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Ich habe nach meiner Rückkehr nach Niederelgbach keine Zeit, mich in meinem Heimweh zu verlieren. Die anfängliche Langweile, durch ausbleibende Patienten ist einem gut gefüllten Wartezimmer gewichen. Und das zieht sich die ganze Woche wie ein roter Faden durch. Die Gründe, warum die Patienten mich aufsuchen, sind recht vielseitig und so kann man wohl kaum von Langeweile sprechen. Natürlich häufen sich aktuell die Erkältungskrankheiten, das bleibt auch bei dem Wetter nicht aus.

Mit meiner Rückkehr nach Niederelgbach hat sich der Herbst breitgemacht und dichter grauer Nebel am Morgen und ein tristes Grau in Grau das Regen mit sich bringt bestimmen den Tag. Die grauen Regenwolken verschlucken jegliches Licht und ich habe schon all die Tage das Gefühl, dass es nicht wirklich hell wird. Mit den Wolken kommt der Regen, der längst kein leichter Landregen mehr ist, sondern dicke Regentropfen, die meist in einem Wolkenbruch auf die Erde herabregnen. Einzig die bunten Blätter in den Baumkronen, die allmählich zu Boden sinken, bieten einen Farbtupfer in der Landschaft.

Der Marktplatz gleicht einem kleinen Teich, denn zwischen dem abgesenkten Kopfsteinpflaster bilden sich große Pfützen, in denen sich die Fassaden der Häuser spiegeln.

In diesem kleinen Ort ist ohnehin schon wenig los, doch nun scheint es so, als würde alles zum erliegen kommen. Selbst der Bäcker wird kaum noch aufgesucht und das Angebot in den Auslagen wird etwas schmäler als sonst gehalten. Bis auf die Patienten, die sich in meiner Praxis einfinden, scheint es, als wäre niemand mehr in diesem Ort unterwegs.

Während die einen nun dem Sommer hinterher trauern, genieße ich das Wetter und die Jahreszeit, die nun Einzug hält.

Ich liebe den Herbst. Ich liebe ihn natürlich mehr, wenn er golden ist, aber auch das Regenwetter macht mir nicht sonderlich viel aus. Mit meinem rotblonden Haar und meiner blassen sommersprossigen Haut habe ich im Sommer meist das Problem, dass ich nach kurzer Zeit einen Sonnenbrand bekomme. Dabei spielt es meistens nicht einmal eine Rolle, ob ich eingecremt bin oder nicht. Ich habe einfach eine empfindliche Haut. Die Hitze brauche ich sowieso nicht, denn die vertrage ich noch weniger, als die Sonne. Während andere sich im Freibad oder an Seen aufhalten, ziehe ich meistens das Innere meiner Wohnung vor. In Köln waren die Sommer für mich furchtbar gewesen. In den Häuserfluchten staute sich meistens die Hitze, die durch den Boden und die Hauswände abgestrahlt wurden, und so wurde ein Spaziergang durch die Straßen zur Qual. Ganz besonders litt ich dann, wenn die schwüle Luft wie eine Dunstglocke über der Stadt hing. Zwar sorgte das für Gewitter und kurze Regenschauer, aber eine wirkliche Abkühlung gab es nicht, denn der Boden und die Hauswände haben sich dann so aufgeheizt, dass der Regen wie warmer Dunst aufstieg. Hier in den Bergen ist es anders. Obwohl ich nur noch den Spätsommer miterlebt habe, war dieser angenehmer als in der Stadt. Das Wetter schlägt hier zwar schnell um, aber die Luft ist viel klarer und reiner. Nun beginnt also mit dem tristen Grau in Grau, meine Jahreszeit und innerlich feiere ich sie ein wenig zu sehr, denn Patrizia trauert dem Sommer und den warmen sonnigen Tagen nach. Verständnislos hat sie mich angesehen, als ich gut gelaunt in die Praxis kam und ihr sagte, was es für ein schöner Tag sei.

Verwirrt hat sie dann aus dem Fenster gesehen und stellte zu ihrem Entsetzen fest, dass die dicken Regenwolken noch immer den Himmel verdunkelten.

»Dir ist schon klar, dass es Hunde und Katzen regnet?!«

»Ja, ich sage doch, wunderbares Wetter«, schwärmte ich weiter und machte mich an die Arbeit, während Patrizia mir kopfschüttelnd nachgesehen hatte. Ich konnte ihren verständnislosen, fast schon schockierten Blick förmlich auf mir spüren.

Ich habe jedenfalls meine helle Freude, Patrizia immer wieder zu erzählen, was für ein wunderbares Wetter das nun sei, bis wir uns in das wohlverdiente Wochenende verabschiedet haben.

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