8 - Nachmittagsgespräche

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Auf dem Pflasterboden kniend schoss ich Fotos vom Brandenburger Tor. Das Licht war perfekt, es war früher Abend, der Himmel war noch blau, aber bald würde das schöne Farbenspiel des Sonnenuntergangs beginnen. Heimlich knipste ich noch Bilder von Ardy, der lässig angelehnt an einer Säule stand und genüsslich an seiner Zigarette zog. Marley unterhielt sich angeregt mit Taddl im Café nebenan und nippte immer mal wieder an seinem Tee. Das wirklich Tolle an den Jungs war, dass sie immer, und wirklich ausnahmslos, gechillt waren und den Tag genossen. Ich bewunderte sie für ihre ausgelassene Stimmung.
Da - der Sonnenuntergang hatte eingesetzt. Schnell wechselte ich meine Position und nahm die kleine Currybude vor die Linse, um schöne Bilder von ihr zu schiessen. "Malerische Fotos von Berlin, die Stadt soll im Magazin von ihrer Schokoladenseite gezeigt werden. Und denken Sie daran, Ihr Name wird unter den Fotos stehen, also reissen Sie sich ihren Arsch auf und schiessen gute Fotos! Das Ambiente soll so dargestellt werden, als würde ein Autor Berlin mit schönen Adjektiven beschreiben. Klar?", hatte mein Chef von mir verlangt. Das klang jetzt vielleicht nicht gerade nett von ihm, aber ich mochte Herr Handten, meinen Boss. Er war direkt und ehrlich, redete nicht um den heissen Brei herum. Und alles, was er abknipste, sah auf seinen Bildern besser aus, als es in Realität war. Er war mein Vorbild, mein Idol. Ich würde so viel hergeben, um mit ihm eine Fotosession zu machen.

Seufzend beendete ich meine Geschichte über den gestrigen und chaotischen Nachmittag bei meiner Schwester.
"Fünf Kinder? Haben sie und ihr Ehemann denn noch nie was von einem Kondom gehört? Meine Fresse!", rief Marley ungläubig.
"Vielleicht leidet die Arme an einer Latex-Allergie", gab Ardy schulterzuckend zu Bedenken.
"Oder der Mann. Der hat's ja echt gut erwischt, wenn er die Alte fünfmal schwängert. Der muss ja einen Bolzen in der Hose haben! Wäre sicherlich ein guter Pornostar. Hat er einen Schnauzer?" Taddl kratzte sich am Kinnbart.
Ich lachte. "Nein, hat er nicht. Aber ich glaube, er hatte mal einen. Wisst ihr, diese Fragen - also ausser die mit dem Porno - habe ich meiner lieben Schwester auch gestellt. Ihr müsst wissen, sie und ihr Mann sind sehr religiös und, ich zitiere, wenn Gott ihnen nach dem Sex ein Kind schenkt, dann sind sie froh, dass sie ihm mit Verhütung nicht in sein Werk gepfuscht haben." Die Jungs lachten und ich lachte auch.
"Nicht böse gemeint, aber du hast eine echt schräge Schwester. Bist du auch so religiös?", fragte Ardy, immer noch lachend.
"Nein, gar nicht. Ich glaube an die Wissenschaft. Aber ich finde es schön, wenn Menschen an Gott glauben. Gläubige haben in jeder Lebenssituation einen Fels in der Brandung, jemanden, an denen sie sich immer wenden können, auch wenn er vielleicht gar nicht existiert."
"Das hast du schön gesagt", lächelte Ardy und die anderen nickten zustimmend. Ich wurde rot und lächelte schüchtern.

Schicksal - Taddl TjarksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt