Es ist nicht mein Wecker, der mich am nächsten Morgen aus dem süßen Land der Träume reißt. Nein, es ist mein Handy, dessen Klingelton die friedliche Stille durchbricht. Ich muss auf der Couch eingeschlafen sein und mein schmerzender, steifer Nacken erinnert mich daran, dass ich dafür eindeutig zu alt bin. Jede Bewegung fühlt sich grobmotorisch und schwerfällig an und ich greife mit Mühe mein Handy vom Tisch, das mir beinahe aus der Hand rutscht.»Ja?« Meine Stimme klingt heiser und verschlafen. Immerhin hat mich, wer auch immer mich um diese gottlose Uhrzeit angerufen hat, aus dem Tiefschlaf gerissen.
»Weißt du schon was du anziehst? Du weißt, der erste Eindruck zählt!« Plappert eine mir wohl bekannte Stimme munter drauf los. Allein diese Fröhlichkeit in der schrillen erwartungsvollen Tonlage ist noch vor dem ersten Kaffee kaum zu ertragen. Ich bleibe freundlich und versuche erst einmal, nicht darauf einzugehen, sondern erhebe mich von der Couch. Beinahe falle ich der Länge nach hin, denn meine Decke hat sich unvorteilhaft um meinen Fuß gewickelt und als ich diesen bewege, spüre ich einen deutlichen Zug, der mich daran hindert, einen Schritt vorwärtszugehen. Ich kann mich gerade noch mit einer Hand an meinem Couchtisch abstützen.
»Ich wünsche dir auch einen schönen guten Morgen, Becca«, gebe ich zurück und richte mich wieder auf.
»Ja, ja guten Morgen. Also was ziehst du an?« Will sie erneut wissen und ich habe keine Ahnung, was ich antworten soll. Wenn ich ihr sage, dass ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht habe, dann kann ich mich auf einen ewig langen Monolog gefasst machen, der die Wichtigkeit des passenden Outfits, sowie der Vorbereitung dessen, beleuchtet. Auch darauf habe ich vor meinem ersten Kaffee keine Lust, aber dem verschaffe ich Abhilfe. Meinen Fuß befreie ich aus der Decke und ich bahne mir den Weg zur Küche.
Zischend setzt sich meine Kaffeemaschine in Gang, nachdem ich sie einschalte, und sie beginnt sich mit ein paar Milliliter Wasser selbst zu reinigen. Sie sprudelt munter vor sich hin und ich denke, über meine Worte nach die ich an Becca richte.
»Bist du noch da? Sophie?«
»Ja, ja ich bin noch da. Ich weiß nicht, vielleicht das dunkelgrüne Kleid?« Meine Antwort klingt eher halbherzig und unüberlegt. Aber immerhin habe ich einen Kleidungsvorschlag abgegeben. Das dunkelgrüne Kleid, von dem ich gesprochen habe ist eine schlichte A-Linie mit eng anliegenden Ärmeln und einem V-Ausschnitt der meine weiblichen Rundungen vorteilhaft betont. Es ist mit eines meiner Lieblingskleider, das ich vor einigen Jahren mit Becca zusammen in Köln gekauft habe.
»Was das alte Ding? Darin siehst du ja aus wie ein Grashüpfer!«
Ich habe es geahnt. Becca weiß sofort, von welchem Kleid ich spreche, und scheint wenig begeistert über meine Wahl zu sein. Schon an dem Tag als meine Wahl auf dieses Kleid fiel, versuchte sie es mir auszureden, aber ich habe mich damals durchgesetzt. Ein Versuch war es immerhin wert gewesen- denke ich mir und seufze leise.
»Hast du nichts anderes?«
Ich durchforste in meinen Gedanken meinen Kleiderschrank, während ich meine Kaffeetasse unter die Maschine stelle und auf Start drücke. Sofort beginn sie zu arbeiten und spuckt das dunkle Lebenselixier aus, dass ich gerade dringend nötig habe um diese Art von Unterhaltung zu überstehen.
»Oh Girl, sag mir, dass du etwas besseres als das zur Auswahl hast«, fleht mich Becca direkt an, ohne mir die Möglichkeit zu geben, auf ihre vorherige Frage zu antworten.»Doch, doch ich habe was«, versichere ich ihr und habe in Gedanken schon eine Wahl getroffen.
»Ich habe ein rotes Kleid, ein Tellerrock, eng geschnittenes Oberteil, Dreiviertel Arm, V- Ausschnitt«, beginne ich das Kleid zu beschreiben, das ich als geeignet bezeichnen würde, und sofort werde ich von Becca unterbrochen.

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Stadt Land Liebe
RomantizmUm ihr Medizinstudium zu finanzieren, hat sich Sophie als Landärztin verpflichtet. Als es an der Zeit, ihren Teil des Vertrages zu erfüllen, verschlägt es sie von Köln in das kleine verschlafene Städtchen Niederelgbach im Allgäu. Inmitten dieser tra...