Kapitel 23

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- Rosier -


Die Ankunft von Kate im Drachenreservat hatte meine Gedanken und Gefühle vollkommen durcheinandergebracht. Von dem Moment an, als ich sie auf der weitläufigen Wiese stehen sah, einsam und verletzlich und doch mit einem starren Willen, fühlte ich, wie etwas in mir in Aufruhr geriet. Ich hatte sie immer anders gesehen als die anderen Frauen in unserem Umfeld – sie war keine Anhängerin des Dunklen Lords aus Überzeugung, sondern aus einer gewissen Verzweiflung heraus. Es machte mir Sorgen, wie zerbrechlich sie wirkte und gleichzeitig spürte ich diesen Drang, ihr irgendwie näher zu kommen. Doch genau das war das Problem.

Der Dunkle Lord hatte mich gewarnt – oder besser gesagt, gedroht, dass ich mich ihr nicht nähern sollte. Diese Drohung hallte in meinem Kopf wider, oft lauter als mein eigener Wille. Er hatte mir in einem unmissverständlichen Ton klar gemacht, dass ich für sie sorgen, aber keinerlei emotionale Nähe zu ihr zulassen sollte. Sein Tonfall, als er mir das einflößte, hatte ausgereicht, um jeden Zweifel daran zu zerstreuen, dass es sich um eine tödliche Warnung handelte. Falls ich Kate irgendwie zu nahe kommen würde, könne er mich finden – und ich wüsste, dass die Strafe unausweichlich wäre.

Die Tage vergingen, und obwohl ich in Kates Nähe war, fühlte ich mich unruhig, getrieben von widersprüchlichen Gefühlen. Immer wieder fragte ich mich, ob ich dem Dunklen Lord von ihrer Ankunft hätte berichten sollen. Konnte ich wirklich riskieren, diesen Umstand für mich zu behalten? Wenn er jemals davon erfuhr und wusste, dass ich es vor ihm verheimlichte, war mein Schicksal besiegelt. Schließlich, nach langem inneren Ringen, beschloss ich, ihm zu berichten, dass Kate hier war.

An einem düsteren Nachmittag, als die Wolken über dem Drachenreservat schwer und bedrohlich hingen, machte ich mich auf den Weg. Mithilfe des Flohnetzwerks reiste ich zu ihm, in sein Versteck, ein düsteres, fast verfallenes Herrenhaus, das durch seinen dunklen Einfluss noch bedrohlicher wirkte. Mein Herz klopfte heftig, als ich von einem Hauselfen durch die verwinkelten Korridore geführt wurde und schließlich vor ihm stand. In seinem Arbeitszimmer war es kalt, und die Dunkelheit lag wie eine zähe Masse in der Luft.

Der Dunkle Lord saß in einem tiefen Sessel, seine Augen leuchteten im schwachen Licht, als er mich scharf musterte. „Rosier,“ begann er mit einem leisen, bedrohlichen Zischen. „Warum bist du hier?“

Ich trat näher und senkte den Kopf, während ich mir die Worte zurechtlegte. „Ich wollte Euch wissen lassen, dass Katherine… Kate… in Rumänien ist. Sie kam vor einigen Tagen an, ohne Vorwarnung.“

Sein Blick schien sich in mein Innerstes zu bohren. „Und warum, Rosier,“ fragte er gedehnt, „hast du es nicht sofort berichtet? Oder hast du womöglich geglaubt, es wäre unwichtig, dass eine frühere Verbündete von mir höchstpersönlich plötzlich unter deinem Schutz steht?“

Seine Worte waren wie Schläge, die mich in meine Unsicherheit zurückwarfen. „Nein, Herr. Ich war mir nur nicht sicher, wie ich reagieren sollte. Sie… sie ist allein.“

Ein höhnisches Lächeln verzog seine Lippen, und er richtete sich im Sessel auf, seine Hände mit langen, weißen Fingern ineinander verschränkt. „Du wirst für ihre Sicherheit sorgen,“ sagte er schließlich mit kühler Ruhe. „Sie darf unter keinen Umständen in Gefahr geraten. Und ich hoffe, du verstehst, dass ich über jeden Schritt informiert werden möchte.“

Ich nickte hastig, doch in dem Moment kam er näher, bis seine kalte Stimme fast ein Flüstern war. „Solltest du dir anmaßen, sie in irgendeiner Form zu nah an dich zu lassen…“ Seine Augen verengten sich, und ein grausames Glitzern blitzte darin auf. „Ich werde es erfahren. Und dann, Rosier… wirst du die Qualen, die ich für Verrat reserviere, am eigenen Leib verspüren.“

Ein eisiger Schauer durchfuhr mich und ich nickte erneut, unfähig, den Blick von ihm zu lösen. Die Bedrohung lag schwer und deutlich zwischen uns, ein Versprechen der Bestrafung, sollte ich versagen.

Doch dann änderte sich sein Tonfall, und er sprach plötzlich geschäftsmäßiger. „Avery und Nott werden dich in Rumänien besuchen. Sie haben einen wichtigen Gegenstand bei sich, den sie sicher unterbringen müssen. Du wirst das Antiquitätengeschäft in Rookhaven aufsuchen und sicherstellen, dass dort ein geeigneter Platz für dieses wertvolle Sammlerstück vorbereitet ist.“

Ich nickte gehorsam, ohne Fragen zu stellen. Ein Teil von mir wusste, dass der „wichtige Gegenstand“ alles andere als gewöhnlich sein musste, aber ich wagte es nicht, neugierige Fragen zu stellen. Der Dunkle Lord hatte klare Anweisungen gegeben, und ich würde tun, was er verlangte.

Nachdem ich mich wieder im Drachenreservat einfand, versuchte ich mich auf die bevorstehenden Aufgaben zu konzentrieren. Doch die Anwesenheit von Kate lastete schwer auf mir. Ich konnte ihr nicht sagen, dass der dunkle Lord von ihr wusste. Wie hätte ich es auch tun können, ohne mich dabei zu verraten? Diese ständige Spannung zehrte an mir und ich wusste nicht, wie lange ich es noch aushalten konnte.

Am nächsten Tag schlug ich Kate vor, mit mir nach Rookhaven zu reisen, um das Dorf zu erkunden und ein paar Besorgungen zu erledigen. Sie nahm die Einladung an, scheinbar froh über die Abwechslung. Ich fühlte ein leichtes Unbehagen in mir aufsteigen – sie vertraute mir und doch trug ich ein Geheimnis mit mir herum, das alles zwischen uns zerstören könnte. Ich zwang mich, den Gedanken beiseitezuschieben und wir machten uns auf den Weg.

Rookhaven war ein kleines, verborgenes Zaubererdorf, versteckt zwischen dichten Wäldern und nebelverhangenen Hügeln. Das Dorf hatte seinen eigenen Charme, mit kleinen, verwinkelten Gassen und alten Häusern, die durch jahrhundertealte Magie zusammengehalten wurden. Überall hingen alte Schilder mit verwitterten Aufschriften, und der Geruch von Kräutern und Rauch erfüllte die Luft. Ich führte Kate durch das Dorf und zeigte ihr einige der interessanten Geschäfte, während ich innerlich das Ziel festhielt: das Antiquitätengeschäft, in dem der wichtige Gegenstand untergebracht werden sollte.

Ich betrat das Geschäft schließlich allein und ein unangenehmes Gefühl kroch in mir hoch. Das Ladeninnere war düster, die Wände voller uralter Artefakte, die jede Menge dunkle Geschichten in sich bargen. Ein alter, hagerer Zauberer mit knorrigen Händen und wachsamen Augen – Mr. Grimshaw, wie er sich vorstellte – kam mir entgegen. Er nickte mir zu, als ob er wüsste, warum ich hier war und sprach leise über die Sicherheit des Ladens und den besonderen Schutz, den er über das „Sammlerstück“ legen würde.

Nachdem der grauhaarige Zauberer mir den Safe, mit schwer zu öffnender, fünffach versicherter Metalltür und den Platz auf einem freien Regal dort drinnen gezeigt hatte, verließ ich, nach kurzer Zeit, das Geschäft wieder.

Auf dem Rückweg durch die Straßen des Dorfes quälte mich mein schlechtes Gewissen. Ich wollte Kate die Wahrheit sagen – ihr mitteilen, dass Tom wusste, wo sie war, dass er mir befohlen hatte, sie im Auge zu behalten und unter keinen Umständen zu nahe zu kommen. Aber die Angst vor dem, was das für uns beide bedeuten könnte, hielt mich zurück. Wie hätte sie reagiert, wenn sie wüsste, dass ich zwischen Loyalität und etwas anderem hin- und hergerissen war? Mein Blick wanderte zu ihr, während sie sich die farbenfrohen Auslagen der kleinen Läden ansah und in mir wuchs das Gefühl, dass ich etwas Unausgesprochenes zwischen uns behalten musste, um sie zu schützen.

Doch als sie sich mir zuwandte und lächelte, war es schwer, die Wahrheit zu verschweigen. Die Drohungen des Dunklen Lords waren zu schwerwiegend, um sie zu ignorieren. Ich konnte ihr nicht sagen, dass ich sie vor dem schützen musste, der einst in ihren Augen als faszinierend und unnahbar galt, der nun jedoch nichts als Bedrohung und Dunkelheit für sie bedeutete.

Falling for the dark - Tom Riddle FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt