23 - Auseinandersetzung

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Als ich den schlafenden Taddl im Bett neben mir sah, schnappte ich schnell meine Kamera und knipste ihn ab. Die Haare, die er sonst immer zu einem Zopf gebunden hatte, waren ganz verwuschelt. Zwei kleine Strähnchen lagen ihm wirr im Gesicht und ich musste dem Drang widerstehen, sie ihm hinters Ohr zu streichen. Taddl schlief auf der Seite, sein nackter Oberkörper war nur bis zu den Rippen bedeckt und ein Arm hing schlaff über dem Bettrand. Sein Mund stand leicht offen und seine Lippen waren so trocken, dass sie an einigen Stellen aufgerissen waren und bei der nächsten Bewegung zu bluten anfingen würden.
Gerade, als ich ein weiteres Foto vom süss schlafenden Taddl schiessen wollte, öffnete er seine Augen und fixierte mich.
"Was soll das?" Verschlafen rieb sich mein Kumpel die Augen.
"Was soll was?", fragte ich verwirrt.
"Du hast Fotos von mir während dem Schlafen gemacht!"
Ich wurde sauer. Was fiel ihm eigentlich ein? "Ach, so ist das also. Du findest es selber beschissen, aber was war denn mit dem Video in Berlin?!" Wütend blitzte ich ihn an. Taddl setzte sich auf und bedeckte seinen Oberkörper mit der weissen Decke.
"Miese Stimmung hier, ich verpiss mich. Wer kommt mit?" Ardy stand auf und schritt zur Tür. Alle huschten schnell aus dem Zimmer.
"Du hast die Videos also gesehen." Taddl versuchte mit seinen Händen seine wirre Mähne zu bändigen, was ihm kläglich misslang.
Ich schnaubte. "Mein Foto ist nichts gegen dein Stalking-Scheiss, den du in Berlin abgezogen hast! Du hast mich meiner Kamera beklaut und mich unerlaubt gefilmt. Beim Schlafen, essen, arbeiten, einfach bei allem!"
Er schwieg einen Moment. Ich dachte schon, dass er sich entschuldigen wollte, aber natürlich wollte er das nicht. "Und wie lautet denn nun deine Antwort?"
"Antwort? Auf was?"
"Auf meine Frage, natürlich." Genervt verdrehte Taddl die Augen. Stimmt...Beim ersten Video hatte er mir am Ende eine Frage gestellt. Bist du glücklich, Alisha?
"Nein, ich bin wütend. Wütend auf dich!"
"Generell. Bist du glücklich mit deinem Leben?"
"Lenk nicht vom Thema ab, Taddl, deine beschissene Frage interessiert niemanden!"
"Doch, mich. Also - bist du nun glücklich oder nicht?" Taddl angelte sich seine Hose und schlüpfte hinein.
"Halt endlich deine Klappe! Wieso hast du mich gefilmt?" Ich stand wütend auf und packte mein Equipment zusammen.
"Weil du verdammt nochmal nicht weisst, wer du bist, Alisha! Du bist so vertieft darin, du zu sein, dass du dich gar nicht selber kennst. Du verstehst nicht, wie intelligent du bist, wie neugierig, wie bescheiden, wie schön. Du bist du, aber du kennst dich nicht!" Taddl sah mich durch seine müden, aber vor Wut funkelnden Augen an und presste seine Lippen zusammen. Ich musterte ihn von oben bis unten, sah seine nackten Füsse, seine langen, dünnen Beinen in der engen schwarzen Jeans, sah den Rand seiner Boxer, bemerkte die leichten Muskeln auf seinem Oberkörper und schliesslich betrachtete ich sein Gesicht. Dass sein Kinn schräg war, konnte man nur durch den blond-braunden Bartwuchs erkennen, wenn man Taddl sehr intensiv musterte. Normalerweise war es mir peinlich, Leute so anzustarren, aber im Moment wollte ich mir sein Gesicht genauestens einprägen. Mein Blick wanderte zu den vollen Lippen, zur Nase, zu den schönen blauen Augen, zu seinen buschigen Augenbrauen mit dem Tattoo, zum ME-Tattoo schräg unter seinem Auge und daneben diese beiden gezackten Lininen.
Langsam strich ich mit meinem Finger über die Tattoos an seinem Hals und konnte fühlen, wie Taddl schluckte. Meine Hand wanderte über seinen Bart bis hin zu seiner Unterlippe. Und dann drückte ich ihm einen federleichten Kuss auf die Lippen. Als ich mich von Taddl löste, bemerkte ich sein Lächeln.
"Siehst du? Du bist unberechenbar." Lächelnd hielt er mir seine Hand hin und als ich sie ergriff, zog er mich an sich und küsste mich. Küsste mich, als wäre ich die Luft, die er zum Atmen brauchte.

Schicksal - Taddl TjarksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt