. Patrizia hingegen, lässt sich wieder am Tisch nieder. Als ich mich von der Gruppe entferne, setzt irgendwann die Musik der Blaskapelle ein. Offenbar wird die Feier doch fortgesetzt, für mich ist sie jedoch zu Ende, bevor sie wirklich angefangen hat. Während ich mir den Weg durch die Menge bahne, spüre ich die Blicke der Gäste.
Manche sprechen mich an, raunen mir ein »Gut gemacht«, zu. Es ist mir unangenehm, immerhin habe ich nur meinen Job gemacht. Ich nickte nur stumm, lächle und gehe dann weiter. Für den Moment bin ich einfach leer. Ich denke nichts, ich fühle nichts. Wie ferngesteuert gehe ich weiter. Nach einer solchen Situation befinde ich mich meistens in diesem Schwebezustand der Gefühllosigkeit. Und dann brauche ich einen Moment der Ruhe, um mich wieder zu sammeln, denn in den vergangenen Minuten habe ich nur noch funktioniert. Man investiert in diesem Moment all seine Kraft und Wissen und wenn es überstanden ist, fühlt es sich an als wäre man all seiner Energie beraubt worden. Als wäre man ausgesaugt worden.
Ich blicke noch über meine Schulter, zu den Leuten die mir zuvor ihr Lob ausgesprochen haben, dann spüre ich, wie ich gegen jemanden laufe und drehe mich schlagartig um.
»Entschuldigung, das war keine Absicht!« Versichere ich der Person, die größer ist, als ich.
Ich blicke auf und stelle fest, dass diese Person kein Unbekannter ist. Es ist Benedikt, der mich nun von oben bis unten mustert.
Er schüttelt seine Hand und kleine Tropfen Wirbeln durch die Luft. Offensichtlich hat er wegen meinem Rempler etwas von seinem Bier verschüttet.
»Es tut mir leid!« Sage ich noch einmal und versuche, seinem Blick auszuweichen. Für den Moment habe ich keine Lust auf Unterhaltungen, egal mit wem.
Er scheint es zu bemerken und hüllt sich zunächst in Schweigen. Ich möchte meinen Weg fortsetzen, doch er schiebt sich mir in den Weg.
»Also dafür schuldest du mir jetzt eigentlich einen kleinen Ausgleich!«
Offenbar will er mich nicht einfach so ziehen lassen und ich blicke fragend zu ihm auf.
»Na, ein Ausgleich für das verschüttete Bier«, deutet er auf sein Glas, dass noch immer tropft.
»Achso, was möchtest du haben?«
»Ich nehme einen Obstler und du auch!« Bestimmt er und schenkt mir zum ersten Mal, seitdem wir uns das erste Mal begegnet sind ein Lächeln. Es wirkt einnehmend, warm und herzlich. Auf seiner Wange bilden sich Grübchen und seine Augen blitzen spitzbübisch auf.
Ich sehe ihn verwirrt an, will gerade abwinken, als er wieder das Wort ergreift.
»Und denk nicht einmal daran nein zu sagen!«
Ich ziehe los und gehe zum Getränkestand, um den gewünschten Obstler zu besorgen. Mit zwei randvollen Gläsern kehre ich zu Benedikt zurück, der mich von oben bis unten mustert.
Er nimmt sein Glas entgegen und hebt es zum Prosten an.
»Wohlsein!« Sagt er in meine Richtung und leert es in einem Zug.
Ich trinke den klaren Schnaps nicht ganz so schnell, denn meistens vertrage ich so etwas gar nicht. Die klare Flüssigkeit brennt in meinem Hals und ich spüre eine wärmende Spur bis in meinen Magen hinein. Die Hitze steigt mir mit jedem weiteren Schluck mehr und mehr ins Gesicht und ich kann es kaum erwarten, bis das Glas endlich leer ist.
Der letzte Schluck fällt mir schon schwerer, aber ich halte tapfer durch und leere das Glas, dass ich anschließend auf dem Tisch, an dem wir stehen, abstelle.

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Stadt Land Liebe
RomanceUm ihr Medizinstudium zu finanzieren, hat sich Sophie als Landärztin verpflichtet. Als es an der Zeit, ihren Teil des Vertrages zu erfüllen, verschlägt es sie von Köln in das kleine verschlafene Städtchen Niederelgbach im Allgäu. Inmitten dieser tra...