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Liandra

Als Samuel, Lilly wieder in ihre Zelle brachte, zog sich alles in mir zusammen. Mir wurde schlecht, ich zitterte wie Espenlaub und mein Rachen brannte vor Durst. Wie lange hatte ich nichts mehr getrunken oder gegessen ? Über diese Frage wollte ich mir gar nicht erst den Kopf zerbrechen, es nütze sowieso nichts. Aber als ich sah das Lilly sich nicht rührte, und nur dort lag, mischte sich zu all diesen quälenden Gefühlen auch noch das Gefühl der Angst und der Schuld. Ich war schuld gewesen das sie operiert wurde und nicht ich. Das war mir klar geworden. Aber ich hätte es nicht verhindern könnten. Auch das war mir klar geworden. Ich wusste nicht wieso Samuel mir nichts antun konnte, ich wusste nicht wieso er mich vorzog und Lilly quälte aber ich wusste das es etwas geben musste. Aber ich würde ihn nie lieben, würde ihn nie respektieren, obwohl es es von mir verlangte. Das würde ich nie tun. Und das war mir klar geworden als er Lilly auf ihr Bett legte und ihre Infusionsflasche anschloss. Er war brutal und gemein, er hatte kein Mitgefühl, kein Schuldgefühl. Er war kalt und krank.

Und dieser Blick mit dem er mich angeschaut hatte nachdem er Lillys Zelle abgeschlossen hatte...diese braunen, dunklen Augen, sie machten mir Angst. Ich konnte sie kaum richtig lesen, immer wieder versuchte ich zu verstehen was in seinem Kopf abging, was er dachte aber ich kam nicht drauf. Es ist, als wäre er ein Buch das mir für immer verwehrt zu sein scheint. Und ich fragte mich auch ob meine Tränen, Lillys Tränen, ihn nicht trafen, ob er nicht sah wie schlecht es uns ging ? Oder wollte er es nicht sehen und sich weiter glauben lassen das alles super wäre und wir bald springen würden so wie er es gerne hätte ? Lillys Leben mag er schon zerstört haben, aber meins noch nicht und das würde er auch nie schaffen. Zumindest redete ich mir das ein.

Nachdem er dann verschwunden war, weinte ich wieder, rollte mich auf meinem Bett zusammen und schluchzte in die Matratze, die nach vermodertem roch. Mir wurde wieder übel doch ich wollte mich nicht rühren, wollte nicht wieder den Blick zu Lilly schweifen lassen. Sie musste schmerzen Haben, doch was von viel schlimmer war, sie würde nie wieder gehen können. Wie Brandnarben hat sich das Bild von ihr auf der Liege, die verbände um die Knie, in meinen Kopf gebrannt. Ich würde sie nie wieder verdrängen können.

Da ich mein Zeitgefühl total verloren hatte wusste ich nie wie lange ich dort lag doch irgendwann wurde dieses Übelkeitsgefühl so stark das ich mich auf die andere Seite drehen musste und zur Wand starrte. Langsam fielen mir meine Augen vor Erschöpfung zu, obwohl ich nicht viel getan hatte außer zu weinen, nage selbst das an meinen Kräften. Und immer mehr viel ich in einen leichten Schlaf indem ich immer wieder Andy vor mir sah, seinen klaren, blauen Augen die in meinen Blickten, seine schwarzen Haare, die ihm hin und wieder ins Gesicht vielen. Und ab und zu berührte er mich doch war sogleich wieder fort und ich blickte mich suchend um. Doch die abstände in denen er bei mir war wurden immer größer bis er plötzlich ganz verschwunden war und ich panisch umher schaute, los rannte mich aber in einem nichts wieder fand. Und dann schlug ich die Augen auf.

Mein Herz raste und mein Puls war in die Höhe geschossen. Nur ein Alptraum. Ich atmete flach und schlang meine Arme um meinem Oberkörper, winkelte die Beine noch mehr an, sodass ich zusammengekauert auf der Matratze lag. Nur ein Alptraum. Ich sagte es mir immer wieder, wieder und wieder. Doch was wäre wenn ich Andy wirklich nie wieder sehen sollte ? Ich starrte an die Wand, gegenüber von mir, einen Arm breit entfernt von mir. Irgendwie musste ich etwas finden womit ich mich beschäftigen konnte...irgendetwas womit ich die Zeit hier drin festhalten konnte. Zwanghaft streckte ich meinen Hand aus und strich mit ein paar Fingern über den Kalten Stein. Dann fing ich an mit meiner Fingerspitze, nur mit meinem Nagel, über die Wand zu streichen. Erst vorsichtig dann mit immer mehr druck und irgendwann sah ich einen kleinen Strich, eine leichte Kuhle in der Wand. In Sekundenschnelle schoss ein wohliges Gefühl durch meinen Körper, endlich hatte ich etwas geschafft oder etwas gefunden. Ich setzte mich auf, krallte meine Hände kurz in die Matratze weil mir schwindelig wurde und mein Kreislauf schnelle Bewegungen nicht mehr gewohnt war, nahm aber dann wieder meinen Nagel und versuchte den angefangen Strich noch zu vertiefen. Immer wieder zog ich die Kuhle nach, die immer ein paar Millimeter Tiefer wurde und ich nahm mir als Vorsatz jeden Tag, wenn ich meine es wäre ein Tag um, einen Strich zu machen. Dann hatte ich zumindest für ein paar Minuten etwas Beschäftigung.

UnbrokenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt