Kapitel 21 das kleine Mädchen

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"Mmm", jammerte ich und versuchte leicht meine Augen zu öffnen. Ich griff mir an den Kopf, der mit einem Haufen Laub bedeckt war. "Huuu", schreckte ich und hob meinen Kopf um mich umzusehen. Ich habe es tatsächlich geschafft., dachte ich zufrieden und lächelte mit geschlossenen Augen. Das Sonnenlicht strahlte direkt in mein Gesicht und hielt mich warm. Mein Mund war staub trocken und mein Magen knurrte. Mich überfiel der Schwindel, jedes Mal wenn ich aufstehen wollte, sakte ich wieder zu Boden. Ich krallte mich an den Baumstamm vor mir und zog mich dann langsam nach oben. Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen und taumelte den Weg entlang. Irgendwann besserte sich dann mein Kreislauf und ich konnte wieder schneller gehen. Jede fünf Meter die ich schaffte, drehte ich mich mindestens einmal um, weil ich glaubte, dass mich jemand verfolgte. Andauernd bildete ich mir Brians Stimme ein wie er rief: "Ich seh dich!" oder "Lauf, bevor ich dich habe". Mir lief es kalt über den Rücken. In weiter Ferne erkannte ich zwischen den ganzen Bäumen eine schimmernde Oberfläche. Zuerst war es nicht ganz klar aber je näher ich kam desto mehr sah es aus wie ein kleiner See. "Yes!", rief ich und rannte die letzten paar Meter. Noch nie war ich so glücklich gewesen einen See, oder überhaupt Wasser zu sehen. Ich kniete mich in das feuchte Gras und beugte mich über das Wasser. Mir war es egal wie dreckig es war, ich schürfte es einfach in meinen Mund. Ich beobachtete mein verzerrtes Spiegelbild und konnte dabei nicht behaupten, dass ich die war, die hier saß. Das zersauste Haar, der Gestank, die Narben, das verdreckte Gesicht... Ein Wort um es gut zu beschreiben? Grauenhaft! Es sah grauenhaft aus. Ich hörte auf zu trinken, dafür weinte ich. Wieso ich? Was hatte ich falsch gemacht, dass ICH diesen Horror durchmachen muss?, fragte ich mich und versuchte mein Schluchzen zu unterdrücken. "Nicht weinen", flüsterte eine Stimme hinter mir und legte mir seine Hand sanft auf meine Schulter. Ohne einen Ton von mir zu geben drehte ich meinen Kopf augenblicklich nach hinten. Da stand ein kleines Mädchen, ungefähr sieben Jahre alt. Ich wischte mir die Tränen weg und fragte es dann: "Na? Was machst du denn hier?" Sie streichelte ihre Puppe und drückte sie fest gegen ihren Bauch. Sie zupfte an dessen Haaren und antwortete: "Ich bin mit meinem Bruder hier. Wir spielen verstecken" Ihre Kleidung war verdreckt und ihr dünnes, blondes Haar, dass sie zu einem Pony gebunden hatte, war komplett verfilzt. Es sah mehr so aus als hätte man sie dem Schiksal überlassen. "Wo ist denn dein Bruder?", fragte ich sie und wollte die beiden unbedingt aus dem Wald schaffen. Sie zuckte mit ihren Schultern und antwortete: "Ich hab ihn schon seit..." Die Kleine unterbrach den Satz und zählte mit ihren Fingern bis drei. "... drei Tage nicht mehr gesehen" Somit war der Satz beendet. "Drei Tage?", rief ich erstaunt und runzelte die Stirn. Sie nickte und schmiegte sich an ihre Puppe. "Dann werden wir jetzt deinen Bruder suchen und euch hier weg bringen" Ich nahm ihre Hand und versprach mir in Gedanken sie keineswegs los zu lassen. "Wie ist dein Name?", fragte ich und richtete meine Blicke auf die Erde, falls da Fallen oder sowas waren. "Brooklyn. Und wie ist deiner?" "Schöner Name", sagte ich und lächelte. "Ich heiße Annie, aber die meisten nennen mich Ann" Ich sah kurz zu ihr und dann sofort wieder nach unten. "Wie kommt es, dass ihr ausgerechnet in diesem Wald, hier im nirgendwo spielt?" Es war wirklich komisch, denn weit und breit war hier nichts. "Unsere Eltern haben uns hier her gebracht. Wir sind hier jedes zweite Wochenende und leben hier in einer Hütte", antwortete sie und wischte sich ihre Nase. Das klang irgendwie ein kleines bisschen unheimlich, das Hänsel und Gretel Märchen war doch auch in so einer Art, nicht? Ich stellte mir ihre Eltern richtig hochnäsig vor. Wer setzt schon seine Kinder übers Wochenende aus nur um sein Vergnügen "treiben" zu können!? "Und wie alt ist dein Bruder?" "17", antwortete sie ohne zu zögern. Wow., dachte ich erschrocken. Der muss ja auch nicht ganz dicht sein, wenn er sich dagegen nicht wehrt! Vielleicht wurden sie ja geschlagen, wenn sie sich wehrten? Aber von was für einer Hütte, hatte sie vorher gesprochen? "Was für eine Hütte? Weißt du noch wo die ist?" Sie nickte und meinte sie könnte mich sogar hinführen, da sie den Wald sowieso schon inn und auswendig kenne. Mir kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, bis wir endlich dort ankamen. "Er war hier", sagte sie und erstarrte als wir vor der kleinen Hütte standen. Ihre Pupillen erweiterten sich obwohl wir in der Sonne standen und sie zerquetschte ihr Puppe. Die Tür stand weit offen und man konnte ins dunkle hinein sehen. "Wer war hier?",fragte ich und bekam eine Gänsehaut. "Wir müssen hier weg!", rief sie und zog an meinem Arm ohne auf meine Antwort zu antworten. Die Fenster waren mit Schmutz bedeckt. War da noch jemand drinnen? Erst als ich die Schritte hörte, dachte ich mir wieso ich nicht früher weg gelaufen bin. Ich ging leise rückwärts zurück und befahl ihr auf meinen Rücken zu steigen, damit wir schneller waren. Sie klammerte ihre Hände um meinen Bauch und dann lief ich und versteckte mich hinter dem nächst dicksten Baum. "Shhh", flüsterte ich und hielt meinen Zeigefinger vor den Mund. "Sei jetzt bitte leise", sagte ich ruhig. Ich spürte ihren warmen Atem in meinem Nacken und sie zitterte als wäre es Winter. Ich hörte wie er die quitschende Tür langsam schloss. "Bitte kommt er nicht in unsere Richtung", betete ich in Gedanken und stellte mich soweit zum Stamm, dass sie ihn mit ihrem Rücken leicht berührte. Ich hörte wie sich die Schritte langsam entfernten. "Ist er weg?", fragte ich und spähte am Baumstamm vorbei. "Ist das der Mann?", fragte ich Brooklyn und trat hervor, dass sie ihn sehen konnte. "Sie nickte und versteckte sich hinter meinem Rücken. "Ja", sagte sie mit einer hochen Stimme. Es war Brian.

"Vertrau ihm nicht"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt