Besuch

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Am nächsten Morgen klopfte es an meiner Zimmertür. Meine Familie konnte es wohl nicht schnell genug gehen, wieder aus Berlin zu verschwinden. Ich war da eher zwiegespalten. Vielleicht wäre es gut, ich würde nochmal zu dem Ort zurückkehren, an dem alles passiert war. Vielleicht würde es mir helfen, es zu akzeptieren. Vielleicht würde es mich aber auch brechen. Ich versuchte vermehrt in mich hineinzuhören. Ja, ich hatte von der Geiselnahme geträumt. Ja, ich hatte Angst. Ja, es arbeitete in mir. Genau so groß war aber auch das Nein in der Frage, ob ich das jemals zugeben werde. Nein. Ich war stark. Ich kann das schaffen.

Letztendlich war das Klopfen an der Tür aber nicht von meiner Familie. Ich erschrak und war gleichzeitig erfreut, als plötzlich Tim vor meinem Bett stand.
„Ich hab ihnen gesagt ich wäre dein Bruder, da haben sie mir deine Zimmernummer verraten", waren seine ersten Worte, die lächelnd seine Lippen verließen.
„Tim!", rief ich erfreut, „du bist extra für mich hierher gekommen?"
„Ich wollte wissen, wie es dir geht", sagte er und kam näher.
„Soweit ist alles in Ordnung, ich werde gleich schon wieder entlassen. Wie geht es dir?"
„Ich hab mir Sorgen gemacht!", gestand er, aber es ist schön, dass dir nichts schlimmeres passiert ist!" Tim griff nach meiner Hand und setzte sich auf meine Bettkante. Ich versuchte, ein weiteres Lächeln zu unterdrücken. Ich versuchte, meine Gefühle ihm gegenüber nicht zu sehr zu zeigen. Und nicht zu stark werden zu lassen. Und so schön es auch war, dass er bei mir war, so waren diese Minuten doch eigentlich ein Abschied. Meine Augen wurden mit Sicherheit etwas gläsern, als ich ihn das nächste Mal anschaute und seufzte.
„Ich werde nach Hause fahren, Tim. Ich höre auf."
Tim nickte und strich mir den Daumen über meine Handfläche.
„Ja, verständlich. Nach all dem, was passiert ist."
„Kannst du Vanessa und Mark ausrichten, dass es mir Leid tut? Ich will sie nicht im Stich lassen, aber ich kann nicht zurück." Ich schluckte. Es war die richtige Entscheidung! Aber es tat wirklich weh.
„Hey, mach dir keinen Kopf! Jeder hat Verständnis für deine Entscheidung! Ich richte es aus! Auch wenn sie wahrscheinlich lieber gerne mit dir persönlich gesprochen hätten!"
„Ich weiß, ich hätte mich gerne verabschiedet...aber meine Familie ist besorgt...sie wollten mich sofort aus der Show holen."
„Was sehr schade ist", sagte er und sah mir in die Augen, „ich habe gehofft, wir hätten noch etwas Zeit..." Ich lächelte leicht. Wie lieb er doch war. Mein Herz klopfte wieder schneller.
„Ja, ich bin froh, dass wir nochmal sprechen konnten. Dass du hier bist..."
Tim lächelte.
„Mark hat gleich ein paar Interviews. Komm mit mir mit und verabschiede dich von ihm. Ich weiß, dass du das möchtest."
„Ich weiß nicht..."
„Ich fahr dich hin. Und dann fahre ich dich zurück hierher! Wir werden nicht lange weg sein."
Ich überlegte wieder. Er griff nach meiner zweiten Hand.
„Ich beschütz dich. Wenn Erinnerungen hochkommen, dann bin ich da!", fügte er hinzu und sah mir wieder tief in die Augen. Ich konnte nicht anders, ich musste hineinschauen. Immer länger. Und länger. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden. Er löste eine Hand von meiner und strich einmal sanft über meine Wange, bevor er sich zu mir beugte und ich die Augen schloss.
„Papa hat das Auto vor dem Haupteingang abgestellt, wir können", riss Coco plötzlich die Tür auf und stoppte mitten im Satz, als sie Tim auf meinem Bett sitzen sah.
„Oh - äh", machte er, ließ meine Hand los und stand auf. Er zupfte sich kurz an seinem Oberteil, dann lächelte er. Coco sah ihn durchdringend an. Als hätte er mir wehgetan. Und Tim? Er lächelte sie freundlich an.
„Du bist wahrscheinlich Luisas Schwester Coco, oder? Ich bin Tim", stellte er sich vor und streckte ihr die Hand entgegen.
„Spar dir das", antwortete sie nur und griff nach meiner Tasche. Ich sah Tim entschuldigend an.
„Können wir los?", fragte Coco in einem sehr strengen Unterton in meine Richtung.
„Ich wollte mich noch von Mark verabschieden", antwortete ich.
„Wir sind schnell zurück!", ergänzte Tim.
„Wir?", fragte Coco nach.
„Coco...", stöhnte ich.
„Wir haben darüber gesprochen", antwortete sie nur, „du brauchst ihn nicht, um dich von Mark zu verabschieden!"
„Entschuldigung?", fragte Tim.
„Meine kleine Schwester wird weder zu dir ins Auto steigen noch sonst irgendwo nochmal mit dir alleine sein, damit das klar ist!", Coco stellte sich frontal vor ihn.
„Coco, es reicht jetzt!", entgegnete ich.
„Hey Coco", sagte Tim immer noch ruhig und freundlich, „ich weiß, dass gestern ein sehr harter Tag für euch war! Aber glaub mir, ich hab alles versucht, um deine Schwester da rauszuholen! Ich mach mir selbst genügend Vorwürfe!"
„Die Kameras sind aus, du musst hier keine Show spielen!", entgegnete Coco.
„Eine Show? Was denn für eine Show?!"
„Lass meine Schwester in Ruhe! Fass sie nicht an!"
„Coco, hör auf! Sofort!", sagte ich und sprang aus dem Bett auf, um Tim zu verteidigen. Eine eher weniger gute Idee von mir, nach so vielen Stunden und wenig Schlaf eine solch ruckartige Bewegung zu machen. Ich schwankte etwas hin und her, mein Kreislauf musste erst wieder in Fahrt kommen. Tim, der vor mir stand, griff in meinen Arm und stützte mich.
„Alles gut?", fragte er besorgt.
„Ja", flüsterte ich.
„Ich mach das schon!", sagte Coco und drängte Tim von mir ab.
„Soll ich dir was zu trinken holen? Vielleicht Cola für den Kreislauf?", bot Tim an. Ich nickte.
„Sie trinkt keine Cola!", warf Coco ein, „das Zeug mochte sie noch nie!" Tim seufzte. Mir war es wirklich unglaublich unangenehm, wie sie mit Tim umging. Ich wartete noch einen kurzen Moment, dann fing sich mein Körper und ich befreite mich aus ihrem Arm.
„Gehst du bitte schonmal vor?", fragte ich sie dann.
„Luisa", sagte sie warnend.
„Geh bitte schonmal vor."
Sie sah mich an. Dann Tim. Dann wieder mich. Ich werde mir spätestens Zuhause etwas anhören können. Aber das war mir egal. Sie verließ fast schnaubend vor Wut mein Zimmer. Ich drehte mich zu Tim.
„Es tut mir Leid!", seufzte ich.
„Schon okay, sie gibt mir die Schuld für das, was dir passiert ist. Das verstehe ich." Ach Tim, wenn du wüsstest...
„Ich würde gerne nochmal zum Studio fahren! Also...wenn dein Angebot noch steht!"
„Klar!", lächelte er, legte einen Arm um mich und gemeinsam verließen wir das Zimmer. Nochmal: Er legte einen Arm um mich. Ich war im siebten Himmel. Ich wollte mich nicht von ihm verabschieden.
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Wie geht's wohl weiter, schreibt mir gerne eure Ideen! 😄😊

Plan B - KAMRAD / The Voice of Germany FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt