#44 Matylda Novak

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Und wieder tat ich das, was ich immer tat. Ich stieß Majoli von mir weg und verließ das Dienstzimmer. Im Bad ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Bittere, stumme Tränen. Majoli hatte völlig recht – die Mauer, die ich um mich gezogen hatte, wurde mit jedem Tag dicker. Ein Schutzmechanismus.

Eine Mischung aus Eifersucht, Trauer und Verzweiflung wühlte in mir. Konnte es wirklich sein, dass ich in meinem Alter noch einmal Liebeskummer hatte? So tief war ich noch nie gesunken.

Ein leises Klopfen ertönte an der Badezimmertür. „Matylda, lass mich rein.“ Es war Majoli. Ich ignorierte sie.

Sie klopfte mehrfach, doch ich blieb stumm. Schließlich gab sie nach und ging.

Ich blickte auf die Uhr. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Frühdienst beginnt. Ich ließ kaltes Wasser laufen und tupfte es auf mein Gesicht, um die Spuren der Tränen zu verwischen. Als ich das Bad verließ, sah ich Majoli auf dem Balkon, eine Zigarette in der Hand, während sie unruhig auf und ab ging. Sie bemerkte nicht, dass ich an ihr vorbeiging.

„Majoli, das hast du wirklich nicht verdient“, dachte ich. „Du verdienst jemanden, der deine aufrichtige Liebe zu schätzen weiß.“

Als Majoli vom Balkon zurückkam, waren bereits einige Kollegen vom Frühdienst eingetroffen. Sie eilte zu mir und bemühte sich, ihre Besorgnis zu verbergen.

„Und? Bist du bereit für die Übergabe?“ fragte sie.

Meine Maske war längst wieder aufgesetzt, meine kalte Fassade perfekt. Ich nickte nur stumm.

Der Dienst endete, aber ich wollte nicht mit Majoli in die Umkleide gehen, also vertiefte ich mich bewusst in ein Gespräch. Natürlich wusste sie genau, warum ich das tat, und verabschiedete sich, ohne etwas zu sagen.

Erst als ich mir sicher war, dass sie weg war, verließ ich die Station. Endlich freie Tage.

In der Umkleide öffente ich meinen Spind, und ein Zettel fiel heraus.

Ich möchte dich nicht über WhatsApp belästigen, aber ich mache mir Sorgen um dich. Melde dich doch einfach, vielleicht kann ich dir helfen. Du musst nicht immer stark sein und alles allein überstehen. Pass auf dich auf.

In Liebe,
M.

PS: Ich hätte dich mehr verdient als dein Mann, meine liebe Eiskönigin...“

Ach, Majoli...

Natürlich meldete ich mich nicht bei ihr. Stattdessen fiel ich auf mein Bett und schlief sofort ein. Erst am nächsten Tag wachte ich wieder auf.

Auf meinem Display blinkte eine Nachricht von Majoli, geschickt um 3:57 Uhr:

Schade, dass ich dir nicht mal eine Nachricht wert bin... aber es scheint dir ja gut zu gehen. Schöne freie Tage.“

Ich schaute mir ihre Story an. Ein Bild von ihrem Balkon: Vodkaflaschen und Früchte auf dem Tisch.

„Ach Majoli... Was stellst du nur wieder an?“, dachte ich.

Ich ging duschen, und als ich zurück ins Zimmer kam, wartete Piotr bereits auf mich. Dass er seine Affäre ohne ein Fünkchen Schuldgefühl weiterführte und wirklich glaubte, ich würde nichts bemerken, fand ich mittlerweile nur noch lächerlich. Kurz fragte ich mich, ob er mich betrügt, weil ich ihm keine Aufmerksamkeit mehr schenkte. Doch diesen Gedanken verwarf ich schnell wieder. Er hatte schon immer anderen Frauen hinterhergesehen, selbst als wir noch häufig zusammen intim waren.

Piotr kam näher, während ich an meinem Schminktisch saß. Er begann, meine nackten Schultern zu massieren.

„Wie kann es sein, dass ich gealtert bin und du immer noch so jung aussiehst, mein Schatz?“ flüsterte er.

Das Leben ist wie ein Buch..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt