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Der einsetzende Herbst zeigt sich nicht gerade von seiner besten Seite. Als ich die Praxis verlasse und die Tür hinter mir abschließe, regnet es wieder in Strömen und auf dem Boden haben sich bereits große Pfützen gebildet, die zwischen dem Kopfsteinpflaster wie kleine Seen wirken. Die Straßenlaternen, die ihren warmen Schein in den Abend schicken, spiegeln sich darin und bringen den Boden zum Funkeln. Mein Blick schweift durch die Gegend und erkundet die Atmosphäre, die sich mir bietet. In manchen der Fachwerkhäuser, die den Platz vor der Praxis umrahmen, brennt Licht. Aus den Schornsteinen steigt weißer Rauch in die klare Abendluft und es riecht nach einer Mischung aus Regen und Rauch. Der Herbst scheint nun endgültig angekommen zu sein und der erdig, rauchige frische Duft hüllt mich mit einer Gemütlichkeit ein, die mich mit einer tiefen Zufriedenheit erfüllt.

Ich bemerke selbst, wie mein inneres Kind ganz ungeduldig am liebsten in die nächste Pfütze springen würde, aber ich halte mich zurück und sehe noch einen Moment zu, wie die niederprasselnden Regentropfen in den Pfützen landen und dabei Kreise ziehen, deren Ausläufer zum Pfützenrand immer weniger werden.
Als ich meinen Wagen einparke, brennt in Rosels Küche Licht. Ich beeile mich, ins Haus zu kommen, und schüttele im Flur die feinperligen Regentropfen von meiner Jacke ab, ehe ich an die Wohnungstür klopfe.

Es dauert nicht lange und eine freundliche und vor allem fröhlich strahlende Rosel öffnet mir die Tür.

»Komm rein Liebes, das Essen ist schon fertig«, weist sie mich zur Eile an und an meine Nase dringt der würzige Duft von Sauerkraut. Der Tisch ist bereits gedeckt.

»Kann ich dir noch etwas helfen?«, erkundige ich mich, da ich nicht so nutzlos im Raum herum stehen möchte, außerdem ist mir diese Einladung, warum auch immer, noch etwas unangenehm.

»Setz dich«, gibt Rosel nur lächelnd zurück und beginnt den Inhalt der Töpfe in Schüsseln zu füllen, die sie in der Mitte des Tisches platziert.

Vor mir steht eine Schüssel mit Kartoffelpüree und eine mit Sauerkraut. Auf dem Sauerkraut sind Knödel platziert, die ich bisher noch nie gegessen habe. Ich bin mir aber sicher, dass dieser würzige Duft von diesen ausgeht und es dauert nicht lange, bis mir das Wasser im Mund zusammen läuft.

Überhaupt bemerke ich erst jetzt, wie hungrig ich bin. In der kurzen Pause, die Patricia und ich genommen haben, trank ich nur eine weitere Tasse Kaffee.

»Greif zu«, weist mich Rosel wieder an, empfinde es aber als unhöflich und so warte ich zunächst und trinke ein Schluck Wasser aus dem Glas, das vor mir steht.

»Oh, bitte nach dir«, halte ich mich zurück und Rosel greift ihren Teller.

»Wie war denn dein Tag? Du musst mir alles erzählen«, sie beginnt ihren Teller zu füllen und nachdem sie diesen vor sich abgestellt hat, beginne auch ich eine kleine Portion auf meinem Teller zu drapieren.

»Ich denke er war weniger spannend als du denkst«, antworte ich und lasse einen der Klöße auf meinen Teller rollen.

»Ja, hattest du denn heute noch keine Patienten?«

»Nein, heute hatte die Praxis noch geschlossen und Patrizia, die Sprechstundenhilfe, hat mir alles gezeigt und erklärt«, berichte ich wahrheitsgetreu und betrachte den Kloß vor mir.
Mit der Gabel teste ich die Konsistenz und steche hinein. Ich habe erwartet, dass er auseinanderfällt, aber das Gegenteil war der Fall. Mir begegnet eine recht feste Masse, deren Duft mich mehr und mehr lockt. Es riecht herrlich nach Muskat und Majoran. Ich kann die frische Petersilie in dem Knödel erkennen, aber auch ein paar Körnchen von gemahlenem Pfeffer.
Ich habe wirklich keine Ahnung, was ich da vor mir auf dem Teller habe, aber den Geschmackstest hat es allemal bestanden. Ich nehme eine weitere Gabel und schmecke den geriebenen Muskat, den Majoran, eine leicht salzige Note und irgendwie hat es etwas leicht Bitteres und Metallisches.

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