Joanne schlug langsam die Augen auf. "Morgen..." murmelte sie bemüht zärtlich und strich über die Seite des Bettes, auf der eigentlich Ed liegen müsste.
Was er nicht tat.
Natürlich nicht. Schon seit drei Tagen wachte Joanne jeden Morgen neben einer kalten Betthälfte auf, und schlief auch neben einer solchen ein. Außer einem hastig hingeschmierten Zettel ("Ich bin einkaufen" - Ed ging NIE einkaufen) und einer SMS am Tag ("Wird heute wieder später, Schatz. xx Ed." Wieso sollte er so lang zum einkaufen brauchen?) hörte sie nie etwas von ihm. Rief sie ihn an, ging er nicht dran oder hatte sein Handy abgeschaltet, und wenn sie ihm SMS schickte, antwortete er nicht.
Und jetzt hatte er ihren dritten Hochzeitstag vergessen.
Heute jährte sich ihr Tag zum dritten Mal. Aber Ed war nicht da, und Joanne würde wieder herumsitzen und warten und hoffen, ob er nicht doch vielleicht kam, was er nicht tat. Nahm er einen Song auf? So oft? Ohne es ihr zu sagen? Oder gab er Konzerte? Nein. Sicher nicht.
Für Joanne gab es nur eine Erklärung: Erst drei Jahre, nachdem sie geheiratet hatten, zerbrach ihre Beziehung schon wieder.
Joanne biss sich auf ihre blöde zitternde Unterlippe. Ihre Augen brannten.
Was tat er, jetzt gerade, während sie hier lag und grübelte? Betrog er sie? Oder war er nicht so einer und ging ihr nur aus dem Weg, bis er den Mut gefunden hatte, es ihr zu sagen?
Niemals hätte sie damit gerechnet, dass es es so schnell und auf diese Weise enden würde.
Sie schwang ihre Beine aus dem Bett. Überrascht fand sie nicht den alltäglichen "Bin einkaufen" - Zettel vor, sondern eine längere Nachricht - auf schwerem, gutem Briefpapier.
"Heute Abend im Millmore? Acht Uhr, Stammtisch. Ich erwarte dich.
xx Ed."
Eine Träne tropfte auf das Papier und die Schrift verwischte. Jetzt wollte er mit ihr Schluss machen. Das Millmore war das Restaurant, in dem er ihr den Antrag gemacht hatte. Was für ein Galgenhumor, dass sie sich dort wieder trennen würden.
Dann würden sie sich scheiden lassen, und dann würde jeder von ihnen sein eigenes Leben weiterleben.
Gut. Dann würde sie ihm heute noch einmal zeigen, was er verlor.Als sie um fünf vor den Spiegel trat - frisch geduscht, sozusagen auf "Beauty Zero" - wollte sie als erstes ihr Medaillon abnehmen. Es war eine schöne Kette, die Ed ihr zu ihrem ersten Hochzeitstag geschenkt hatte. Theoretisch konnte man sie aufmachen und dann war dort ein Foto von den beiden zu sehen, aber praktisch war der Verschluss verbogen und der Anhänger an sich sehr angelaufen, da es echtes Silber war. Das kam nicht etwa daher, dass Joanne ihn nicht gepflegt hatte, sie hatte ihn nur lediglich fast zwei Jahre nicht abgelegt.
Sie tastete an ihrem Hals, aber da war keine Kette und auch kein Anhänger. Ihr Medaillon war fort.
Für einen Moment verfiel sie in Panik. Neben ihrem Ehering war dies ihr wichtigstes Schmuckstück - wo war es? Aber dann fiel ihr ein, dass nach diesem Abend sowieso kein "Ed und sie" mehr existieren würde, und umso besser, je weniger Erinnerungen sie hatte, die sie den Liebeskummer verstärken würden.
Obwohl sie sich vehement dagegen wehrte, fraß sich der Schmerz jetzt schon in sie. Sie liebte Ed, und wenn jetzt wirklich Schluss sein sollte, würde er ein Loch in ihr Leben reißen, das sie nie wieder flicken konnte.
Vorsorglich schminkte sie sich wasserfest. Auf Eyeliner verzichtete sie, denn ihre Hände zitterten jetzt schon.
Als ihr Fahrer sie pünktlich um fünf vor Acht vor dem Millmore absetzte, war ihre Stärke schon fast wieder dahin. Auf ihre Augen hatte sich ein Tränenfilm gelegt, der sich nicht wegblinzeln ließ, ihre Hände zitterten immer noch und ihre Nase lief.
Ed saß schon in ihrer Stammecke, mit dem Menü vor dem Gesicht, damit er nicht sofort von allen erkannt wurde.
"Joanne!" sagte er freudig, als sie auf ihn zutrat, und stand auf, um sie zur Begrüßung zu küssen.
Sie wendete das Gesicht ab, und er traf statt ihrem Mund ihre Wange.
"Ist alles in Ordnung?" fragte er verblüfft.
"Das solltest du dich selbst fragen!" schleuderte sie ihm entgegen, aber es klang nicht halb so selbstbewusst, wie sie es gern gehabt hätte.
Er seufzte. "Tut mir leid, dass ich in den letzten Tagen so selten zu Hause war. Aber ich wollte dir nichts verraten..."
Oh Gott, jetzt kommt es, dachte Joanne und ein Klumpen sammelte sich in ihrer Kehle.
"...habe dir nur diese Zettel geschrieben und nicht geantwortet, weil..."
Bleib stark, Joanne.
"Das hier eine vollkommene Überraschung für dich sein sollte."
Er holte ein Schmuckkästchen aus der Jackentasche und klappte es auf. Darin lag, repariert und glänzend wie eine Speckschwarte, Joannes Medaillon. Ed klappte es auf und darin war ein wunderschönes Foto von den beiden auf ihrer Hochzeit.
"Ich musste einen Kurs besuchen, um zu lernen wie man sie repariert und graviert, tut mir leid dass die Gravur ein bisschen krumm geworden ist. Aber ich habe es selber gemacht. Herzlichen Glückwunsch zum dritten Hochzeitstag, Schatz."
Erst jetzt bemerkte Joanne, dass außen etwas draufstand, was vorher noch nicht dagewesen war: We keep this love forever ♡
Sie starrte ihn an. "Du wolltest dich gar nicht von mir trennen?"
Er riss die Augen auf. Und lachte. "Wie kommst du darauf?! Wegen meinen kurzen Nachrichten? Oh Schatz, das tut mir total leid! Ich dachte, du weißt, dass ich dich liebe."
Joanne beugte sich über den Tisch und küsste ihn stürmisch. Mehr war dazu nicht zu sagen.
Außer, dass sie ihn natürlich auch liebte.
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(Fandom) One Shots/Imagines (German and English)
FanficOne Shots oder Images von vielen verschiedenen Fandoms. Wahrscheinlich überwiegend Mittelerde :D Vorschläge für One Shots oder Imagines nehme ich gerne jederzeit als Kommentar oder Privatnachricht an :) Viel Spaß! One Shots or Imagines of many diffe...