26 - Zuhause

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Ein pochender Schmerz an meinem Hinterkopf brachte mich wieder in die Realität zurück. Langsam kamen Geräusche hinzu, ich hörte weit entfernte Stimmen. Meine Ohren rauschten ein bisschen, aber ich konnte einzelne Wortfetzen verstehen. Jemand rief meinen Namen. Grelle Punkte begannen vor meiner schwarzen Sicht zu tanzen. Langsam öffnete ich meine Augen und musste blinzeln.
"Oh Gott, ich dachte, du bist tot! Wie kommst du nur auf die beschissene Idee, alleine irgendwo hinzugehen?" Taddl kniete sich neben mich und half mir, mich langsam aufzurichten. Ein Fremder, der meine Beine in die Höhe hielt, liess mich los und lächelte mir ermutigend zu. Ich realisierte, dass ich in Ohnmacht gefallen sein musste. Um mich herum standen viele Menschen, darunter auch Ardy und Luna, vorallem aber fremde Leute.
"Trink, Alisha", sagte Luna und hielt mir eine Cola hin. Ich trank die ganze Flasche in einem Zug aus und lehnte mich an Taddl. Er hielt mich fest und strich mir liebevoll über den Rücken.
"Was hast du dir nur dabei gedacht?" Missbilligend sah er mich an.
"Ich musste nur kurz aufs Klo...", murmelte ich. Langsam löste sich die Menge und wir alle verliessen den Toilettenraum.
"Ich rufe uns ein Taxi." Luna verschwand, Ardy nahm den kleinen Wagen mit den Koffern und gemeinsam gingen wir in Richtung Ausgang.

Es war ein kurzer Weg vom Flughafen bis zur Wohnung von Taddl und Ardy. Mittlerweile wohnte Luna aber auch da und wie sich herausstellte, besassen die drei einen süssen Chihuahua mit dem Namen Pipi. Allerdings hatten sie die kleine Hündin aber über die Ferien zu Ardys Bruder gebracht, weil sie Pipi ja nicht alleine lassen konnten. Als wir todmüde in der Wohnung ankamen, wollte ich es mir zuerst auf der Couch gemütlich machen, aber Taddl sah mich nur verständnislos an und führte mich in sein Schlafzimmer. Er gab mir ein Shirt und verschwand dann im Bad. Ich zog mich um, was lange dauerte, weil ich 1. total müde und kaputt war und 2. ich mir die Zeit nahm, das Zimmer sorgfältig unter die Lupe zu nehmen. Es war mir eine Spur zu modern und zu kalt. Unter dem Fenster stand ein grosser, weisser Schreibtisch mit einem teuer aussehendem Computer darauf, eine Pflanze mit langen Blättern, die ein bisschen Wasser vertragen konnte, einen Stapel Blätter und eine leere Flasche. Ich war mir sicher, dass Taddl oft an diesem Tisch sass. Wenn man ins Zimmer kam, war links an der Wand ein schönes Bett, es war gross und ich erkannte LED-Leisten am Bettrand. Das Bett war ungemacht, ein Teil der schwarzen Bettdecke lag auf dem Boden. Auf der anderen Seite des Zimmers befand sich ein weisses Regal, das ich näher betrachtete. Ein CD-Cover war ausgestellt, daneben ein Foto von Taddl, Ardy und Marley. Sie standen gemeinsam vor einem riesigen Publikum auf der Bühne und blickten grinsend in die Kamera. Ich entdeckte einen silbrigen Button von YouTube und auch einen goldigen, beide für einen Kanal namens "LetsTaddl". Wow, so berühmt war er also. Es waren überall Fotos. Fotos von Reisen mit Freunden, von Tieren und der Natur. Ich entdeckte auch ein paar Fotos von Taddl und Ardy ohne Tattoos, sie sahen so süss und unschuldig aus.
"Man sieht es nicht, aber ich war so unglücklich zu dieser Zeit. Ich wollte immer so sein, wie ich jetzt bin. Nämlich ich selbst." Ich zuckte vor Schreck zusammen. Wie war er nur so leise ins Zimmer gekommen? Taddl sah sich das eine Foto an und schüttelte den Kopf. "Komm, gehen wir schlafen." Er setzte sich aufs Bett und zog sein Shirt aus. Seine Haut war gebräunt von der Sonne und brachte seine angedeuteten Muskeln schön zur Geltung. Wäre ich nicht so müde gewesen, hätte ich den tollen Anblick sicherlich genossen. Taddl legte sich hin und klopfte auf die freie Seite neben ihm, weshalb ich mich schüchtern an ihn rankuschelte.
"Schläfst du immer im BH?", wollte er wissen. Ich schüttelte den Kopf.
"Wieso ziehst du ihn dann nicht aus?" Zögernd sah ich ihn an. Sollte ich mich vor ihm ausziehen? Nach einem kurzen Moment beschloss ich, ihn auszuziehen. Schliesslich musste ich mich ja nicht vor ihm schämen.
"Gute Nacht." Lächelnd deckte er mich zu und legte einen Arm um meine Taille. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis ich eingeschlafen war.

Langsam öffnete ich meine Augen und blickte direkt ins helle, geöffnete Fenster. Die Sonne schien mir warm aufs Gesicht und der Himmel zeigte sich von seiner schönsten Seite. Lächelnd stand ich auf und zog mir meinen BH wieder an. Ich bemerkte, dass Taddl nicht im Bett lag. Als ich hinaus in den Flur trat, hörte ich Ardy und Taddl rappen. Es klang gut und ich erinnerte mich wieder an das Foto auf der Bühne in Taddls Zimmer.
"Wie geht es dir?", fragte Luna, während ich in die Küche schlurfte.
Ich gähnte. "Ich habe erstaunlich gut geschlafen." Lächelnd sah ich Taddl an, der mich grinsend musterte. Es war mir nicht peinlich, dass sie mich mit meiner Out-Of-Bed-Frisur oder in dem viel zu grossen T-Shirt von Taddl sahen, denn ich fühlte mich wohl. Luna war die Einzige, die wirklich angezogen war, Taddl hatte sich noch nicht rasiert und sein Haar, das normalerweise zu einem kleinen Zopf gebunden war, stand ihm wirr auf der einen Seite ein bisschen ab. Ich lächelte und setzte mich an den Tisch, der reichlich gedeckt war. Leider entdeckte ich nirgends Fleisch. Waren sie Vegetarier?
"Iss. Du hast viel zu wenig gegessen in der letzten Woche. Kleine Empfehlung: Ardys Avocado-Creme, die ist super!" Taddl gab mir eine Scheibe Vollkornbrot.
"Das darf ich nicht essen, wegen meiner Allergie...", murmelte ich.
"Doch, das ist glutenfreies Brot. Habe ich extra gekauft." Stolz sah mich Ardy an. Wow, er hatte es sich gemerkt! Also machte ich mich über das Frühstück her. Ich verschlang zwei Brote mit Avocado-Creme, die tatsächlich sehr gut war, den Rest von Taddls Müsli mit Joghurt, ein Glas frisch gepressten Orangensaft und einen Pfefferminztee, leider ohne Zucker, weil sie gar keinen aufgetischt hatten und ich also davon ausging, dass sie dagegen waren. Es war bemerkenswert, wie biologisch sie assen. Nur Bio, kein Fleisch und total gesund. Das würde man von Taddl und Ardy gar nicht denken, wenn man sie so ansah.

Der Tag verging leider wie im Flug. Mir ging es besser, ich hatte kein Fieber mehr und auch all die anderen Symptome gingen zurück. Aber zum Rausgehen war ich noch nicht fit genug, das wusste ich. Also blieb ich bei meinen Freunden und nahm Teil an ihrem Leben. Es fühlte sich so an, als wäre Samstag, dabei war es Dienstag. Wir spielten eine Runde Mario Kart 8 auf der Wii U, nur leider war ich schrecklich schlecht in diesem Spiel, weshalb ich den Kontroller an Luna übergab, die eigentlich gerade an einem Video für ihren Kanal schnitt. Sie erlaubte mir, ihren Computer zu benutzen, also suchte ich bei YouTube Taddls Kanal und fand ihn auch, aber stellte fest, dass er gar keine Videos mehr produzierte. Das Gleiche bei Ardy. Nur Luna war noch aktiv auf dieser Plattform unterwegs, weshalb ich mir ihre Kopfhörer schnappte und mir ein paar ihrer Videos ansah. Es war so komisch, sie auf dem Bildschirm zu sehen, vorallem weil sie so anders war in ihren Videos als in Realität. Mir wurde schnell klar, dass sie nur einen winzigen Teil ihres Lebens auf YouTube teilte, was ich als sehr sinnvoll empfand.
Später am Nachmittag kochten wir gemeinsam eine Gemüsepfanne mit Reis und assen vor dem Fernseher, während wir eine Dokumentation über das Meer schauten. Es war irgendwie komisch, weil sie sich für sowas interessierten, aber andererseits: wieso nicht? Also kuschelte ich mich in Taddls Arme und sah mit ihnen den Film an. Es war total kitschig, weil Taddl mir manchmal einen Kuss auf den Kopf gab oder mich streichelte, aber es war mir egal. Ich war glücklich. Und ich fühlte mich geborgen.

Am Abend fuhr ich mit dem Taxi zu mir nach Hause. Es war so komisch, plötzlich wieder alleine zu sein und ich fühlte mich einsam. Mir fehlten meine Freunde, die ich erst vor kurzem kennengelernt hatte, mir aber so sehr ans Herz gewachsen waren. Und ich vermisste Taddl. Oh, und wie ich ihn vermisste. Sein Lachen, sein Lächeln und seinen Charakter. Ich dachte die ganze Zeit an ihn. Während dem Essen, während dem Duschen, während dem Aufräumen. Schlussendlich nervten mich meine Gedanken an ihn, weil es so viele waren. Also ging ich schnell schlafen, damit ich endlich Ruhe hatte. Es war schön, endlich wieder in meinem Bett zu liegen, obwohl ich jetzt auch gerne neben Taddl gelegen hätte. Lächelnd schlief ich ein.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 12, 2016 ⏰

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Schicksal - Taddl TjarksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt