Ich konnte mir schon ungefähr vorstellen, was nun passieren würde, als ich nach den Untersuchungen in mein Krankenzimmer gebracht wurde. Außer diverser blauer Flecken und Blutergüssen hatte ich glücklicherweise keine Verletzungen davongetragen - zumindest nicht körperlicher Art - und trotzdem sollte ich eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus verbringen. Ich konnte quasi die Sekunden abzählen, bevor es an der Tür klopfte und meine Eltern und meine Schwester hineinstürmten und mich mit aufgebrachten Fragen löcherten, ohne mir dabei allerdings eine Sekunde Zeit ließen zu antworten. Für sie war es erstmal wichtig zu sehen, dass es mir gut ging und sie den Frust von der Seele reden konnten. Tränen liefen meine Wange hinunter.
„Ich dachte ich sehe euch nie wieder!", gestand ich und wurde ein weiteres Mal in den Arm genommen. Nur langsam kehrte Ruhe ein. Wir brauchte erstmal etwas Zeit, um unsere Ängste und Emotionen miteinander zu verarbeiten. Aber wir hatten Glück. Ich hatte überlebt. Coco setzte sich zu mir aufs Bett und griff nach meiner Hand während meine Eltern sich zwei Stühle vor das Bett schoben.
„Was genau ist denn passiert?", fragte Papa aufgebracht.
„Sie haben Tim aus dem Technikraum evakuiert und ich hab mich ohne ihn nichtmehr schnell genug verbarrikadiert."
„Sie haben jemanden gerettet und dich zurückgelassen?!", fragte Papa nochmal nach und ich nickte. Die Augen meiner Familie wurden groß. Es lag eine unangenehme Stille in der Luft. Papa stand auf, seine Atmung verschnellerte sich und er kratzte sich am Hinterkopf.
„Sie haben ihn gerettet und doch alleine zurückgelassen?!", frage er dann nochmal. Ich nickte.
„Sie konnten nur einen mitnehmen", erklärte ich und erschrak selbst, dass ich dies scheinbar für mich so akzeptiert hatte. Obwohl es an dieser Entscheidung nichts zu akzeptieren gab.
„WAS FÄLLT DENEN EIN, DEN TYPEN ZUERST MITZUNEHMEN UND EIN JUNGES MÄDCHEN DORT ZURÜCKZULASSEN?!", hob er die Stimme.
„Walter, bitte...", murmelte meine Mutter, wohl an die anderen Patienten in den Nebenzimmern denkend.
„NEIN! DAS IST ABSOLUT INAKZEPTABEL! WIR GEHEN VOR GERICHT!"
„Papa...", sagte Coco dann, „lass die Polizei erstmal ihre Ermittlungen machen!"
„War sonst noch jemand in dem Raum, der dir hätte helfen können?", fragte Mama.
„Nein, Tim und ich waren alleine."
Ich spürte, dass Coco bei diesen Worten kurz hochschreckte. Aber sie blieb still.
„Heißt es nicht immer, Frauen und Kinder zuerst?! Wo ist bitte sein Anstand?!", meckerte Papa weiter.
„Er hatte keine Wahl, er wollte mir den Vortritt lassen, aber die Produktion hat es anders verlangt. Er ist Coach, er wird gebraucht."
Diese Information brachte Papa zu einem erneuten Wutausbruch. Und hätte ich noch die Kraft gehabt, mit in diese Szene einzusteigen, dann hätte ich es getan. Ich konnte ihn verstehen. Voll und ganz. Er wollte mich beschützen.
„Du verlässt sofort die Show, du kommst nach Hause!", beschloss er dann und ich nickte. Ich wollte keine Sekunde länger mehr Teil davon sein. Bis auf eine Ausnahme: Tim.
„Ich will mich noch verabschieden!", sagte ich, „ich werde für Vanessa den Auftritt machen und mich danach verabschieden."
„Auftritt? Show? Nein, nein, nein! Soll sich diese ach so tolle Produktion Gedanken machen, wie sie ein Battle mit nur einer Person organisiert! Du bist raus!"
„Schatz, Papa hat recht...du bist niemandem dort was schuldig, im Gegenteil!"
„Mark kann nichts dafür!", sagte Coco.
„Und Tim und Vanessa auch nicht", ergänzte ich.
„Den Namen Tim Kamrad will ich nicht mehr hören! Du kommst nach Hause, Luisa! Ich fahre ins Hotel und hole deine Sachen!", beschloss Papa und verließ den Raum.
„Geh mit ihm, bevor er vor Ort eine Szene macht!", sagte ich zu Mama und sie nickte. So blieben meine Schwester und ich zurück.
„Tut mir Leid, Coco...ich weiß, dass das dein Traum war!", flüsterte ich.
„Nein! Mir tut es Leid! Du bist nur wegen mir in dieser Situation gewesen! Du hättest sterben können!", sagte sie mir Tränen in den Augen und drückte meine Hand.
„Ich bin hier! Alles okay!", beruhigte ich sie, „du konntest nicht ahnen, das so etwas passiert!"
„Was ist mit den anderen?"
„Die waren schon zurück im Hotel, nicht auf dem Studiogelände. Und Team Samu ist auch mit einem Schrecken davongekommen. Soweit ich weiß ist nichts Größeres passiert."
„Aber...wenn Team Mark schon wieder im Hotel war...warum warst du noch...", sie stoppte und überlegte. Mir lief ein Schauer den Rücken herunter, als sie mich entsetzt ansah, „nein...nein, Luisa sag mir, dass das nicht wahr ist!"
„Ich...ich bin auf dem Studiogelände herumgeschlendert, als der Schuss fiel", beteuerte ich. Und es war die Wahrheit!
„Du warst mit Kamrad im Technikraum, weit weg von allen anderen! Luisa, du hast mir versprochen, du hältst dich von ihm fern! Hast du mit ihm rumgemacht?!"
„Nein! Das war"
„Wenn ich mir nur vorstelle, wie er seine Griffel an meiner kleinen Schwester hat, irghh", redete sie weiter.
„Hör sofort auf, so über ihn zu reden!", stoppte ich sie, „wir waren rein zufällig zusammen dort!"
Coco stöhnte und zog sie Augenbrauen nach oben.
„Rein zufällig also? Ich dachte wir stehen uns näher...und jetzt lügst du mich an für diesen...diesen...Möchtegern-Superstar?"
„Coco, bitte! Ich war alleine im Technikraum! Alle anderen Türen in der Nähe waren verschlossen! Ich hab ihn reingelassen, hätte ich ihn vielleicht lieber sterben lassen sollen?!"
„Du hast die Tür nochmal geöffnet?! Die erste Regel bei einem Amok-Alarm ist, dass"
„COCO! Stopp! Bitte! Uns beiden geht es gut. Das ist alles, was zählt!"
„Ich will dich nur beschützen! Weil ich dich lieb hab!"
„Ich weiß!", nickte ich und nahm sie in den Arm. Sie meinte es gut, wenn auch auf ihre ganz eigene Art und Weise. Es machte mich traurig, dass ich mit ihr nicht über meine Gefühle zu Tim reden konnte. Nicht darüber, dass ich ihm schon wieder einen Korb gegeben hatte. Und nicht darüber, dass ich ihn sehr vermissen werde. Aber nochmal zurück in die Show? Das konnte ich mir nicht vorstellen!————————
Hallo zusammen, ich hoffe euch gefällt das neue Kapitel! 😊👋🏻
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Plan B - KAMRAD / The Voice of Germany Fanfiction
Hayran KurguLouisa wird von ihrer Schwester bei The Voice of Germany angemeldet und plötzlich sind noch ganz andere Gefühle im Spiel als nur die Liebe zur Musik...