Kapitel 25 ☾

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Jamal öffnete die Studiotür, und wir traten ein. Die schweren Beats dröhnten durch die Boxen, doch die Atmosphäre im Raum fühlte sich eingefroren an. Die Jungs sahen nur kurz auf, als wir hereinkamen, und ihre Blicke verrieten mehr, als Worte es jemals könnten. Sie merkten sofort, dass etwas nicht stimmte.

„Ihr seid wieder da", sagte Shokii trocken und nahm die Kopfhörer ab. Sein Blick wanderte prüfend zwischen uns hin und her.

„Ja, lass uns weitermachen", murmelte Jamal und stellte sich ans Mikrofon, bereit, seinen Part zu rappen. Seine Stimme war ruhig, doch jeder, der ihn kannte, hörte die Spannung, die sich wie eine dünne Klinge durch seine Worte zog.

Ich ließ mich leise auf der Couch in der Ecke nieder, während Jamal und die anderen versuchten, die Session wieder in Gang zu bringen. Doch die Energie war verschwunden. Jeder Beat, jede Melodie wirkte verstimmt, als würde die Anspannung im Raum jede Kreativität ersticken. Jamal spürte es offensichtlich auch. Nach knapp einer Stunde lehnte er sich zurück, rieb sich erschöpft die Augen und schüttelte schließlich den Kopf.

„Ich lass' es für heute", sagte er leise. "Macht ohne mich weiter." Seine Stimme klang müde, beinahe gebrochen.

Die Jungs nickten nur stumm, keiner widersprach. Ich konnte in ihren Gesichtern lesen, dass sie es akzeptierten, auch wenn sie wussten, dass Jamal nicht wirklich bei der Sache war – meinetwegen. Doch auch mich belastete die Situation. Mit einem sanften Lächeln verabschiedete ich mich, aber die Jungs erwiderten es nicht. Ihre Blicke trafen mich wie stille Vorwürfe.

Wenig später standen Jamal und ich vor seiner Wohnungstür. Der Weg dorthin war von Schweigen geprägt gewesen, beide versunken in unseren Gedanken. Als wir eintraten, schien die Wohnung kälter als sonst – trotz der warmen Beleuchtung und der vertrauten Möbel. Jamal ließ sich schwer aufs Sofa fallen und starrte auf den Boden, während ich unsicher in der Tür verharrte.

„Setz dich", sagte er schließlich, ohne mich anzusehen.

Zögernd ließ ich mich auf die andere Seite des Sofas nieder. Die Distanz zwischen uns fühlte sich an wie eine unsichtbare Mauer.

„Ich weiß, dass ich überreagiere", begann er leise, und seine Stimme zitterte. „Aber diese Streitereien, Mila ... Sie fühlen sich an wie eine Last. Eine, die ich nicht mehr tragen kann."

Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. „Eine Last", wiederholte ich, und meine Stimme brach. „Also bin ich die Last, oder?"

„Nein!" Jamal hob den Kopf und sah mich flehend an. „Das meine ich nicht so. Es ist nur ... Es fühlt sich an, als würden uns diese Streitereien zerbrechen, und ich will das nicht. Ich will, dass das aufhört. Ich brauche dich, Mila. Einfach dich. Ohne all das. Ich brauche deine Nähe, ohne das Gefühl, dass gleich die nächste Bombe platzt."

Seine Verzweiflung war fast greifbar, doch ich fühlte mich hilflos, unfähig, ihm zu geben, was er sich wünschte. „Ich weiß nicht, wie ich das machen soll, Jamal", flüsterte ich. „Ich weiß nicht mehr, wo ich hingehöre. Nicht zu dir, nicht zu mir selbst. Jedes Mal, wenn ich denke, wir sind auf einem guten Weg, passiert wieder etwas, das uns zurückwirft."

"Aber ich weiss nicht wie lange ich das noch aushalten kann Jamila. Verstehst du das? Geht das in deinen Kopf rein? Warum ist es so schwer für uns? Willst du nicht das es klappt?"

"Jamal-"

Jamal stand plötzlich auf, seine Bewegungen unruhig. „Ich muss raus."

„Wohin willst du?" fragte ich, doch er antwortete nicht. Er griff nach seinen Schlüsseln und verschwand aus der Tür.

"Das kann doch nicht sein Ernst sein." Flüsterte ich verblüfft vor mich hin.

Ich blieb wie versteinert auf dem Sofa sitzen. Wände, die sich wie mein Zuhause anfühlten, schienen plötzlich fremd und sich bedrohlich um mich zu schließen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, und ich wollte einfach nur aufstehen und nach Hause gehen. Doch mein Körper gehorchte mir nicht – ich war zu erschöpft von allem. Schließlich ließ ich mich einfach fallen, spürte die Kälte, die mich langsam einhüllte.

Ich griff nach meinem Handy und versuchte erneut, Jamal zu erreichen. Wieder erfolglos. Der piepsende Ton seiner Mailbox fühlte sich wie eine Wand an, die mich von ihm trennte, und trotzdem sprach ich:

Jamal, bitte, ich weiß, dass es dir nicht gut geht, und es tut mir leid. Ich will einfach nur, dass du zurückkommst. Egal, was war, wir schaffen das. Bitte, melde dich bei mir. Ich- ich brauche dich.

Meine Stimme brach am Ende, und ich legte zitternd auf. Die Stille in der Wohnung war erdrücken. Nach öfterem ändern meiner Position wurden schließlich meine Augenlider schwer, und ich schlief auf seinem Sofa ein.

                                Jamals Sicht

Ich wusste, es war falsch, einfach abzuhauen. Aber wer könnte sich jeden Tag dieselben endlosen Streitereien antun, ohne den Hauch einer Veränderung? Es endete immer gleich, und ich hatte das Gefühl, Jamila nie wirklich gerecht werden zu können.

Die kühle Nachtluft traf mich, als ich ins Auto stieg. Der Motor brummte leise, während ich ziellos durch die Straßen fuhr. Mein Kopf war ein einziges Chaos aus Schuldgefühlen, Wut und Einsamkeit. Mehrmals klingelte mein Handy, aber ich schaltete es aus.

Wie sollte ich ihr erklären, was in mir vorging? Dass ich mich oft allein fühlte, selbst wenn sie bei mir war? Dass ich sie nicht erreichen konnte, egal, wie sehr ich es versuchte?

Ich fuhr weiter, bis ich in eine Gegend kam, die ich eigentlich vermeiden wollte. Um mich davon abzuhalten, hielt ich an einer Raststätte, holte mein Zeug aus der Bauchtasche und drehte mir einen Joint. Der Rauch brannte in meiner Lunge, aber er konnte die Gedanken nicht ersticken.
Ich stieg wieder ins Auto ein und fuhr die Route weiter.

Schließlich fand ich mich doch in der vertrauten Gegend wieder. Ich parkte das Auto und starrte eine Weile auf das warme Licht der Wohnung. Alles in mir wusste, dass es falsch war, hierherzukommen. Aber ich war verzweifelt, suchte nach etwas – oder jemandem –, der mich verstand.

Ich zögerte kurz, doch klopfte an der Tür, und diese öffnete sich kurz danach. Erstmal nahm ich nur die Silhoutte wahr, doch als das schwache Licht auf ihr Gesicht fiel, sah ich ihre verschlafenen Augen.

„Jamal? Was machst du hier?" fragte sie überrascht.
„Alisha, habe ich dich geweckt?" murmelte ich.
„Nein, alles gut. Komm rein", sagte sie leise und machte mir Platz, um in die Wohnung einzutreten.

Auf dem Weg zu ihrem Zimmer deutete sie auf die Tür ihrer Eltern, ein stummes Signal, leise zu sein. Ich ließ mich auf ihr Bett fallen, und sie brachte mir ein Glas Wasser.

"Hier." sagte sie leise. "Trink das."
„Warum machst du das, Alisha?" fragte ich, während ich sie musterte.
„Was denn?" entgegnete sie, ihre Stimme ruhig, aber müde.
„Warum nimmst du mich jedes Mal auf, obwohl ich dich immer ablehne oder enttäusche?"

Sie zögerte kurz und sah dabei so zerbrechlich aus.

„Das ist wohl die hässliche Seite der einseitigen Liebe."

Ohne ein weiteres Wort schloss sie die Tür ab, um zu vermeiden, dass mich jemand hier erwischt. Sie kam zurück und legte sich neben mich. Sie zog meinen Kopf an ihre Brust und fuhr sanft durch mein kurzes Haar.

"Egal was du gerade durchmachst, es wird gut Jamal." flüsterte sie.

Ich hielt sie fest, wusste aber, dass sie nicht das war, was ich wirklich wollte.
Sie war nur das, was ich gerade hatte, denn die Nähe der Person die ich wirklich wollte tat weder mir, noch ihr gut.

Verliebt, trotz allem. - jamal blaqWo Geschichten leben. Entdecke jetzt