Kapitel 30

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Mit einem letzten Blick auf sie verließ ich das Zimmer, schloss die Tür hinter mir und versprach mir selbst, dass ich Katherine niemals wieder so weit aus den Augen lassen würde.


Als ich die Tür zu ihrem Zimmer schloss, hätte ich eigentlich Erleichterung spüren sollen. Katherine lebte – trotz ihres Verrats, trotz der unzähligen Grenzen, die sie überschritten hatte. Doch anstatt des Triumphs, den ich erwartete, lastete eine ungewohnte Unruhe auf mir, ein Gefühl, das ich normalerweise mühelos unterdrückte. Es war nicht der übliche Zorn oder das Brennen des Stolzes, der auf Rache pochte; es war etwas Undefinierbares, das ich nicht benennen konnte. Und das beunruhigte mich mehr als alles andere.

Ich ging in mein Arbeitszimmer, um mich von der Unruhe abzulenken, doch mein Blick fiel immer wieder zur Tür, hinter der Katherine lag. Meine Gedanken wanderten zurück zu unserer ersten Begegnung damals im verbotenen Wald und kurz darauf im Gemeinschaftsraum von Slytherin, ihrem stehts entschlossenen Blick, ihrer Neugier, die so unersättlich war, dass sie beinahe töricht wirkte. Ihr Wissensdurst und ihre Zielstrebigkeit hatten sie seit Beginn interessant gemacht, hatten mich dazu bewogen, sie in meine Welt zu lassen.

Als ich mich an den Schreibtisch setzte, entdeckte ich den kleinen silbernen Spiegel auf meiner Schreibunterlage, ein altes Erbstück, das es mir ermöglichte, jederzeit mit Avery und Nott Kontakt aufzunehmen. Ein Teil von mir wollte sie sofort darüber informieren, dass der Horkrux zerstört war, dass Katherine die Dreistigkeit besessen hatte, ihn zu vernichten. Doch etwas hielt mich zurück. Stattdessen griff ich nach meinem Zauberstab und ließ die Spitze sachte über den Spiegel gleiten, ohne jedoch den Zauber zu aktivieren. Ich wusste, dass es an der Zeit war, Schritte zu planen.

Plötzlich vernahm ich ein leises Geräusch. Ich wandte den Kopf und horchte. Es war nur ein schwaches Rascheln, doch ich spürte, dass es von Katherines Zimmer kam. Der Impuls, aufzustehen und nachzusehen, war überwältigend. Widerwillig ließ ich den Zauberstab sinken und stand auf, beinahe genervt von meinem eigenen Bedürfnis, sicherzustellen, dass es ihr gutging.

Wie oft hatte ich mich in den vergangenen Wochen gefragt, warum sie meinen Gedanken solche Unruhe brachte?

Eine Schwäche, die ich verachtete und die ich doch nicht abschütteln konnte. Und es auch nicht wollte.

Als ich in ihr Zimmer trat, sah ich, dass sie sich leicht regte, als ob sie in einem unruhigen Schlaf gefangen war. Ihr Gesicht war bleich, die Brandmale waren verschwunden, doch eine tiefe Blässe und die Schatten unter ihren Augen ließen sie zerbrechlich wirken. Mein Blick auf ihre Hand, die schwach zuckte, als ob sie in einem Albtraum gefangen sei. Ihre Lippen bewegten sich kaum merklich, und ich konnte das Flüstern eines einzigen Wortes hören: „Tom.“

Mein Name auf ihren Lippen, so schwach und hilflos ausgesprochen, ließ eine seltsame Kälte durch mich fahren.

War es Reue, die sie in ihrem Schlaf spürte? Eine Ahnung der Schuld, die sie erfasste?

Ich wollte, dass es so war, wollte glauben, dass sie die Tragweite ihres Verrats erkannte. Und doch, als ich sie so daliegen sah, fiel es mir schwer, den Hass aufrechtzuerhalten, den ich mir seit ihrer Flucht mühsam eingeredet hatte.

Ich setzte mich auf einen Stuhl neben ihrem Bett, beobachtete sie eine Weile und überlegte, ob ich in ihre Träume eindringen sollte, um ihre Gedanken zu lesen. Doch ich entschied mich dagegen. Ihr Schlaf war bereits unruhig genug und es gab keinen Grund, ihre Qualen zu verstärken. Stattdessen ließ ich den Moment vergehen, beobachtete, wie sich ihr Atem allmählich beruhigte und wartete ab.

Meine Gedanken schweiften ab, zurück zu den letzten Wochen, in denen ich meine Anhänger in verschiedenen Ländern versammelt hatte, in denen ich Pläne geschmiedet und Strategien entwickelt hatte, um meine Macht zu vergrößern. Jeder dieser Schritte hatte mich auf meinem Weg gestärkt, hatte mir neue Verbündete gebracht, die bereit waren, für die Vision zu kämpfen, die ich ihnen skizzierte. Doch selbst während jener Versammlungen, umringt von denen, die mir blind folgten, hatte ein Teil von mir immer wieder an Katherine gedacht, an den Schmerz, den ihre Abwesenheit hinterlassen hatte. Es war ein Gefühl, das ich nicht begreifen konnte, und vielleicht war das der Grund, warum ich es nicht kontrollieren konnte.

Katherine regte sich wieder, und ihre Augenlider zuckten, als würde sie bald erwachen. Ich erhob mich, wandte mich ab und beschloss, sie erst einmal in Ruhe zu lassen. Sie würde ohnehin bald genug erwachen, und dann würde ich ihr die Fragen stellen, die mich seit ihrem Verrat verfolgten.

Zurück in meinem Arbeitszimmer ließ ich mich in den Sessel sinken und schloss die Augen. Katherines Stimme hallte noch immer in meinem Kopf wider und es war schwer, das Bild ihrer schwachen Gestalt auf der Lichtung, das mich immer und immer wieder heimsuchte, aus meinem Gedächtnis zu verbannen.

Plötzlich durchbrach ein Klopfen an der Tür meine Gedanken. Ich setzte mich auf und nahm meinen Zauberstab in die Hand, bereit für alles, was mich erwartete. Die Tür öffnete sich langsam und Avery trat ein, sein Gesicht ausdruckslos, doch seine Augen funkelten mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Anspannung. Er verbeugte sich leicht und sprach leise: „Mein Lord, wir haben von Eurer Ankunft in Rumänien gehört und sind gekommen, um Euch über den Horkrux zu berichten.“

Ich nickte knapp, verbarg meinen Zorn über Katherines Verrat und erwiderte kalt: „Das erübrigt sich. Der Horkrux ist zerstört.“

Averys Augen weiteten sich, und einen Moment lang schien es, als würde er den Atem anhalten. „Verzeiht, mein Lord… zerstört? Aber wie…?“

„Katherine“, sagte ich mit einem harten Ton in der Stimme. „Sie hat es gewagt, Dämonenfeuer zu beschwören, um den Kelch zu vernichten.“

Avery schüttelte fassungslos den Kopf. „Das ist unmöglich… Niemand, nicht einmal erfahrene Hexen und Zauberer wagen sich an diesen Zauber. Wie konnte sie…?“

Ich unterbrach ihn mit einem bitteren Lächeln. „Weil sie glaubte, dass sie unbesiegbar sei. Weil sie glaubte, dass ihre Abkehr von mir sie stark genug machen würde, um sich gegen mich zu stellen.“

„Und jetzt?“ fragte Avery vorsichtig, ein Hauch von Besorgnis in seiner Stimme. „Was gedenkt Ihr, mit ihr zu tun?“

Ich warf ihm einen kühlen Blick zu. „Das werde ich entscheiden, sobald sie erwacht. Doch wisse, Avery, dass JEDER für einen Verrat an mir zahlen muss!“

Lüge!

Avery nickte, doch in seinem Gesicht spiegelte sich eine Unruhe wider, die er kaum verbergen konnte. Es war klar, dass er mit der Situation überfordert war, dass er die Konsequenzen von Katherines Tat nicht begreifen konnte. Doch ich konnte es. Niemals aber, würde ich zugeben, dass es mir schwer fiel, ihr eine gerechte Strafe zuzuführen. Niemals würde ich ihr eine Strafe hierfür zufügen.

Nachdem Avery sich zurückgezogen hatte, erhob ich mich und ging erneut zu Katherines Zimmer. Dieses Mal öffnete ich die Tür und trat leise ein, mein Blick fiel auf ihre reglose Gestalt. Der Zorn, den ich empfunden hatte, war noch immer da, aber er verwandelte sich in etwas anderes, sobald ich sie erblickte. In Angst und Sorge.

„Katherine“, flüsterte ich, obwohl ich wusste, dass sie mich nicht hören konnte. „Warum musstest du diesen Weg wählen? Warum konntest du nicht an meiner Seite bleiben?“ Langsam näherte ich mir und strich ihr eine Haarsträhne behutsam aus dem Gesicht. "Ich hätte dir doch die Welt zu Füßen gelegt, wenn du mir die Chance dazu gegeben hättest."

Falling for the dark - Tom Riddle FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt