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Nach der kleinen Erkundungstour durch meine neue Wohnung hat uns Rosel erst einmal, wie sie es nennt, eine Brotzeit zubereitet. Auf einer Holzplatte hat sie verschiedene Wurst und Käsesorten angeordnet, dazu gab es frisches Brot, Tomaten, eingelegte saure Gurken und Kräutertee. Nach der langen Autofahrt und dem eher weniger sättigenden Mittagessen war das eine wahre Wohltat.
»Greift ruhig zu, ihr braucht euch nicht zurückhalten«, fordert sie uns auf, die Platte restlos zu leeren und weder mein Vater noch ich sagen nein. Der Bergkäse hat es mir angetan und eine weitere Scheibe findet den Weg auf meine Brotscheibe. Genüsslich esse ich diese und spüle alles mit einem Schluck Kräutertee herunter.
»Aus Köln kommen Sie also«, beginnt Rosel ein bisschen Smalltalk. Diese Information scheint sie vom Bürgermeister erhalten zu haben, schlussfolgere ich und lächel ihr freundlich entgegen. Den leeren Teller schiebe ich zur Seite und ziehe die Teetasse näher an mich heran.
»Ja, aus Köln. Ich habe elf Jahre dort gelebt« bestätige ich und nun legt sich etwas bedauerndes auf die Gesichtszüge der älteren, liebenswerten Dame.

»Und dann wollten Sie nicht dort bleiben?«

»Ich habe zu Beginn meines Studiums, oder besser gesagt, um mein Studium überhaupt antreten zu können, eingewilligt nach meinem Studium als Landärztin zu arbeiten. Und nun bin ich hier um meinen Teil der Abmachung einzulösen«, erkläre ich ihr, den Grund für meinen Umzug nach Niederelgbach.

»Sie sind eine mutige Frau, Sophie. Also wenn ich Sophie sagen darf.«

»Dürfen Sie, aber warum finden Sie das mutig?«

»Sagen wir es mal so, nicht für jeden ist das Leben in einem kleinen Dorf etwas. Es ist mutig aus einer Stadt in ein Dorf wie Niederelgbach zu ziehen. Es ist ein vollkommen anderes Leben, dass Sie hier erwartet.«

»Ich bin gespannt darauf was mich hier erwartet«, gebe ich mit einem Lächeln zurück und ernte dafür ein Schmunzeln.

»Wenn ich Ihnen ein Tipp geben darf?«

»Natürlich.«

»Nehmen Sie es den Menschen hier nicht krumm, wenn sie misstrauisch sind. Sie bedeuten eine Veränderung und Veränderungen sind hier...«

»Nicht gerne gesehen?« Frage ich zögerlich nach.

»Sie brauchen Zeit!«

Ich nicke verstehend und habe damit gerechnet, dass ich hier zu Beginn auf Ablehnung stoßen könnte. Es ist nur natürlich. Es liegt, in der Natur des Menschen Neues und Veränderungen vorerst abzulehnen. Man musste sich kennenlernen, Vertrauen aufbauen und ich wusste, das Letzteres am schwierigsten war.
Die Menschen mussten lernen, dass sie mir vertrauen können und dieses Vertrauen würde ich mir wohl oder übel erst einmal erarbeiten müssen.
»Was ist denn mit dem bisherigen Arzt?« Erkundige ich mich nach der bisherigen medizinischen Versorgung des Ortes und auch der Nachbargemeinden.

»Wir hatten einige Ärzte. Nicht viele haben es hier ausgehalten. Sie wollten nach kurzer Zeit wieder zurück in die Heimat, weil sie gemerkt haben, dass dieses Leben hier nichts für sie ist. Und seit einer ganzen Weile müssen wir, wenn wir einen Arzt benötigen bis nach Sonthofen fahren. Für die älteren Bürger ist es eine Katastrophe, da auch die Busverbindung ein Albtraum ist. Es gibt einen Notdienst, aber der kommt wirklich nur im äußersten Notfall raus.«

Ich kann kaum glauben, was ich da höre. Natürlich habe ich schon oft von Gegenden gehört, in denen die medizinische Versorgung schwierig ist, aber das dies auch im Jahr 2023 noch immer der Fall ist, war für mich unvorstellbar. Vielleicht war ich aber auch durch mein Leben in der Stadt zu verwöhnt gewesen. Selbst das Dorf meiner Kindheit war im Vergleich zu Niederelgbach eine kleine Stadt. Dort haben wir alles, was wir für das tägliche Leben brauchen. Wir haben einen kleinen Supermarkt, Hausärzte, Zahnärzte, Friseure. Hier draußen gab es nichts davon.

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