Für meinen Geschmack vergeht diese Woche viel zu schnell, denn kaum hat sie begonnen, ist auch schon die Mitte der Woche wieder erreicht. Natürlich ist dies keinen Grund zur Klage, aber das heißt auch, dass der Samstag unweigerlich näher rückt. Patrizia hat gerade die letzten Rezepte für diesen Vormittag an Herrn Bauer ausgehändigt, als erneut jemand die Praxis betritt. Ich befinde mich bereits in der Kaffeeküche und habe meinen Arztkittel an die Garderobe gehängt.
»Wir haben bereits geschlossen, in dringenden Fällen müssen Sie sich nun an den Bereitschaftsarzt wenden, das ist in diesem Fall Doktor Weber in Sonthofen«, höre ich Patrizia sagen. Ich gehe in diesem Moment jede Wette ein, dass Patrizia nicht einmal von ihrem Computerbildschirm aufgesehen hat, denn ich kann hören wie ihre Finger geschwind nur so über die Tastatur fliegen und ein monoton klickendes Geräusch zu hören ist.
»Ich bin kein Patient, aber ich würde gerne die Frau Doktor sprechen«, eine sonore Stimme erklingt aus der Kehle der Person.
»Oh, Sie... also...« Patrizia stammelt hilflos wirkend vor sich hin und die Stimme der mir unbekannten Person lockt mich aus der Kaffeeküche.
»Sie haben Glück, ich wollte gerade gehen«, versuche ich recht locker zu wirken, während ich von der Stimme ganz fasziniert bin. Er hat eine angenehme Stimme, der ich stundenlang hätte lauschen können. Sie klingt kraftvoll, aber hat zugleich etwas Warmes und Angenehmes und doch verleiht es meinem Gegenüber eine gewisse Präsenz, die den Raum durchflutet. Obwohl ich sicher bin, die Person noch nie in meinem Leben gesehen zu haben, was sich als Irrtum herausstellen wird, habe ich das Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit. Und als sich ihn genauer betrachte, schwingt seine Stimme in perfekter Harmonie zu seiner Erscheinung. Mir blicken blaue Augen entgegen und das Lächeln auf seinen Lippen hätte jeder Zahnpastawerbung den Rang abgelaufen.
»Sehr schön, ich habe gehofft Sie noch zu erwischen. Ich weiß das Sie Mittwochs einen kurzen Tag haben«, beginnt er mich erneut mit seiner Stimme, um den Finger zu wickeln, und ich habe das Gefühl, als lässt es meine Knie weich werden. Patrizia blickt wortlos zu ihm auf. Ihr Mund ist leicht geöffnet, als wenn das der Ansatz ist, dass sie etwas sagen möchte, aber so wirkt sie wie ein Karpfen auf dem Trockenen. Ich umrunde die Theke und komme neben ihm zum Stehen. Er dreht sich zu mir und ich merke erst jetzt, dass er einen guten Kopf größer ist als ich. Zu dem Zahnpastalächeln und diesen strahlend blauen Augen sieht er generell unverschämt gut aus, mit seinem braunen Haar, seinem leicht gebräunten Teint und seinem modebewussten Kleidungsstil. Er trägt Jeans, dazu schwarze Lederschuhe und einen grauen Wollpullover. Darunter trägt er entweder ein Poloshirt oder ein Hemd, der Kragen, der zu erkennen ist, lässt keinen sichern Schluss zu.
»Sophie Jahn, was kann ich für Sie tun?« Ich versuche nicht zu beeindruckt von seiner Erscheinung zu wirken, denn ich bin mir sehr sicher, das er sehr gut weiß, welche Wirkung er auf Frauen hat. Er lächelt mir noch immer entgegen und diese charmanten Falten in seinem Mundwinkel, lassen ihn noch charmanter wirken.
Er greift meine Hand und schüttelt diese mit einem sachten Druck, den ich erwidere.
»Weber. Gabriel Weber. Ich hätte einige Dinge mit Ihnen zu besprechen, vielleicht eignet sich dafür Ihr Behandlungszimmer am besten« stellt er sich vor und kommt scheinbar gleich zur Sache. Und als ich seinen Namen höre fallen mir die Schuppen von den Augen.
Er ist der Notarzt, der an dem Dorffest den Bürgermeister weiterversorgt hat, nachdem ich die Erststabilisierung übernommen habe. An dieses einnehmende Erscheinungsbild kann ich mich jedoch nicht erinnern. Das Adrenalin und die Tatsache, das ich in diesem Moment nur funktioniert habe, lässt eine solche Situation keinen neuen Input zu. Und nun stehe ich hier und bin tatsächlich etwas peinlich berührt, darüber, dass ich keinen blassen Schimmer habe, wer da gerade vor mir steht.
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Stadt Land Liebe
RomantikUm ihr Medizinstudium zu finanzieren, hat sich Sophie als Landärztin verpflichtet. Als es an der Zeit, ihren Teil des Vertrages zu erfüllen, verschlägt es sie von Köln in das kleine verschlafene Städtchen Niederelgbach im Allgäu. Inmitten dieser tra...