Es ist Samstag und den halben Tag verbringe ich damit, meinen Kleiderschrank nach einem passenden Outfit zu durchforsten. Eine kleine Auswahl aus drei Kleidern habe ich dann auf meinem Bett ausgebreitet und begutachte sie recht kritisch. Ich lasse eines nach dem anderen wieder auf das Bett sinken und seufze leise.
Ich frage mich, ob sie für ein Dorffest vielleicht zu overdressed sind. Das linke Kleid ist ein dunkelblaues Spitzenkleid, dass recht eng anliegt und meinen weiblichen Kurven schmeichelt. Ich habe es oft in Köln getragen, wenn wir um die Häuser gezogen sind, und es ist ein absolutes Wohlfühloutfit. Ich fühle mich darin sexy wie in keinem anderen und nun frage ich mich, ob es angebracht ist sich an diesem Tag sexy zu zeigen, wenn ein Großteil der Bürger von Niederelgbach ihre neue Landärztin das erste Mal sehen.
Ich hebe das Kleid hoch, betrachte es und seufze wehmütig.
»Vielleicht ein andermal«, murmele ich zu mir selbst und betrachte das nächste Kleid.
Ein Cocktailkleid in weinrotem Satin, trägerlos mit einer passenden Stola. Ich hatte es zur Abschlussfeier an, nachdem ich meine Facharztausbildung bestanden habe. Zweifelsohne ein geeignetes Outfit für einen solchen Anlass.
Nun sehe ich es an, denke nur overdressed, hänge es zurück in den Schrank und widme mich Nummer drei.Ein Sommerkleid mit dunkel und hellblauen floralem Print auf weißem Untergrund. Eine schlichte A-Linie mit dünnen weißen Trägern. Ich bin mir unsicher und frage mich wie so oft, warum ich eigentlich nie etwas zum anziehen in meinem Kleiderschrank habe. Aber ich denke, genau das wird es. Es wird mein Kleid für den heutigen Abend.
An diesem Tag spielt sogar das Wetter mit. Die grauen Wolken haben sich verzogen und geben den Blick auf einen strahlend blauen Himmel frei. Die Sonne steht hoch über den Bergen und die Felswände wirken wie dunkle Schatten, wenn man der Sonne entgegenblickt. Ein goldener Herbst-, oder Spätsommertag, je nachdem wie man es sieht.
Für den Abend entscheide ich mir jedoch, eine Strickjacke mitzunehmen, nur für den Fall, dass es doch kälter wird, als erwartet.
Ich habe Patrizia am Vortag meine Handynummer gegeben, nur für den Fall der Fälle und nun erinnert sie mich im Fünf-Minuten-Takt an unsere Verabredung und teilt mir unaufhörlich mit, wie sehr sie sich darauf freut.
Auf der einen Seite niedlich, auf der anderen Seite ungewohnt.
Ich habe mir immer schwergetan, damit Freunde zu finden. Auch Becca und Nessi hatten lange gebraucht um zu mir durchzudringen. Vielleicht liegt es aber an meiner Schulzeit, die mich sehr geprägt hat.
Ich gehörte nie zu den Mädchen, die sonderlich beliebt waren. Bei mir standen die Jungen nicht Schlange, um mit mir auszugehen, oder um mich zum Abschlussball einzuladen.
Es ging schon in der Grundschule los, dass ich eher der Außenseiter war. Ich blieb meist für mich, zog mich in den Pausen in den Schatten eines großen Weidenbaumes zurück und steckte meine Nase in ein Buch, kaum das ich lesen konnte.
Erst waren es die Bücher, mit denen man lesen lernen konnte, wie Hexe Lili, daraus wurde dann irgendwann der erste Band Harry Potter.
Ich war vollkommen vernarrt in diese Welt und flüchtete regelrecht in diese, da die Welt in der ich lebte, oftmals schwerer war.
Vielleicht wurde ich aber auch als Sonderling abgestempelt, weil mein großer Bruder nicht wie jeder andere große Bruder war. Manchmal beneidete ich die Mädchen in meiner Klasse, wie viel sie mit ihren älteren Geschwistern unternehmen konnten, während mein Bruder eben anders war. Besonders, wie meine Mutter es nannte. Ich liebe ihn und habe mich nie für ihn geschämt, aber trotzdem musste ich mir früher einige hässliche Sprüche anhören.

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Stadt Land Liebe
Roman d'amourUm ihr Medizinstudium zu finanzieren, hat sich Sophie als Landärztin verpflichtet. Als es an der Zeit, ihren Teil des Vertrages zu erfüllen, verschlägt es sie von Köln in das kleine verschlafene Städtchen Niederelgbach im Allgäu. Inmitten dieser tra...