Kapitel 11 : "Wiedersehen"

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"Ihr glaubt nicht , wer mich heute angerufen hat!", schrie mein Vater und ließ sich neben mich auf die beigefarbene Couch fallen. Meine Mutter und ich sahen ihn fragend an.
Es machte mich glücklich , meinen Vater wieder lächeln zu sehen , denn neuerdings lief wieder alles glatt in seinem Arbeitsleben und das wirkte sich natürlich positiv auf sein Wohlbefinden aus. Er legte seinen Arm um mich und fuhr fort: "Imad. Unser ehemaliger Nachbar , er wollte wissen , wie es mir geht . Er erzählte mir von seinem Sohn .." Baba überlegte kurz :".. Anas genau, also Anas hatte sich lange nicht gemeldet und jetzt machte er sich Sorgen. Mein Vater schüttelte traurig den Kopf : "Der ärmste , klang völlig aufgelöst , er möchte jetzt nach Palästina und ihn finden." Mein Herz klofte in einem viel zu schnellen Rhythmus gegen meine Brust und ich hatte wirklich Angst, dass das mein Vater , der nur einige Zentimeter entfernt saß, spüren würde. Ist das nicht total verrückt , wie ich mir solche Sorgen um ihn machte ? Anas, so gut er auch ist, hatte vermutlich nichtmal einen Gedanken an mich verschwendet und bei mir hat nur der Ausspruch seines Namens enorme Auswirkung auf meinen Puls. Ich wusste nicht wirklich , ob es diese naja Liebe ist . Ich wusste nur , dass ich ihn bewunderte. Er riskierte sein Leben für Menschen , die er nicht kannte und die ihn nicht kannten. Er riskierte sein Leben , weil er wusste , dass diese Menschen Hilfe benötigen und das nur geht, wenn man auch bereit ist Aufzustehen und gewisse Risiken in Kauf zu nehmen. Sie hatten sich ein solches Leben nicht ausgesucht. Trotzdem wünschte sich ein Teil in mir , er wäre nicht geflogen und würde jetzt wieder auf dem Balkon sitzen um ein Buch zu lesen.
"Glaubst du er wird es schaffen : ihn finden? ", schoss es nun aus mir raus.
Mein Vater zuckte mit den Achseln und presste seine Lippen fest zusammen : "In sha Allah - So Gott will , ich wünsche es ihm von ganzem Herzen." Mich durchfuhr eine Gänsehaut : Wenn Baba, einer der größten Optimisten, schon die Zweifel packten, war das meist kein gutes Zeichen.
Mein Orientierungspraktikum hatte ich abgeschlossen und mein Zeugnis war wirklich hervorragend, also wenn das keinen guten Eindruck hinterlässen würde, weiß ich auch nicht. Cassie hatte ich meine Nummer gegeben und sie darauf hingewiesen, dass sie jederzeit anrufen kann, wenn es ihr mal nicht so gut gehen würde. Ob sie es macht , ist eine andere Frage. Ich hatte ab und zu ihr Notizbuch durchgeblättert , einfach um sicher zu gehen, dass was drin steht, aber ich wollte mir die Dinge nur durchlesen, wenn sie es mir erlauben würde und dazu ist es leider nie gekommen . Ich hoffte inständig , dass sie dieses Notizbuch weiterführen wurde und es ihr irgendwie , in irgendeiner Weise helfen würde. Mit Lukas und Ahmed hatte ich kaum noch gesprochen , jetzt würde wieder jeder seiner Wege gehen. Wir hatten zwar das Orientierungspraktikum alle in der gleichen Schule und Stadt gemacht , aber wir studierten alle auf verschiedenen Unis. Man hatte uns sozusagen zusammengewürfelt . Naja, ich hatte sowieso kein Verlangen die Beiden unbedingt wieder zu sehen.
Trotz meiner Semesterferien , hatte ich aller Hand zu tun, denn Bahars plötzliche Verlobung stand vor der Tür und ich war so eine Art Trauzeuge. Naja eigentlich war ich alles mögliche : Ich war Psychologin , wenn Bahar mal wieder ihre Bedenken und Stimmungsschwankungen hatte, ich war Beraterin , wenn Bahar ihr 30. Kleid anprobierte , ich war der Spiegel aus Schneewittchen , der ihr ständig bestätigen musste, dass sie wunderschön ist und Burak sie niemals wegen ihres Aussehens verlassen würde, also kurz : Ich war ihre beste Freundin und das War garnicht so einfach .
Wenn man vom. .. ehh Engel spricht , auf meinem Bildschirm erkannte ich wie ein Anruf von Bahar eingang. Ich löste mich aus dem Arm meines Vaters, drückte ihm einen Kuss auf den Handrücken und lief die Treppen hoch in mein Zimmer.
"Oh mein gott Firdaus, mir fällt ein wir haben gar kein Kleid für dich Morgen !!!! Gott wie konnte ich das vergessen!" , schrie Bahar aufgebracht in den Hörer . "Doch natürlich habe ich ein Kleid .", beruhigte ich sie.
"Welches?", fragte sie unglaubwürdig . Ich verdrehte meine Augen, obwohl sie das nicht sehen würde und sprach mit ihr langsam , so ähnlich wie man mit Kleinkindern spricht und machte nach jedem Wort eine Pause : "Das.. Was... Wiiiiirrr... zusammen ... gekauft... haben ." Es war eher ein schlichtes Kleid : langarm, schwarz und mit goldener Stickerei . Für ihre Hochzeit wollte ich mir etwas prunkvolleres nähen lassen.
"Ahh oh Gott ,das hatte ich ganz vergessen ! Stimmt , puuh jetzt bin ich aber beruhigt !!" Bevor ich was sagen konnte , verabschiedete sich hektisch und erzählte mir , dass sie noch Einiges zu erledigen hat.
Ich konnte es immernoch nicht fassen : Bahar würde die ersten Schritt zum Bund der Ehe machen ! Wir steuerten geradewegs aufs Erwachsenensein zu und das bereitete mir zugegebenermaßen weiche Knie.

Möge Allah uns im Jenseits zusammenführen..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt