Kapitel 22

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Wir wandten uns beide voneinander ab und legten dieses sensible Thema auf Eis. Vorerst. Zumindest für meinen Teil.

Gemeinsam blickten wir in vollkommener Ruhe dem orangefarbenen Lichtermeer entgegen.



Am nächsten Morgen, als die Luft frisch und klar war, schlug Rosier nach unseres gemeinsamen üppigen Frühstücks überraschend einen Ausflug vor. „Hast du schon einmal das Dorf Rookhaven besucht?" fragte er beiläufig. Seine Stimme war ruhig, aber ich sah ein Funkeln in seinen Augen, das ich bisher nur selten bei ihm bemerkt hatte.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nie gehört. Ist es weit von hier?"

„Nicht besonders," sagte er und lächelte leicht. „Es ist ein kleines Dorf, versteckt und fast vergessen. Nicht viele Zauberer kennen es, aber es gibt dort einige interessante Läden. Ich dachte, ein kleiner Ausflug könnte uns beiden guttun."

Ich willigte ein, und noch am selben Nachmittag machten wir uns auf den Weg. Rookhaven war ein verschlafenes, uraltes Dorf, eingebettet in einen dichten Wald. Es hatte den Charme eines Ortes, der von der Zeit vergessen worden war. Die gepflasterten Straßen waren schmal und verwinkelt, und die Häuser wirkten alt, aber gepflegt, mit Schildern, die in der Brise sanft hin und her schwangen. Ich fühlte mich zurückversetzt in die Zeit, als ich tagtäglich auf meinem Arbeitsweg durch die Winkelgasse flanierte. Es fühlte sich wie ein Stück Heimat an.

Wir schlenderten durch das Dorf, Rosier zeigte mir verschiedene Ecken, und ich genoss für einen Moment die Leichtigkeit dieser Stunden. Es war, als wäre die Last, die sonst immer auf uns beiden lag, für kurze Zeit verschwunden. Doch immer, wenn ich das Gefühl hatte, dass Rosier sich entspannte, bemerkte ich, wie er sich wieder in sich selbst zurückzog.

„Ich muss zu Skellens magischen Auktionshaus", sagte er schließlich, als wir vor einem kleinen, unscheinbaren Laden anhielten, dessen Fenster mit alten Pergamenten und zerbrochenen Artefakten dekoriert waren. „Es gibt etwas, das ich mir dort ansehen möchte. Aber es wird eine Weile dauern. Möchtest du mitkommen oder dich weiter allein im Dorf umsehen?"

Ich spürte eine leichte Unruhe in ihm und entschied, dass es vielleicht besser wäre, wenn ich ihn allein ließ. „Ich schaue mich ein wenig um," sagte ich und deutete auf die schmalen Gassen, die tiefer in das Dorf führten. „Vielleicht finde ich ja etwas Interessantes."

Er nickte, und für einen Moment sah es so aus, als wollte er noch etwas sagen, doch dann drehte er sich um und verschwand im Inneren des Auktionshauses.

Allein machte ich mich auf den Weg durch die engen Straßen. Ich ging langsam, ließ die Umgebung auf mich wirken, bis ich schließlich vor einem kleinen Laden stehen blieb, dessen Schild „Morthans Antiquariat" in verwitterten goldenen Buchstaben trug. Der Laden war so unscheinbar, dass ich ihn fast übersehen hätte, doch irgendetwas an ihm zog mich an.

Als ich eintrat, umfing mich der vertraute Geruch alter Bücher und Magie. Der Laden war düster, mit hohen, überquellenden Regalen und in der Mitte stand ein alter, runzliger Mann hinter dem Tresen, der mich mit neugierigen Augen musterte.

„Willkommen in Morthans Antiquariat," krächzte er, seine Stimme so alt wie der Laden selbst. „Sucht Ihr etwas Bestimmtes, oder lasst Ihr Euch einfach nur treiben?"

„Nur ein wenig umsehen," antwortete ich, während mein Blick über die Regale glitt. Es war eine seltsame Mischung aus Magiebüchern, einige alt und wertvoll, andere, die man in fast jeder magischen Buchhandlung finden konnte. Doch dann, in einem der hinteren Regale, fiel mir ein dünnes, unscheinbares Buch ins Auge, dessen Rücken fast schon auseinanderfiel. Der Titel war kaum lesbar, doch ich erkannte das Wort klar und deutlich: „Dämonenfeuer".

Mein Herz setzte für einen Moment aus. Das Dämonenfeuer war einer der mächtigsten und gefährlichsten magischen Zauber, von dem ich jemals gehört hatte. Es war eine zerstörerische Macht, die sich selbst entzünden und alles in ihrem Weg verschlingen konnte, aber nur wenige wussten, wie man sie richtig einsetzte. Und ich hatte lange nach einem Weg gesucht, mehr darüber zu erfahren, um Toms Horkruxe vernichten zu können, als wichtiger Teil meiner Aufgabe hier in der Vergangenheit. Doch diese Suche hatte ich vollkommen aus den Augen verloren, als ich mich selbst in meiner eigenen wirren Gefühlswelt gefangen hielt.

Vorsichtig zog ich das Buch aus dem Regal und blätterte es durch. Es war alt, die Seiten vergilbt, aber zu meinem Erstaunen fand ich detaillierte Anweisungen und Beschreibungen über die Nutzung und Kontrolle des Dämonenfeuers. Mein Herz raste. Das war genau das, wonach ich so lange gesucht hatte – Informationen, die Tom vollends ausgelöscht hatte, in seiner naheliegenden Umgebung. Ich wusste, dass es riskant war, dieses Wissen zu besitzen, doch ich musste dieses Buch haben. Es könnte mein Schlüssel zu Freiheit und Macht sein.

„Interessiert an altem Feuer?" fragte der alte Mann hinter dem Tresen plötzlich, seine Augen blitzten neugierig.

Ich schluckte und zwang mich zu einem Lächeln. „Ja, vielleicht." Ich legte das Buch auf den Tresen, als wäre es nur eine beiläufige Entscheidung, während ich innerlich aufgewühlt war. „Wie viel kostet es?"

„Ein seltenes Stück, das da. Die meisten wagen sich nicht an solche Magie," sagte er, sein Ton bedeutungsvoll. „Zehn Galleonen."

Es war nicht wenig, aber der Preis war auch nicht absurd hoch. Ich zögerte nur einen Moment, dann griff ich in meine Tasche und legte die Münzen auf den Tresen. „Ich nehme es," sagte ich so ruhig wie möglich.

Der alte Mann nickte, nahm das Geld und verpackte das Buch in braunes Papier. „Seid vorsichtig mit dem, was Ihr lest," sagte er, als er mir das Buch überreichte. „Manchmal verrät es Euch mehr, als Ihr wissen wollt."

Seine Worte schickten mir einen kalten Schauer über den Rücken, doch ich nickte nur, bedankte mich und verließ schnell den Laden. Das Buch in meiner Tasche fühlte sich schwerer an, als es tatsächlich war und ich konnte das dumpfe Pochen meines Herzens in meiner Brust spüren.

Was hatte ich gerade getan? Welche Ereignisse oder gar Konsequenzen hatte ich mit dem Kauf dieses Buchs in Gang gesetzt?

Ich traf Rosier an der Ecke der Straße, wo er auf mich wartete. Sein Gesicht war wie immer ruhig, doch als er mich ansah, schien er für einen Moment zu zögern. „Alles gefunden, was du suchst?" fragte er, als ich zu ihm trat.

Ich zwang mich zu einem Lächeln. „Ja, nur ein paar Bücher. Nichts Besonderes."

Er musterte mich einen Moment lang und ich hatte das Gefühl, als wüsste er, dass ich ihm nicht die ganze Wahrheit sagte. Doch er fragte nicht weiter und führte mich zurück zur Hauptstraße des Dorfes, wo die kleinen Läden langsam ihre Türen schlossen.

Auf dem Rückweg zur Hütte des Reservats spürte ich das Gewicht des Buches in meiner Tasche. Ich wusste, dass ich es nicht sofort öffnen konnte – nicht vor Rosier. Doch der Gedanke an das, was in diesem Buch stand, nagte an mir. Es war, als hätte ich einen Teil meiner alten Welt zurückgeholt.

Aber war das wirklich das, was ich wollte?

Falling for the dark - Tom Riddle FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt