Kapitel 26

184 21 3
                                    

Ich sprang mit einem Satz über den Zaun und rannte gleichzeitig mit Randy in die Arena. Die Musik hatte sich zu einem Crescendo gesteigert, dass das dramatische Ereignis auf allzu passende Weise untermalte. Mein Herz raste im gleichen Rhythmus wie meine Schritte, während ich zu der Stelle sprintete, an der Ohitika vom Pferd gestürzt war. Als ich ihn erreichte, hatte er sich bereits aufgesetzt, gestützt von Thokala. Er hielt sich die Schulter und verzog das Gesicht vor Schmerz. An seinen Händen sah ich Blut, und dennoch war ich unendlich erleichtert, dass ihm offenbar nichts Schlimmeres passiert war.

Caseys Stimme schallte aus den Lautsprechern. Er entschuldigte sich vielmals beim Publikum, aber die Show müsse aufgrund eines Unfalls nun beendet werden. Alle sollten bitte geordnet die Tribünen verlassen. Ich achtete nicht weiter darauf, sondern ging neben Ohitika auf die Knie. „Bist du in Ordnung?", fragte ich mit zittriger Stimme.

Er nickte, aber sein Atem ging schwer. „Meine Schulter ..."

Vorsichtig betastete ich seine Schulter. Sie war geschwollen und begann bereits, sich zu verfärben. Auch seine Hand, mit der er die Waffe gehalten hatte, sah übel aus – die Haut war aufgeschürft und blutig.

„Was ist passiert?", hörte ich Randy gedämpft fragen, weil meine Ohren noch wie mit Watte gefüllt waren.

„Der Schuss", brachte Ohitika unter Mühen hervor. „Er hatte zu viel Kraft." Er sprach auf Lakota, hatte aber Randys Frage offenbar verstanden.

Randy runzelte die Stirn, nachdem ich übersetzt hatte. „Das sollte nicht passieren."

„Lasst mich mal sehen", sagte eine entschlossene Frauenstimme. Ich wandte mich um und erblickte Fifi, die ebenfalls außer Atem wirkte. Thokala hob die Waffe auf, deren Lauf bedrohlich rauchte, und reichte sie ihr.

Sie betätigte vorsichtig den Hebel, sodass die leere Patronenhülse aus der Kammer herausfiel, und hob sie vom Boden auf. Ihr Gesicht verfinsterte sich. „Die ist manipuliert", sagte sie. „Jemand hat zusätzliches Pulver und ein echtes Geschoss hinzugefügt. Dafür sind die Hülsen nicht ausgelegt. Das erzeugt einen viel stärkeren Rückstoß und könnte im schlimmsten Fall zu einer Explosion der Waffe führen."

Randy stieß einen unterdrückten Fluch aus. Ich spürte, wie Wut in mir aufstieg, aber ich konzentrierte mich wieder auf Ohitikas Verletzung. „Die Schulter muss versorgt werden", rief ich.

„Bin schon da", meldete sich Cal, der neben seiner Arbeit als Pferdetrainer bei der Show für die Erste Hilfe zuständig war – bei Tieren und Menschen.

Er und Thokala halfen Ohitika, aufzustehen. Ich hielt mich zurück, da ich wusste, dass die beiden Männer stärker waren als ich. Sie führten ihn in das Zelt neben der Arena, das als Backstagebereich diente. Cal lotste Ohitika zu einem Stuhl und begann, seine Schulter zu untersuchen. Seine Hände tasteten vorsichtig das Gelenk ab.

„Okay, das wird jetzt kurz wehtun", sagte er ruhig, so wie er auch mit seinen Pferden sprach. „Ich werde jetzt deine Schulter wieder einrenken."

Ohitika nickte nur und biss die Zähne zusammen, doch er verzog keine Miene, als Cal seinen Arm ergriff und mit einem schnellen Ruck die Schulter wieder an ihren Platz schob. Ich musste seine Selbstbeherrschung bewundern, obwohl ich schon oft Zeugin davon geworden war.

„Gut gemacht", lobte auch Cal. „Er sollte seinen Arm in den nächsten Tagen schonen. Ich kann ihm ein Schmerzmittel geben."

Das lehnte Ohitika jedoch ab, als ich es ihm vorschlug. Er traute der Medizin der Weißen nicht.

Während Cal die Schürfwunden an seiner Hand reinigte und verband, blickte ich besorgt durch den Zelteingang nach draußen. Die Luft wirkte wie elektrisch aufgeladen. Am Horizont türmten sich bereits bedrohlich dunkle Wolken auf. Das Gewitter stand kurz bevor und wir mussten hier verschwinden. Ich wechselte einen Blick mit Thokala, der schweigend daneben gestanden hatte. Er nickte, anscheinend hatte er den gleichen Gedanken gehabt.

Plötzlich Indianer - Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt