"Vertrau ihm nicht"

Kapitel 1

"Annie!", rief Owen, mein Bruder. Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel um sicher zu sein, dass mein Haar noch genauso perfekt aussash wie vor seinen Worten. "Ich komm' schon", rief ich und griff nach meiner Tasche. Ich eilte zu ihm, nach unten. "Hast du alles?", fragte er und hob beide Augenbrauen. Ich nickte übereifrig und wollte endlich fahren, weit, ganz weit weg von hier, zu meinem Freund, Kyle. Es war ein Wochenende wie jedes andere, wo ich meinen Freund, der knapp hundert Kilometer von mir entfernt lebte, besuchen durfte. Naja, 'durfte' stimmte nicht ganz, eher unerlaubt, aber was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß, stimmt's? Und mit 'er' meine ich meinen Dad, der mit seiner neuen, blonden Barbie, Rosa Ann Marie, im Flugzeug sitzt und sich Urlaub von mir und meinem Bruder gönnt. Seine letzten Worte waren: Wenn ich erfahre, dass du zu deiner Liebe fährst, brauchst du dich gar nicht erst wieder nach Hause zu trauen. Klingt nach einer Drohung, zumindest meiner Meinung nach. Ich wär' ja eigentlich gerne bei meiner Mutter geblieben, aber damals als meine Eltern sich scheiden ließen, war ich sieben Jahre alt und alle hielten es für besser bei einem wohlhabenden Vater zu leben als bei einer alkoholsüchtigen Mutter. Tja und da mein Bruder schon alt genug war um zu entscheiden, wollte ich unbedingt mit ihm zusammen bleiben, was übrigens auch dazu beitrug weshalb ich mich für meinen Vater entschied. Er erhielt auch das alleinige Sorgerecht für Owen und mich. Kein Jahr später lernte er diese blonde Barbie, wie ich sie vorher nannte, kennen und ließ sie auch noch bei uns einziehen. Mein Vater las ihr jeden Wunsch von den Lippen und an manchen Tagen hatte ich das Gefühl als wäre ihm die Tussi wichtiger wie seine Kinder, sein eigenes Fleisch und Blut.
In einigen Nächten lag ich stundenlang weinend wach, einfach weil ich in der Nacht mehr Zeit zum Denken hatte. So sehr ich auch versuchte nicht zu denken, es funktionierte nicht.