-Kapitel 3-

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Die Fahrt verlief totenstill. Ich saß auf der Rückbank von Andrews Wagen und starrte regungslos aus dem Fenster. Die Gedanken schwirrten nur so umher.

Ich konnte kaum in Worte fassen, wie ich mich fühlte. Andrew und Onkel Tom unterhielten sich leise miteinander, weswegen ich nur jedes dritte Wort verstand. Onkel Tom hatte seinen linken Arm nach hinten ausgestreckt und sanft seine Hand auf mein Knie gelegt, was mich ziemlich beruhigte. 

Wir fuhren aus der Stadt raus, bis wir nur noch auf einer einspurigen Straßen standen und von Feld umgeben waren. Ich fuhr das Fenster leicht runter und atmete die Luft von frischem Heu und Löwenzahn ein. Der Himmel war tiefschwarz. Wie spät es wohl war? Ich kramte mein Handy aus meiner kleinen Tasche und schaltete es ein. 15 verpasste Anrufe von Laura. Verdammt! Wir wollten ja auf die Party gehen. Ich seufzte lautlos und schrieb ihr eine kurze Nachricht, dass es mir gut ginge und sie sich keine Sorgen machen sollte.

Mittlerweile war es Mitternacht. Ich spürte, wie es im Auto augenblicklich dunkler wurde, worauf ich verwirrt meinen Kopf hob. Wir waren in einen Wald gefahren. „Onkel? Wo sind wir?" Fragte ich ihn. Er drehte sich zu mir um und fuhr sich durch sein pechschwarzes Haar. „Wirst du schon sehen." Lächelte er aufmunternd. Ich nickte und gähnte. Diese ganze Sache machte mich fertig und müde. 

Am liebsten würde ich mich jetzt in mein weiches Bett fallen lassen und dann am nächsten Morgen von meinem Vater geweckt werden, worauf er sich zu mir ins Bett gesellt und mir Pancakes mit frischem Sirup vor die Nase halten würde. Aber nichts dergleichen wird passieren. Mein Vater war weg. Und ich wusste nicht, was ich nun tun sollte. 

Ohne ihn war ich nichts.

Das Auto wurde plötzlich in hellem Licht erstrahlt und meine Augen weiteten sich. Eine riesige Villa aus hellem Marmor erstreckte sich vor mir. Scheinwerfer, die das große Anwesen bestrahlten, machten deutlich, wie unglaublich groß und schön es war. Wir fuhren durch den langen Weg und ich bewunderte sprachlos den großen Rasen und die Kirschbäume, die im Wechsel mit Laternen an dem Weg angereiht waren. 

„Adele?" Mein Onkel riss mich aus meinen Gedanken und starrte mich erwartungsvoll an. „Wir müssen aussteigen." Ich nickte immer noch von dieser Anlage überwältigt und stieg mit zittrigen Beinen aus. Andrew fuhr das Fenster hinunter und lächelte. „Du packst das, Adelina Sophie." Und damit fuhr er weiter um die Villa herum und verschwand hinter dem Haus. Unsicher blieb ich neben meinem Onkel stehen. 

Das Anwesen war so groß, dass es mir schon fast Angst machte. Tom nahm meine Hand und zog mich die helle Treppe nach oben zum riesigen Haupteingang. Während er klingelte, drehte ich mich um und begutachtete die vier langen Säulen, die neben den Treppen standen. 

„Ja bitte?" Fragte eine weibliche Stimme durch die Lautsprecheranlage. „Tom Benson." Gab mein Onkel von sich und nach ein paar Sekunden erschien ein kleiner viereckiger Bildschirm, welcher grün aufleuchtete. Er drückte zuerst seinen Daumen du darauf und ließ dann sein rechtes Augen scannen. Es summte und die große Tür öffnete sich von allein. 

Das Licht in der Eingangshalle blendete mich und ich kniff meine Augen zu. Eine Frau saß hinter einem Pult rechts von uns und tippte etwas in einen teuer aussehenden Computer. 

„Willkommen Mr. Benson und Oh! Mrs. Benson! Ich heiße sie herzlich Willkommen in unserem Anwesen. Fühlen sie sich wie zu Hause." 

Die Frau lächelte freundlich und rückte ihr Headset auf dem Kopf zurecht. „Danke Diana." Antwortete Tom, während ich nur höflich nickte. Woher sie mich kannte, wusste ich nicht, aber ich traute mich nicht zu fragen. „Wir müssen meine Nichte für einige Zeit hier unterbringen. Geben sie ihr bitte ein Zimmer. Wenn es geht in der Nähe von mir." Sagte Onkel Tom, worauf Diana nickte und etwas in den Computer tippte. 

Ich beobachtete gedankenverloren die jungen Männer und Frauen, die in der Eingangshalle umherwuselten und in irgendwelche Richtungen verschwanden und widmete mich dann Diana. Sie war vielleicht Ende Dreißig, aber sah dennoch ziemlich gut aus. Ihre blonden Haare hatte sie streng zu einem Dutt gesteckt und ihre schwarze Brille rutschte ihr alle paar Sekunden von der Nase, worauf sie die wieder hochschob. „Wir hätten da noch ein Apartment frei. Es ist gleich den Flur runter von ihnen aus." Apartment? „Oh, ich brauch doch kein ganzes Apartment..." Sagte ich unsicher, doch mein lieber Onkel ignorierte mich und überreichte mir den Schlüssel, den ich zögernd annahm. Ich nickte Diana nochmal höflich zu und lief dann meinem Onkel hinterher zu den seriösen Glasaufzügen. „Wie lange bleibe ich hier?" Fragte ich kleinlaut und schaute auf mein Kleid, welches ich immer noch trug. Ich hatte nicht mal irgendwelche Sachen bei mir. „Ich weiß noch nicht." Antwortete er kurz. Zwar war ich nicht ganz zufrieden mit der Antwort, aber sagte nichts mehr dazu und blieb stumm, bis wir im vierten Stock ankamen. 

Zwar hatte diese Villa nur vier Stockwerke, aber es erstreckte sich noch nach hinten und war riesengroß. Wir liefen einen endlosen Flur entlang, an unendlich vielen Türen vorbei, bis wir um die Ecke gingen und vor wahrscheinlich meinem Apartment stehen blieben. „So, hier wohnst du. Mein Apartment ist den Gang runter." Mein Onkel stupste mich aufmunternd an und ich holte tief Luft, ehe ich den Schlüssel ins Schloss steckte.

Das Apartment bestand eigentlich nur aus einem riesigen Raum. Eine Wand war aus mehreren Bodenfenstern, sogar in der Mitte des Raumes gab es ein Deckenfenster. Wenn man reinkam, führte eine Tür zum Badezimmer. Links von der Eingangstür gab es eine Couchecke mit einem Fernseher und wenn man weiterging, schmückte ein großes Bett den Raum. Ein Schreibtisch mit einem silbernen Laptop stand daneben und gegenüber davon war eine Küche eingebaut. Allerdings befand sich traurigerweise nichts zu essen dort. An der nächsten Wand neben dem Schreibtisch standen mehrere Kleiderständer mit leeren Kleiderbügeln nebeneinander angereiht. Diese Wohnung entsprach eher einem Teenager, als einem Agenten.

Es klopfte an der Tür, worauf ich leicht zusammenzuckte. Bevor ich die Tür öffnete warf ich noch einen Blick in den Spiegel daneben und erschrak beinahe bei meinem Aussehen. Ich sah aus, wie eine Drogenabhängige. 

Meine Wimperntusche war verschmiert vom Weinen und mein Kleid war zittrig. Meine Frisur war verstrubbelt und total unordentlich, doch ich ignorierte es einfach und öffnete die aus dunklem Holz bestehende Tür. Ein blondes Mädchen stand vor mir. „Hey!" Rief sie und hob grinsend ihre Hand. „Ich bin Scarlett." 

Ich nickte und blickte sie fragend an. „Ehm, also Mr. Benson hat mir gesagt, ich soll dir ein paar Sachen vorbei bringen, weil du ja so gut wie nichts hast..." Sagte sie unsicher und hob eine schwarze Tasche hoch. „Oh, d-danke." Stotterte ich. „Aber du musst mir wirklich nichts von deinen Sachen geben." 

Sie schüttelte den Kopf. „Ist schon okay, ich habe sowieso zu viele Klamotten." Sie lachte leicht, worauf ich leise mit einstimmte. „Komm doch rein." Sagte ich schließlich, worauf ihr Gesicht anfing zu strahlen. Mit großen Schritten war sie drin und begutachtete alles. 

„Ist zwar ein bisschen kalt, aber mit der Zeit wirst du dich schon einleben." Einleben? Ich wollte so schnell wie möglich weg von hier. Sie warf die Tasche auf mein Bett und sich selbst gleich hinterher, worauf ich wieder lachen musste. „Also! Du bist auch 'ne Neue?" Ich starrte sie verständnislos an. „I-Ich will hier keine Ausbildung machen." Stotterte ich und blickte verlegen woanders hin. „Warum bist du dann hier?" Fragte sie und ließ ihre Beine vom Bett baumeln. Ich schluckte. „Mein Vater ist entführt worden." Sie hielt inne und ihre Augen weiteten sich. „D-Du bist Adelina Sophie?" Fragte sie ungläubig. Warum war ich hier so bekannt? 

„Woher weißt du-?" „Oh mein Gott! Ich bin so ein großer Fan von deinem Vater!" Rief sie und sprang auf. „Er ist sowas von der Tom Cruise in Mission Impossible!" Obwohl ich nicht wollte, kicherte ich leise. „Leider wusste ich bis eben nichts von dieser ‚Mission Impossible' Welt." Sie antwortete nicht und gab nur ein ‚Oh' von sich. 

„Ehm also, ich kann dir nur sagen, dass er ein großer Held ist und ich bin mir sicher, dass die Leute hier ihn bald zurückholen werden." Ich nickte nur schwach. Es herrschte kurz Stille, worauf sich Scarlett nur unsicher über ihre Hose strich und dann schließlich aufstand. 

„Ich sollte mal gehen, du bist bestimmt müde. Wenn du magst, kannst du morgen bei mir und meinen Freunden frühstücken. Ich hol dich ab." Ich nickte dankbar und folgte ihr zur Tür. 

Ich starrte ihr nach, bis sie um die Ecke verschwand.

Bravery (Liam Payne Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt